Die Europäische Union benötigt Seltene Erden und Kritische Rohstoffe, um ihre strategischen Wirtschaftsziele voranzutreiben. Allerdings sind die 27 Mitgliedstaaten derzeit stark abhängig von Importen aus Ländern wie China.
Um welche Stoffe geht es eigentlich?
Die Europäische Union hat 34 Rohstoffe als Kritische Rohstoffe (Critical Raw Materials, CRM) identifiziert. Davon sind 17 als Strategische Rohstoffe (Strategic Raw Materials, SRM) klassifiziert. Diese Liste umfasst Elemente wie Kobalt, Kupfer, Wolfram, Lithium und Nickel.
Kritische Rohstoffe sind für die EU-Wirtschaft von großer Bedeutung. Gleichzeitig ist das Risiko von Lieferunterbrechungen groß. Die Vorräte sind örtlich konzentriert und es gibt kaum Rohstoffe, die einzelne Elemente ersetzen können. „Einige dieser Elemente sind mehr oder weniger unersetzlich oder nur zu hohen Kosten ersetzbar“, so John Seaman, Forscher am Französischen Institut für Internationale Beziehungen (Ifri).
Die SRMs sind nicht mit den Seltenen Erden zu verwechseln. Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 chemischen Elementen, bei denen es sich größtenteils um Metalle handelt. Einige davon sind nicht einmal besonders selten. Diese Gruppe umfasst Elemente wie Cer, Europium, Erbium und Yttrium. Alle Seltenen Erden gehören zur Liste der Kritischen Rohstoffe der EU.
„Je mehr die Nachfrage nach diesen Rohstoffen steigt, desto mehr suchen die Menschen nach ihnen und desto mehr werden sie gefunden. Das Problem liegt mehr in der Beziehung zwischen den Abbaukosten und den Marktpreisen“, so Seaman.
Warum braucht die EU die CRMs?
Im Mai 2024 trat das europäische Gesetz über Kritische Rohstoffe (European Critical Raw Materials Act) in Kraft. Damit will die EU seine wirtschaftliche Autonomie stärken, indem sie die Versorgung erhöht und diversifiziert.
Das Gesetz legt die Maßstäbe für die inländischen Kapazitäten entlang der Lieferkette strategischer Rohstoffe fest, die bis 2030 erreicht werden sollen: 10 Prozent des jährlichen Bedarfs der EU für Abbau, 40 Prozent für Verarbeitung und 25 Prozent für Recycling. Nicht mehr als 65 Prozent des jährlichen Bedarfs der EU an jedem strategischen Rohstoff in jeder relevanten Verarbeitungsstufe sollen aus einem einzigen Drittland stammen.
Die Nachfrage wird in den kommenden Jahren voraussichtlich stark steigen, da Kritische Rohstoffe und Seltene Erden für die Pläne der EU, von fossilen Brennstoffen wegzukommen, unerlässlich sind. Für Batterien oder Solarmodule, die wichtige Puzzleteile in der grünen Industriestrategie der EU sind, werden diese Rohstoffe benötigt. Sie sind außerdem Teil industrieller Lieferketten und notwendig, damit Alltagsprodukte wie Mobiltelefone funktionieren. Auch für die Entwicklung strategischer Technologien, etwa in der Verteidigung, werden sie gebraucht.
Ein Beispiel: Die Kommission erwartet, dass die EU-Nachfrage nach Lithiumbatterien, die Elektro- und Energiespeicherfahrzeuge antreiben, bis 2030 um das 12-fache und bis 2050 um das 21-fache im Vergleich zu aktuellen Zahlen steigen wird. Die EU-Nachfrage nach Seltenen Erden, die in Windkraftanlagen und Elektrofahrzeugen verwendet werden, wird bis 2030 voraussichtlich um das Fünf- bis Sechsfache und bis 2050 um das Sechs- bis Siebenfache steigen.
Die Kommission plant, fast 50 Projekte und Unternehmen in den Mitgliedstaaten zu unterstützen, um ihre Ziele für die Versorgung, Verarbeitung und das Recycling von CRMs zu erreichen. Am Dienstag veröffentlichte die Kommission eine Liste mit 47 „strategischen Projekten“, darunter Projekte zum Abbau von Lithium und Wolfram, um die übermäßige Abhängigkeit von China zu reduzieren.
