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Brüssel – EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola will Österreich von der Erweiterung des grenzkontrollfreien Schengen-Raums überzeugen. „Vor elf Jahren haben EU-Kommission und EU-Parlament die Mitgliedschaft Rumäniens und Bulgariens im Schengen-Raum begrüßt“, sagte Metsola in einem APA-Interview im Vorfeld ihres Besuchs am Donnerstag und Freitag. „Ich verstehe, dass Österreich Bedenken hat, aber ich möchte überzeugen, dass wir einen Ausweg finden können.“

Die Auswirkungen auf die Bürger der beiden Länder seien enorm, betonte die konservative Politikerin, die wie die ÖVP der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört. Österreich und die Niederlande hatten den Beitritt Rumäniens und Bulgariens in den Schengen-Raum blockiert. Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner (beide ÖVP) argumentierten mit einer hohen Anzahl an illegalen Grenzübertritten.

In der Migrationsfrage zeigt sich Metsola zuversichtlich, bald eine Einigung auf den von der EU-Kommission vorgelegten Asyl- und Migrationspakt zu erzielen. „Ich würde sagen, wir haben die bestmöglichen Fakten auf dem Tisch“, sagte die 44-jährige Malteserin. „Was ich nicht will, ist, dass wir scheitern und die Länder dann keine andere Möglichkeit haben, als die Binnengrenzkontrollen wieder einzuführen.“ Dass Österreich derzeit Grenzkontrollen zu Slowenien durchführt, wollte sie nicht kommentieren.

Es sei zwar „rechtlich und politisch“ nachvollziehbar, allerdings müsse man versuchen „ein Gleichgewicht“ zu finden, wen man ins Land lasse, betonte Metsola mit Blick auf Schutzbedürftige und fehlende Arbeitskräfte in Europa. Falls es keine Einigung – zumindest in den „großen Dossiers“ des Pakts – gebe, „dann haben wir einen sehr schwierigen Sommer vor uns und eine sehr emotionale Debatte“ in Bezug auf die Europawahlen im Juni 2024, sagte die EU-Parlamentspräsidentin.

Migration ist ein Thema, das besonders von rechten Parteien forciert wird. Auf die Frage nach einem möglichen Rechtsruck bei den kommenden EU-Wahlen, bekräftigte Metsola: „Ich denke, wir haben Fehler in der Vergangenheit gemacht, wir haben den Aufstieg der Extreme ignoriert.“ Sie plädierte für eine „konstruktive pro-europäische Mitte“, die auch die „schwierige Diskussion“ über Migration führt, und schloss indirekt auch die Zusammenarbeit mit den Rechten aus.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hatte eine Allianz der EVP mit der Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR) in Hinblick auf die EU-Wahl ins Spiel gebracht. Der EKR-Fraktion im EU-Parlament gehören unter anderem die postfaschistische Partei Fratelli d ́Italia (FdI) der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, die polnische Regierungspartei PiS sowie die spanische Vox-Partei an.

Metsola betonte zwar, sie wolle „nicht über interne Parteipolitik oder Allianzen spekulieren“, erklärte aber gleichzeitig: „Wenn wir eine Mehrheit haben, die sich zwischen EVP, der SD (Sozialdemokraten) und den Liberalen halten kann, dann wäre das der richtige Weg.“ Was nicht funktionieren würde, so die EU-Parlamentspräsidentin weiter, wäre eine rechte oder linke Mehrheit. Sie erwähnte zudem die türkis-grüne Regierung in Österreich als Bündnis, das sich auch andere Länder anschauen sollten.

Auf EU-Ebene sorgte zuletzt jedoch die EVP mit ihrer teilweisen Abkehr vom „Green Deal“ für Spannungen – vor allem mit den Grünen. Ob sie die Position ihrer europäischen Parteikollegen unterstütze? „Es war bereits eine ziemliche Herausforderung, Mehrheiten für das Emissionshandelssystem und für den zivilen und sozialen Klimafonds zu finden … aber es wurden Kompromisse gefunden.“

Die EVP wehrt sich vor allem gegen eine neue Pestizidverordnung und das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. „Österreicher haben mich schon vor Monaten darauf aufmerksam gemacht“, dass das ein Problem sein könnte, so Metsola. Die Ablehnung in diversen EP-Ausschüssen sei „ein Weckruf für uns alle, zu schauen, was wir auf dem Tisch haben, was verbessert werden kann, was repariert werden kann“.

