Straßburg/EU-weit – Nach einem heftigen politischen Schlagabtausch hat das EU-Parlament am Mittwoch seine Position zu dem weitreichenden Umweltgesetz zur Wiederherstellung der Natur beschlossen. Für das sogenannte Renaturierungsgesetz stimmten 336 EU-Abgeordnete, dagegen waren 300 und 13 EU-Mandatare enthielten sich. Mit dem Ergebnis können die Verhandlungen mit den EU-Staaten für den finalen Gesetzestext beginnen. Eine Einigung vor den EU-Wahlen im Juni 2024 ist möglich.
Vor allem die Europäische Volkspartei (EVP), darunter die ÖVP, wetterte gegen das Vorhaben. Sozialdemokraten, Grüne und Teile der Liberalen warben hingegen dafür. Auch äußerten tausende Wissenschafter, Umweltschutzorganisationen und teils sogar große Konzerne wie IKEA oder Nestle ihre Unterstützung.
Entsprechend stimmten die EU-Abgeordneten von SPÖ, Grünen und Neos für den Gesetzesentwurf. Auch ÖVP-Mandatar Othmar Karas sprach sich dafür aus, während seine Parteikollegen sowie die EU-Parlamentarier der FPÖ dagegen votierten.
„Der errungene Sieg ist ein echter Sieg für die Natur und unsere Zukunft“, kommentierte der SPÖ-Abgeordnete Günther Sidl. Das Gesetz sei von der EVP „in Geiselhaft genommen“ worden. Freude herrschte auch beim grünen EU-Mandatar Thomas Waitz: „Dieses Gesetz ist wichtig für unser aller Überleben.“ Ähnlich äußerten sich auch mehrere Umweltorganisationen. NEOS-EU-Parlamentarierin Claudia Gamon begrüßte das Ergebnis ebenfalls: Der EVP sei es nicht gelungen, „unseren Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe zu sabotieren“.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht in dem Ergebnis einen „wichtigen Schritt zum Schutz unserer Umwelt“. Sie zeigte ich in einer Aussendung zuversichtlich, dass die Verhandlungen zwischen EU-Staaten und EU-Parlament zu einem raschen Abschluss kommen. Gewessler hatte sich bei der Festlegung der allgemeinen Ausrichtung der EU-Staaten vor rund drei Wochen enthalten. Die Bundesländer, in deren Zuständigkeit der Naturschutz fällt, hatten zuvor geschlossen ihre Ablehnung des vorliegenden Texts bekundet.
Scharfe Kritik kam an dem Ergebnis kam unterdessen aus ÖVP und FPÖ. Alexander Bernhuber, ÖVP-EU-Abgeordneter, sprach von einer „Fehlentscheidung“. Das Abstimmungsergebnis wolle man akzeptieren, aber die EU-Kommission sollte noch vor Beginn der Verhandlungen einen neuen Vorschlag vorlegen, forderte er. „Es ist ein schwarzer Tag für Europa und seine Bürger“, so der freiheitliche EU-Abgeordnete Roman Haider. Er warnte vor einer Enteignung der Bauern.
Das Gesetz ist ein zentraler Teil des umfassenden Klimaschutzpakets „Green Deal“, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Das Ziel der EU-Kommission, bis 2030 Renaturierungsmaßnahmen für mindestens 20 Prozent aller Land- und Meeresflächen in der EU einzuführen, unterstützen die EU-Abgeordneten, heißt es in einer Aussendung. Auf welchem Weg das geschieht, liegt bei den einzelnen EU-Staaten.
Zur Anwendung des Gesetzes darf es nach Ansicht des EU-Parlaments aber erst dann kommen, wenn die Brüsseler Behörde Daten zur Gewährleistung einer langfristigen Ernährungssicherheit vorlegt. Auch sieht die Position der EU-Parlamentarier laut Mitteilung vor, die Zielvorgaben bei „außergewöhnlichen sozioökonomischen Auswirkungen“ zu verschieben. Neue Schutzgebiete in der EU soll es zudem keine geben. (12.07.2023)
EU-Parlament kritisiert Österreichs Veto gegen Schengenbeitritt
Straßburg – Das EU-Parlament hat das Veto Österreichs gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum grenzkontrollfreien Schengenraum kritisiert. In einer am Mittwoch verabschiedeten rechtlich nicht bindenden Entschließung erklärten EU-Abgeordnete, die von Österreich verwendeten Argumente für die Ablehnung würden nicht mit den für die beiden Länder „festgelegten Voraussetzungen“ für die Aufnahme zusammenhängen. Die Bundesregierung begründete das Veto mit der hohen Asylantragszahlen.