„Dies ist ein Meilenstein für die europäische Souveränität als industrielles Schwergewicht.“
Stéphane Séjourné, Exekutiv-Vizepräsident für Wohlstand und Industriestrategie

Gibt es Vorkommen innerhalb der EU?
Die EU kann nur einen Bruchteil ihres Bedarfs an einigen CRMs aus den Mitgliedstaaten decken. Seltene Erden werden derzeit in Europa nicht abgebaut, es gibt nur wenige bekannte Vorkommen.
Portugal verfügt beispielsweise über die größten Lithiumreserven in Europa, die achtgrößten weltweit, und ist der einzige bedeutende Produzent in der EU. Der Abbau von Lithium ist jedoch in der portugiesischen Bevölkerung umstritten.
Die Spanische Konföderation der Mineralrohstoffindustrie (Primigea) fordert, dass Europa dringend und schnell umfassende geologische Untersuchungen durchführen müsse, um die Autonomie zurückzugewinnen, die es durch 40 Jahre Abhängigkeit von ausländischen Ressourcen verloren hat. Der Konföderation zufolge gehört Spanien zu den Ländern mit dem größten Potenzial für den Abbau wichtiger Rohstoffe.
Spanien ist der zweitgrößte Produzent von Kupfer und Mangan in der EU. Angesichts des Drucks aus Brüssel, die industrielle Autonomie zu stärken, hat die spanische Regierung kürzlich einen Plan vorgelegt, um Bodenuntersuchungen zu beschleunigen. „Spanien hat sehr reiche Bodenschichten“, insbesondere was „Strategische Mineralien“ betrifft, betonte Ester Boixereu, Geologin am Geologischen und Bergbauinstitut Spaniens (IGME).
Dennoch wird der Abbau auch dort von der Bevölkerung kritisiert, die sich Sorgen über die Belastungen und Umweltfolgen dieser Projekte macht, insbesondere im Hinblick auf den hohen Wasserverbrauch und den Einsatz von Chemikalien zur Gewinnung von Metallen aus dem Boden.
Die Wiederbelebung des Sektors werde „das Risiko von Unfällen erhöhen“ und „die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Bergbaus verschärfen“, kritisierte die Umweltgruppe Friends of the Earth kürzlich und beklagte einen „Mangel an Transparenz“ der Behörden.
Woher importiert die EU Rohstoffe?
Die EU bezieht derzeit den Großteil ihrer Kritischen Rohstoffe von außerhalb des Blocks. So lieferte die Türkei bis 2024 sogar 98 Prozent des Bor-Bedarfs der EU, während China satte 100 Prozent der schweren Seltenen Erden lieferte, darunter Europium, Terbium oder Yttrium.
Südafrika deckt 71 Prozent des EU-Bedarfs an Platinmetallen. Ein weiterer wichtiger Lieferant ist die Demokratische Republik Kongo: 63 Prozent des weltweiten Kobalts, das in Batterien und hochfesten Leichtlegierungen für die Verteidigungs- und Luftfahrtindustrie verwendet wird, stammen aus dem kriegsgebeutelten Staat.
Die EU hat sich bemüht, ihre Quellen zu diversifizieren, jedoch mit gemischtem Erfolg.
Im Jahr 2024 unterzeichnete die Kommission mit Ruanda ein Memorandum of Understanding (MOU) über Kritische Rohstoffe. Brüssel wollte so seine Abhängigkeit von China für Rohstoffe wie Lithium, Zinn oder Gold reduzieren. Ruanda sollte finanzielle Unterstützung für die Entwicklung seiner Bergbauprojekte erhalten.
Allerdings gab es von Anfang an Kontroversen, da ruandische Kämpfer in Konflikte in einer rohstoffreichen Grenzregion der benachbarten Demokratischen Republik Kongo verwickelt sind. Aufgrund der militärischen Eskalation in Nord-Kivu forderte das Europäische Parlament im Februar die Aussetzung des MOU.
Belgien setzte sich intensiv dafür ein, Sanktionen gegen Ruanda wegen seiner Unterstützung der M23-Rebellenbewegung in der Demokratischen Republik Kongo zu verhängen und das MOU auszusetzen. Die Kommission argumentierte jedoch, dass eine Aussetzung kontraproduktiv wäre. Unterdessen entschied sich Ruanda vergangeneWoche, die diplomatischen Beziehungen zu Belgien abzubrechen.