Ebenfalls umstritten ist die rasche Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit der Ukraine. Metsola hofft, dass dies noch heuer geschehen wird. Natürlich müssten die einzelnen Länder ihre Hausaufgaben machen, aber das Tempo der Ukraine sei hoch, so die EU-Parlamentspräsidentin. „Wir müssen dieses Tempo mitgehen. Wir müssen zeigen, dass wir dieser Aufgabe gewachsen sind.“ Über den Zeitplan wolle sie nicht spekulieren, ihr Heimatland Malta habe über ein Jahrzehnt für den EU-Beitritt gebraucht.

Malta ist wie Österreich neutral. „Die Debatte hat sich geändert“, so Metsola. Sie betonte den Unterschied zwischen militärischer und ethischer Neutralität. Österreich habe seine Türen für ukrainische Flüchtlinge geöffnet und unterstütze die Sanktionen gegen Russland.

Metsola reist Donnerstag und Freitag nach Österreich, wo sie unter anderem mit Bundespräsident Alexander van der Bellen und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zusammentreffen wird. Ihr Besuch diene auch dazu, „die Wähler zu bitten, uns danach zu beurteilen, wie wir auf diesen sehr schwerwiegenden und schockierenden“ Korruptionsskandal reagiert haben, sagte die EU-Parlamentschefin.

In dem Ende 2022 öffentlich gewordenen Bestechungsskandal geht es um mutmaßliche Einflussnahme auf Entscheidungen des EU-Parlaments durch die Regierungen von Katar und Marokko. Den Beschuldigten wird von der Staatsanwaltschaft Korruption und Geldwäsche vorgeworfen.

Der Skandal sei ein „Weckruf, dass dieses Parlament viele Jahre lang verwundbar war und diese Verwundbarkeit missbraucht wurde“. Sie könne nicht sagen, dass das nie wieder passieren werde, aber „wir haben Firewalls eingerichtet, damit die Alarmglocken früher läuten“. (25.05.23)

Ukraine – Tanner: Insbesondere zivile Unternehmen in Entminung tätig

Brüssel – Die Beteiligung Österreichs an der Entminung in der Ukraine sorgt derzeit für Diskussionen. „Kein Soldat von keiner europäischen Armee ist derzeit in der Ukraine im Einsatz. Es sind insbesondere zivile Unternehmen, die in der Entminung tätig sind“, betonte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) nach dem Treffen mit ihren EU-Amtskolleginnen und -kollegen vor Journalisten am Dienstag in Brüssel.

„Wir sind als Österreicher von Anbeginn an sehr klar gewesen, wie wir an der Seite der Ukraine stehen: über die EU-Friedensfazilität, über das Sanktionspaket. Wir als Österreicher sind im oberen Drittel der Unterstützer. Was wir nicht tun, ist Waffen zu liefern oder an ihnen auszubilden“, betonte Tanner. Bei EU-Missionen mit österreichischer Beteiligung wie in Mali gebe es ein internationales Mandat und die Einsatzländer seien nicht im Krieg. „Das ist der Unterschied.“

Entminungen seien weltweit die Aufgabe von NGOs. „Manchmal werden sie von staatlicher Seite, z.B. der Schweiz, kontrolliert, aber ausgeführt werden sie von privaten Unternehmen“, so Tanner. Militärisches Entminen heiße auch, Wege freizuräumen. In Österreich räumten die Pioniere auf den Truppenübungsplätzen das, was liegengeblieben ist, weg. Entminungen seien „ein aufgeheiztes Thema“. Tanner fordert, den Fokus auch darauf zu richten, wenn der Krieg vorbei ist: „Da sind wir sicher mit unserer Expertise die ersten.“

