Rom – Mehr als 100 000 Menschen haben in dem laufenden Jahr auf Booten Italien erreicht. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt, wie aus aktuellen Zahlen des italienischen Innenministeriums hervorgeht. Bis 15. August kamen demnach 100 938 Menschen mit Booten in Italien an – im Vergleichszeitraum 2022 waren es 48 295. Unter den Migranten befanden sich auch im laufenden Jahr sehr viele unbegleitete Minderjährige (10 290).
Im laufenden Jahr sind Guinea, die Elfenbeinküste, Ägypten und Tunesien die Länder, aus denen die meisten Migranten in diesem Jahr eingetroffen sind. Etliche Menschen versuchen immer wieder mit oft seeuntauglichen Booten aus Tunesien und Libyen Italien zu erreichen. Bei den hochgefährlichen Überfahrten kommt es mitunter zu verheerenden Bootsunglücken. Laut Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) werden seit Beginn des Jahres 2096 Menschen im Mittelmeer vermisst, die vermutlich ertrunken sind.
In Italien wird seit geraumer Zeit über die hohen Migrationszahlen über die Mittelmeerroute diskutiert. Die Rechtsregierung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni beschloss deswegen im April landesweit den Notstand. Auf europäischer Ebene setzt sich Italien dafür ein, mit nordafrikanischen Ländern Abkommen abzuschließen, um die Migrantenboote konsequent am Ablegen Richtung Europa zu hindern. (16. August)
Litauen schließt zwei Grenzübergänge zu Belarus
Vilnius – Litauen wird in Reaktion auf die Präsenz russischer Wagner-Söldner in Belarus zwei seiner sechs Grenzübergänge zum Nachbarland vorübergehend schließen. Die Regierung des baltischen EU- und Nato-Landes entschied am 16. August in Vilnius, die beiden Kontrollpunkte Sumskas and Tverecius zum 18. August bis auf weiteres dicht zu machen. «Diese Entscheidung ist eine der Präventivmaßnahmen, um die Bedrohungen der nationalen Sicherheit und mögliche Provokationen an der Grenze einzudämmen», sagte Litauens Innenministerin Agne Bilotaite.
Litauen hat eine fast 680 Kilometer lange Grenze zu Russlands engem Verbündeten Belarus. Der Baltenstaat ist wie Polen und Lettland besorgt wegen Aktivitäten der russischen Privatarmee Wagner im Nachbarland. Deren Truppen hatten nach dem gescheiterten Aufstand gegen Moskau ihr Lager in Belarus aufgeschlagen – und sollen nach Angaben der Führung in Minsk die belarussische Armee schulen. Nach Angaben von Grenzschutz-Chef Rustamas Liubajevas könnten bis zu 4500 Wagner-Kämpfer in der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik sein. Nach Angaben von Bilotaite diskutierten die baltischen Staaten und Polen auch über die Möglichkeit einer vollständigen Schließung ihrer Grenzen zu Belarus. Dazu soll es Ende des Monats Gespräche in Warschau geben, sagte sie der Agentur BNS zufolge. (16. August)
Lettland: Verstärkter Grenzschutz «klares Signal» an Belarus
Riga – Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins hat den verstärkten Schutz der Grenze zum benachbarten Belarus als «proaktive Maßnahme» bezeichnet. «Wir erhöhen einfach unsere Präsenz und senden ein klares Signal sowohl an unsere Gesellschaft als auch an die belarussischen Behörden, dass es keine Scherze geben wird», sagte er am 16. August im lettischen Fernsehen. Lettlands Grenze zu Belarus sei zugleich die EU-Außengrenze, die geschützt sei und es bleiben werde, sagte der Ministerpräsident des baltischen EU- und Nato-Landes.
Lettlands Grenzschutz hatte am 15. August zusätzlich Einsatzkräfte mobilisiert, um der «rapide zunehmenden hybriden Bedrohung» an der Grenze Rechnung zu tragen. Auch forderte die Behörde Unterstützung von den Streitkräften und der Polizei an. Lettlands Innenminister Maris Kucinskis bezeichnete den verstärkten Schutz der Grenze im lettischen Radio als logischen Schritt, der im Einklang mit den für den Grenzschutz entwickelten Algorithmen getroffen worden sei. So sei die Zahl von Migranten, die über Belarus unerlaubt in die EU einreisen wollten, deutlich angestiegen. Nach Behördenangaben wurden in Lettland in diesem Jahr bislang über 5800 Personen daran gehindert, illegal die Grenze zu überqueren.