Sind Grönland und die Ukraine die Antwort?
Die Ressourcen Grönlands haben die Aufmerksamkeit der USA auf sich gezogen. Präsident Donald Trumps Aussagen über eine Übernahme des autonomen dänischen Territoriums alarmierten sowohl Kopenhagen als auch Brüssel.
Der Untergrund Grönlands enthält Lithium und Graphit für Batterien sowie Seltene Erden. Sie werden vom Geologischen Dienst von Dänemark und Grönland (GEUS) auf 36,1 Milliarden Tonnen geschätzt.
Trotz des großen Interesses an den Mineralien und Rohstoffen in Grönlands Bergen und Buchten ist laut Jakob Kløve Keiding, Chefberater der Abteilung für Kartierung und Mineralressourcen bei GEUS, die Zahl der geplanten Bergbauprojekte recht begrenzt. „Die Unternehmen haben alle Ambitionen, eine Mine zu eröffnen, aber nur wenige Projekte sind nahe an der Umsetzung“, erklärt er.
Die Branche macht nur etwa ein Prozent der grönländischen Wirtschaft aus. Grönland bleibt fast vollständig unerschlossen, und seine Mineralien werden als mögliche Grundlage für die Unabhängigkeit angesehen. Ein Ziel, das von der Mehrheit der 57.000 Einwohnerinnen und Einwohner der Insel unterstützt wird.
In der Realität ist es jedoch ein weiter Weg von einer Abbaulizenz bis zur rentablen Produktion. Administrative Herausforderungen, schwierige arktische Bedingungen und die begrenzte Infrastruktur in Grönland machen es unter anderem schwierig, durch den Abbau der Rohstoffe Gewinne zu erzielen.
Die EU-Kommission hat die Ukraine als „eine potenzielle Quelle für mehr als 20 Kritische Rohstoffe“ beschrieben.
Dort werden insbesondere drei Kritische Mineralien geschürft: Mangan, Titan und Graphit, die für Elektro-Batterien unverzichtbar sind. Beim letztgenannten Material entfallen auf die Ukraine „20 Prozent der geschätzten weltweiten Ressourcen“, so das französische Büro für geologische und bergbauliche Forschung (BRGM).
Im Boden der Ukraine werden mehrere Milliarden Tonnen Seltener Erden sowie andere strategische Materialien wie Graphit und Lithium vermutet. Viele dieser Lagerstätten befinden sich jedoch in der von Russland kontrollierten Ostregion des Landes.
Die Ukraine steht kurz vor der Unterzeichnung eines Abkommens mit den USA über Mineralien. „Eines der Dinge, das wir tun, ist, sehr bald ein Abkommen über Seltene Erden mit der Ukraine zu unterzeichnen, da sie einen enormen Wert an Seltenen Erden haben, und wir schätzen das“, sagte Trump vor wenigen Tagen.
Trump hat Präsident Wolodymyr Selenskyj unter Druck gesetzt, Wirtschaftsabkommen zu unterzeichnen, um die Vereinigten Staaten für ihre Unterstützung im Widerstand gegen Russlands Invasion in der Ukraine zu entschädigen.
Die EU hatte schon 2021 versucht, mit der Ukraine ins Rohstoffgeschäft einzusteigen, als sie eine strategische Partnerschaft für Rohstoffe ins Leben rief. Die russische Invasion im Jahr 2022 machte jedoch die Umsetzung dieser Pläne größtenteils zunichte. Danach gelang es der EU nicht, einen gegenseitigen Rahmen zu schaffen, sodass der Block nun ins Hintertreffen geraten ist.
Frankreich erklärte Ende Februar ebenfalls, dass es sich in Gesprächen mit der Ukraine befinde, um auf ihren Rohstoffreichtum, einschließlich militärischer Nutzung, zugreifen zu können. Die Gespräche zwischen Frankreich und der Ukraine begannen im Oktober und wurden von den Verteidigungsministerien beider Länder geführt, erklärte der französische Ressortchef Sébastien Lecornu.
Anders als Trump strebe Frankreich keine Gegenleistung in Form von Mineralien aus der Ukraine für die gewährte Unterstützung im Krieg gegen Russland an, sagte er.
Dieser Artikel wird zweimal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf den Nachrichten der am European Newsroom beteiligten Agenturen.