Österreich brauche sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. „Wir sind ein wichtiger Partner der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wir sollten nicht übersehen, wo es neben der Ukraine noch Herausforderungen gibt“, betont die Ministerin. Österreich sei in vielen Missionen von der Sahelzone über den Westbalkan mit Soldaten im Einsatz – aber eben nicht im Krieg. In Mali „mussten wir unsere Situation an die Truppenstärke anpassen. Man hatte keine andere Möglichkeit.“ Im Sudan hat sich die EU bei der Evakuierung „kein Ruhmesblatt verdient“. Daher: „Wir müssen den Strategischen Kompass mit der schnellen EU-Eingreiftruppe mit Leben erfüllen“, so Tanner.

Die Zusage der EU, der Ukraine eine Million Munition zur Verfügung zu stellen, sei zu einem Fünftel erfüllt, hieß es aus EU-Kreisen. Probleme bereitet nach wie vor Ungarn, das weitere militärische Hilfen und den Abschluss des elften Sanktionspaketes zu blockieren droht. Eine ungarische Bank solle zuerst von der ukrainischen „Liste für internationale Terrorunterstützer“ entfernt werden. Hier gab es beim Verteidigungsministerrat keine Fortschritte. Tanner ist aber zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werde.

Österreich will auch für den Eigenbedarf Munition bestellen. Laut Tanner sind Österreichs Bestände derzeit noch gut gefüllt. Gemeinsame Beschaffung mache aber Sinn: „In den letzten Jahren sind die Verteidigungsbudgets in ganz Europa in die Höhe gegangen. Und diejenigen, die jetzt Gerätschaft in die Ukraine liefern, müssen ihre Bestände ja auch wieder auffüllen.“ (24.05.23)

EuGH: UNESCO-Kriterium für Prüfung von Heumarkt-Projekt relevant

Luxemburg/Brüssel – Der Rechtsstreit rund um das projektierte Heumarkt-Hochhaus von Michael Tojners Wertinvest ist um eine Facette reicher. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kam in seinem am Donnerstag veröffentlichten Urteil zu dem Schluss, dass die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei einem Städtebauprojekt nicht ausschließlich von dessen Größe abhängen darf. Wenn ein EU-Staat Schwellenwerte festlegt, seien andere Aspekte wie der Standort zu berücksichtigen.

Befinde sich das Projekt – wie das beim Heumarkt-Hochhaus der Fall sei – im Kerngebiet einer UNESCO-Welterbestätte, sei das Kriterium Standort besonders relevant, so die Luxemburger Richter. Laut österreichischem Recht muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Städtebauprojekte ab einer Fläche von mindestens 15 Hektar und einer Bruttogeschossfläche von mehr als 150.000 Quadratmeter durchgeführt werden. Das Heumarkt-Projekt liegt mit 1,55 Hektar bzw. 89.000 Quadratmeter unter den Schwellenwerten.

Das österreichische Verwaltungsgericht wandte sich mit der Frage, ob die österreichische Regel EU-konform ist, an den EuGH. Dieser betonte in seinem Urteil, Unionsrecht stehe gegen zu hohe Schwellenwerte, die in der Praxis alle oder nahezu alle Projekte einer bestimmten Art von vornherein der Pflicht zu Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung entziehen würden.

Die Umweltorganisation „Alliance for Nature“, die für eine UVP-Pflicht für das Heumarkt-Projekt kämpft, interpretiert das EuGH-Urteil als Erfolg. „Zukünftig müssen in Österreich nicht nur Stadtteile, sondern auch einzelne Bauprojekte, die ihrem Wesen nach ’städtisch‘ sind, einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen werden, dies bevor andere Genehmigungen – darunter insb. Baubewilligung – erteilt werden“, hielt Piotr Pyka, Anwalt der NGO, in einer Aussendung fest. „Die Baubewilligung für das umstrittene Projekt am Heumarkt, für das bislang keine UVP durchgeführt wurde, rückt daher in weite Ferne“, lautet die Schlussfolgerung des Juristen. Für das Projekt müsse nämlich zunächst eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der UVP-Pflicht durchgeführt werden.

