Als zu Jahresbeginn die EU-Durchführungsverordnung 2023/5 in Kraft trat, war die Aufregung groß. Die Debatte um Insekten in Lebensmitteln wurde zum Dauerbrenner in sozialen Medien. Nun soll angeblich das EU-Land Rumänien den Verkauf von Lebensmitteln mit Insektenbestandteilen verboten haben. Ähnliche Überlegungen gebe es auch in den Niederlanden.
Bewertung
Insekten in Lebensmitteln sind in Rumänien nicht verboten. Es gibt derzeit lediglich einen Gesetzentwurf, dem zufolge eine Gruppe traditioneller Produkte keine Zutaten aus Insekten enthalten soll. Und der Vorstoß in einer niederländischen Stadt ist schon wieder vom Tisch.
Fakten
Der Parteichef der rumänischen Sozialdemokraten und heutige Ministerpräsident, Marcel Ciolacu, hat am 13. April 2023 in der Tat einen Gesetzentwurf «bezüglich der Regelung der Verwendung von Insektenmehl bei der Zubereitung/Herstellung von Produkten sowie der Vermarktung dieser Produkte auf dem Territorium Rumäniens» vorgelegt. Der Entwurf beschränkt sich allerdings nur auf bestimmte Lebensmittel.
Konkret bezieht sich der Vorstoß auf Waren, die im Nationalen Register traditioneller Produkte (RNPT) aufgeführt sind. Unternehmen sei es «auf dem Territorium Rumäniens untersagt, Insektenmehl bei der Zubereitung/Herstellung» solcher Erzeugnisse zu verwenden, heißt es in dem Entwurf. Damit sollen die Produktion und Vermarktung von Lebensmitteln mit Insektenmehl in Rumänien reguliert und traditionelle rumänische Produkte geschützt werden.
Ende März 2023 waren von der Waldhimbeermarmelade über typische Weichkäsesorten bis zum gerösteten Sanddorn mit Honig insgesamt 753 Produkte im RNPT aufgeführt, darunter 307 Fleischprodukte und 115 Backwaren. Um in diesen Katalog aufgenommen zu werden, muss «das traditionelle Produkt aus lokalen Rohstoffen hergestellt werden, ein traditionelles Rezept aufweisen, das für den Ort der Verarbeitung spezifisch ist, und eine traditionelle Art der Produktion und/oder Verarbeitung» widerspiegeln.
Ob der Entwurf überhaupt zum Gesetz in Rumänien wird, hängt vor allem von einer noch bevorstehenden Entscheidung im Parlament ab. Derzeit (Stand: 21. Juni 2023) befindet er sich auf Ausschussebene im Senat.
Die weitere Behauptung im Sharepic, die Niederlande wollten ein ähnliches Vorhaben umsetzen, basiert offenbar auf einem Facebook-Post der rechtspopulistischen Partei FVD in der Stadt Almere.
Im Antrag «Keine Normalisierung von Insekten in Lebensmitteln» vom 30. März 2023 forderte FVD-Gemeinderätin Karine de Potter, dass in städtischen Schulen und Betriebsrestaurants «kein Essen und keine Snacks angeboten werden, wenn Insekten eingesetzt werden». Der Antrag wurde am 11. Mai 2023 vom Gemeinderat in Almere abgelehnt. Nur 15 der 44 anwesenden Gemeinderäte stimmten damals dafür.
Hier werden also politische Mücken und Eintagsfliegen zu ordnungsrechtlichen Elefanten aufgeblasen. Tatsächlich gelten die entsprechenden EU-Verordnungen auch in Rumänien und den Niederlanden. Weil klar gekennzeichnet werden muss, welche Bestandteile ein verarbeitetes Lebensmittel in der EU enthält, können alle Verbraucher selbst entscheiden, ob sie Insekten verspeisen wollen oder nicht.
Links
dpa-Faktencheck über Insekten in Lebensmitteln vom Januar 2023
«Wirtschaftswoche»-Artikel über Ciolacu (archiviert)
Gesetzesentwurf zu Insektenmehr in traditionellen rumänischen Produkten (archiviert)
Begründung der Gesetzesinitiative (archiviert)
Ciolacu auf Facebook über Gesetzentwurf (archiviert)
Tabelle aller Produkte im RNPT (archiviert)
Stand der Gesetzesinitiative zu Insekten/traditionellen Produkten (archiviert)
FVD-Facebook-Posting über Antrag (archiviert)
De Potters Antrag (PDF) (archiviert)
De Potters Gemeinderats-Seite (archiviert)
Übersicht zum Antrag (archiviert)
Bericht zur Sitzung vom 11. Mai (archiviert)
EU-Kommission zur Kennzeichnungspflicht (archiviert)
Facebook-Post mit Falschbehauptung (archiviert)
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