Wie Polen und Litauen, die beide auch bereits den Schutz der Grenze zu Belarus verstärkt haben, ist die Regierung in Riga zudem wegen Aktivitäten der russischen Privatarmee Wagner im Nachbarland besorgt. (16. August)
Tusk: Polens geplantes Referendum zum EU-Asylkompromiss ist ungültig
Warschau – Polens Oppositionsführer Donald Tusk hat das von der nationalkonservativen PiS-Regierung geplante Referendum über den EU-Asylkompromiss und drei weitere Themen vorab als ungültig erklärt.
«Dieses Referendum ist im tiefsten und weitesten Sinne des Wortes ungültig. Manche behaupten, es handele sich um ein politisches Spiel, aber die PiS macht mit staatlichen Geldern Wahlkampf für sich selbst»
sagte der frühere polnische Regierungschef Donald Tusk am 16. August..
Die PiS-Regierung will parallel zu der Parlamentswahl am 15. Oktober ein Referendum mit vier Fragen abhalten. Eine davon bezieht sich auf den EU-Asylkompromiss und die verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen. Konkret soll die Frage lauten: «Unterstützen Sie die Aufnahme von Tausenden illegaler Einwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika nach dem von der europäischen Bürokratie auferlegten Mechanismus der verpflichtenden Aufnahme?» Der Ausgang des Referendums hätte keinerlei Einfluss auf den Entscheidungsprozess innerhalb der EU. Anfang Juni hatten sich die EU-Innenminister auf eine Reform der Asylpolitik geeinigt. Diese sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Polens Regierung widersetzt sich.
Die anderen Fragen im geplanten Referenden beziehen sich auf die Privatisierung staatlicher Unternehmen, die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters und die Befestigung an der Grenze zu Belarus. Auch andere Vertreter der Opposition werfen der PiS vor, sie wolle mit dem Referendum ihre Wähler mobilisieren und staatliche Ressourcen für den eigenen Wahlkampf nutzen. Polens Parlament will am 17. August den Weg für das Referendum frei machen. (16. August)
Sekt ohne Folienkapsel – EU-Regelung ermöglicht andere Flaschen
Mainz/Wiesbaden – Winzer Florian Lauer von der Saar ist überglücklich. Womit er juristisch bisher keinen Erfolg hatte, macht jetzt eine neue EU-Vorschrift möglich: Sekt darf ohne Folienkapsel am Flaschenhals verkauft werden. Viele große Sekthersteller sind skeptisch.
«Verbraucherinnen und Verbraucher können einen Schaumwein von außen sofort an der charakteristischen Schaumwein-Glasflasche und der Umkleidung des Flaschenhalses mit einer Folie erkennen», stellt Oliver Hennes vom Verband Deutscher Sektkellereien fest. Dies könne sich mit der neuen EU-Vorschrift ändern. Dem Verband, der für 95 Prozent der Sektherstellung in Deutschland stehe, sei es aber wichtig, «dass die traditionelle und als Qualitätsmerkmal von Verbraucherinnen und Verbrauchern gelernte Schaumweinausstattung» eine Orientierungshilfe bleibe.
Volker Raumland von einem Sektgut im Südwesten Deutschlands nennt die Entscheidung «zeitgerecht». In der Vergangenheit habe er aber mitunter bis zu zwei Jahre auf seine Sektkapseln warten müssen, etwa aufgrund von Lieferengpässen bei den Materialien. «Einer der größten Kapsellieferanten hatte seinen Sitz in der Ukraine.» Die Produktion sei dort nach dem Beginn des Angriffskrieg Russlands zum Stillstand gekommen.
Das Deutsche Weininstitut (DWI) begrüßt die EU-Regelung. Es sei sinnvoll, künftig aus betrieblichen Gründen, um Kosten zu sparen und Abfall zu vermeiden, auf die Verwendung von Kapselfolien für Sektflaschen verzichten zu können, wenn die Mitgliedsstaaten und Erzeuger dies so festlegten. Den Winzern gehe es aber nicht ausschließlich um Umweltschutz, sagt Lauer, sondern auch um die unnötigen Kosten für die Folien. Und um die Optik, die Präsentation des handwerklichen Produkts mit Naturkorken und attraktiv gestalteten Agraffen-Plättchen. (15. August)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl auf der Grundlage der Europa-Berichterstattung der dpa. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der dpa. Der EU Digest erscheint jeweils montags und donnerstags.