„Dass bei Bauprojekten nicht nur die technische Sicherheit oder die Flächenwidmung, sondern auch deren Auswirkungen auf die Umwelt, zu der auch das Weltkulturerbe gehört, mitberücksichtigt werden müssen, galt bislang in Österreich nur für die Errichtung neuer Stadtteile, nicht aber für einzelne Gebäude als ‚Städtebauprojekte'“, führte Pyka aus. Er wird sich außerdem gemeinsam mit „Alliance for Nature“-Generalsekretär Christian Schuhböck in einer Pressekonferenz am morgigen Freitag zum EuGH-Urteil äußern.

Seitens des Projektbetreibers Wertinvest gab es am Donnerstag ein lediglich kurzes schriftliches Statement. „Nach dem EuGH-Urteil liegt die weitere Entscheidung zum Projekt nun beim Wiener Landesverwaltungsgericht“, hielt Geschäftsführerin Daniela Enzi gegenüber der APA fest: „Wir arbeiten aber bereits seit 2021 in enger Abstimmung mit der Stadt Wien und den verantwortlichen Ministerien an einem adaptierten, redimensionierten Projekt ‚Heumarkt Neu‘.“

Elisabeth Olischar, Planungssprecherin der Wiener ÖVP, sieht nun die Stadtregierung am Zug. „Der Ball liegt nun wieder bei der Stadt Wien, die jetzt offenlegen muss, wie es weitergehen soll“, meinte sie in einer Aussendung. Es stellten sich zahlreiche Fragen: „So ist bis heute nicht bekannt, wie die aktuelle Projektversion mit der ominösen ‚Wohnscheibe‘ aussieht. Das ist bei einem Vorhaben mit dieser Tragweite untragbar“, kritisierte die Oppositionspolitikerin. Eine Welterbe-konforme Lösung in der Heumarkt-Causa sei mehr als überfällig.

Die rechtliche Angelegenheit rund um die umstrittene Heumarkt-Bebauung, wegen der die Wiener Innenstadt nach wie vor auf der Roten Liste der gefährdeten UNESCO-Welterbestätten aufscheint, ist äußerst kompliziert. Die juristischen Streitigkeiten befassten in den vergangenen Jahren u.a. bereits das Bundesverwaltungsgericht, den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof. (25.05.23)

„Die Menschen haben Angst“: Wölfe sorgen in Brüssel für Diskussionen

Brüssel/Innsbruck/Bozen – Die EU-Kommission hat eine Expertenstudie in Auftrag gegeben, die bis Jahresende Möglichkeiten aufzeigen soll, wie mit den regionalen Problemen durch Wölfe umgegangen werden kann. „Es ist wichtig, die Ängste und Konflikte ernstzunehmen und wahrzunehmen“, sagte Carmen Preising, Kabinettschefin des zuständigen Umweltkommissars Virginijus Sinkevičius, am Mittwochabend bei einer Diskussion über „Die Herausforderungen des Wolfsmanagements in der EU“ in Brüssel.

Zu der Veranstaltung mit dem Untertitel „Der Schutzstatus des Wolfes in der EU: Brauchen wir eine Überprüfung?“ hatte der Europaparlamentarier Herbert Dorfmann (Südtiroler Volkspartei) geladen. Im Vertretungsbüro der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino ließen der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) keinen Zweifel an der Brisanz des Problems.

„Derzeit haben die Menschen Angst“, sagte Kompatscher und verwies darauf, dass im Mai in Südtirol viele Eltern die Erlaubnis für die Teilnahme ihrer Kinder an den traditionellen Schulausflügen verweigert hätten. Dazu hätte auch der Fall eines Joggers im Trentino beigetragen, der von einem Bären getötet wurde. Die laufende Diskussion sei auch demokratiepolitisch gefährlich, da viele Menschen in Zweifel zögen, warum in der Stadt über Probleme der Menschen am Land entschieden werde. „Auch das EU-Bashing macht wieder die Runde.“

„Großraubtiere sind nun massiv auch ein politisches Problem“, sagte Mattle. „Die Politik ist gefordert, Lösungen zu finden. Wir brauchen Lösungen für die Bevölkerung, für die Landwirte, aber auch im Sinne der Biodiversität.“ Doch nicht nur Wölfe oder Bären, auch Schafe trügen zur Biodiversität bei. In Tirol werden Wolfs-Abschüsse nach einer jagdgesetzlichen Novelle nun nicht mehr per Bescheid (der oftmals erfolgreich beeinsprucht wurde), sondern per Verordnung freigegeben, jüngst dreimal binnen weniger Tage. Man brauche jedoch eine EU-Lösung, mehr noch, eine europäische Lösung, da etwa im Schweizer Kanton Graubünden derzeit rund 100 Wölfe in mehreren Rudeln lebten. Die gesamte Wolfspopulation im Alpenraum, wird derzeit auf rund 500 bis 600 Wölfe geschätzt.

EU-weit werden Wölfe durch die 1992 beschlossene Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, europaweit auch durch die aus 1979 stammende Berner Konvention des Europarates geschützt. Dort ist die Schweiz mit mehreren Anträgen zur Rückstufung des Schutzstatus des Wolfs, die mehr Handlungsspielraum beim Wolfsmanagement bieten würde, gescheitert, zuletzt im November des Vorjahres. Länder wie Schweden und Finnland hätten diesbezüglich mehr Spielraum erhalten – was aber nur beim Ernsteintritt in die Konvention, nicht aber nachträglich möglich sei, erläuterte der Jurist Roland Norer, der die Materie „juristisch extrem interessant“ und sich selbst als „geistiger Vater“ der derzeit in Kärnten und Tirol angewandten Regelungen bezeichnete.

Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie mit ihren Listen der schutzwürdigen Arten sei seit 30 Jahren unverändert, monierte Dorfmann, nicht nur die Gefährdungslage, auch „die politische Stimmung hat sich geändert“. Auf eine Änderung der Richtlinie zu warten sei allerdings müßig, da dafür eine Einstimmigkeit der EU-Mitgliedsländer erforderlich sei, erläuterte Norer. Er plädierte daher für die Nutzung nationaler Spielräume. Doch statt den Ländern diese zu gewähren, sei man von „Pilotverfahren“ und Vertragsverletzungsverfahren bedroht.

„Unser Ansatz ist sehr pragmatisch“, entgegnete Preising. „Wir glauben, dass die jetzige Richtlinie genug Spielraum lässt.“ Jeder Mitgliedsstaat müsse für sich einen geeigneten Mix an Maßnahmen finden, um zu „ganz spezifischen, regionalen Lösungen für den Herdenschutz“ zu kommen. Dafür gebe es „viele Best-Practice-Beispiele“. Als ersten Schritt brauche es Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung.

Diese Aufklärung versucht auch ein im November erschienenes Buch zu liefern, das im Anschluss von einem der Mitautoren, dem aus der Steiermark stammenden Wildtierbiologen Wolfgang Schröder, emeritierter Professor für Wildbiologie und Wildtiermanagement an der Universität München, vorgestellt wurde. In „Der Wolf im Visier – Konflikte und Lösungsansätze“ werden 93 Fragen von 26 Fachleuten beantwortet, darunter „Woher stammen die Wölfe in den Alpen?“ „Wie sollte man auf eine Wolfsbegegnung reagieren?“, „Wie viel kostet der Wolf?“ oder „Was frisst der Wolf lieber, Wild- oder Nutztiere?“

Wölfe seien „ungemein dynamisch“, kommentierte Schröder eine im Buch enthaltene Karte über die Wolfspopulation im Alpenraum, die bereits „rettungslos überholt“ sei. Diese Dynamik sei wohl auch dafür verantwortlich, dass der Versuch einer neuen friedlichen Koexistenz von Mensch und Wolf möglicherweise „aus dem Ruder gelaufen ist“. (25.05.23)