Die europäischen Grenzschutzagentur Frontex habe festgestellt, „dass Rumänien und Bulgarien ausgehend von den statistischen Daten keine Migrationsroute in den übrigen Schengenraum sind“, heißt es allerdings in der Entschließung. Der Ausschluss der beiden Länder aus dem Schengenraum sei jedoch eine „große gesellschaftliche und wirtschaftliche Belastung“, lautete es weiter. Er verursache unter anderem „übermäßigen bürokratischen Aufwand und zusätzliche Kosten beim Grenzübertritt“, stunden- oder gar tagelange Staus sowie Umweltschäden. So würden durch die Staus an der Grenze jährlich 46.000 Tonnen Kohlendioxid jährlich freigesetzt.
Ferner wird in der Entschließung darauf verwiesen, dass Bulgarien und Rumänien die „notwendigen Kriterien erfüllen, den Schengen-Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkommen und bereits einen positiven Beitrag zum Schengenraum leisten“. Die Ablehnung der beiden Länder durch die Mitgliedstaaten im vergangenen Dezember sei „ohne rechtliche Begründung im Zusammenhang mit den Beitrittskriterien“ erfolgt, wird in dem Text kritisiert. Deshalb solle die EU-Kommission prüfen, ob hier Verstöße gegen den Vertrag der EU vorliegen.
Neben Österreich hatten auch die Niederlande den Beitritt Bulgariens blockiert. Die Niederlande wurden jedoch in der Entschließung nicht explizit erwähnt. Das EU-Parlament fordert eine Einigung auf den Beitritt der beiden Länder bis Ende 2023.
Für NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon ist die Entschließung ein Brief an die österreichische Bundesregierung. Dem EU-Parlament gehe es darum, einen „Missbrauch des Vetorechts“ zu verhindern, so Gamon in einem Pressegespräch. „Die Diskussion ist auf keinen Fall vorbei“, betonte die liberale EU-Mandatarin.
„Angesichts offener Grenzen und einer ausufernden Willkommenspolitik, kann man angesichts solcher Forderung nur ungläubig den Kopf schütteln“, sagte der freiheitliche Delegationsleiter, Harald Vilimsky. „Solange die EU-Außengrenzen so offen sind, müssen wir an der Kontrolle der Binnengrenze festhalten“, betonte Vilimsky. (12.07.2023)
Edtstadler zu EU-Budget: Umschichtungen müssen möglich sein
Brüssel – Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Revision des mehrjährigen EU-Budgets dürfte das Ratstreffen der EU-Europaminister am Montag in Brüssel dominieren. Österreich ist mit der vorgeschlagenen Erhöhung nicht einverstanden. „Wie in jeder größeren Firma muss es möglich sein, hier Umschichtungen vorzunehmen“, appellierte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) vor dem Treffen für eine Umverteilung bestehender Mittel, beispielsweise aus dem Bereich der Kohäsionspolitik.
„Wir haben erst 2020 das größte Budget aller Zeiten beschlossen. Wir waren immer dafür, mit dem Steuergeld sparsam umzugehen“, betonte Edtstadler. „Die Herausforderungen, die vor uns liegen, müssen wir angehen, aber dass kann nicht immer nur in einem Ruf nach mehr Geld münden.“ Es gebe zahlreiche Programme, wo Gelder eingeplant, aber noch nicht abgerufen seien. Im Bereich der Kohäsionspolitik seien dies beispielsweise erst 20 Prozent. Sie habe die EU-Kommission daher aufgefordert, genau vorzulegen, wo bereits Gelder abgerufen wurden und wo noch nicht.
„Ich weiß von einigen Staaten, die wie Österreich die Sparsamkeit vor Augen haben“, so die Ministerin. Einige Staaten seien „nicht bereit, sofort mit mehr Geld vorzugehen“. Sie sei sehr gespannt auf die Debatte mit EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn und die Sicht anderer Staaten. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, das mehrjährige EU-Budget bis 2027 um 66 Milliarden Euro aufzustocken. Begründet wird dies mit höheren Ausgaben aufgrund des Russland-Ukraine-Krieges oder der Inflation.
Ungarn gehört zu den EU-Ländern, die ein „prinzipielles Problem“ mit der Revision haben: „2020 haben die Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen, dass es keine Revision des Finanzrahmens geben wird. Trotzdem stellt die Kommission nun neue Forderungen auf“, erklärte die ungarische Justizministerin Judit Varga. Die EU-Kommission könne nicht erklären, warum sie das geplante Budget nicht einhalten könne. „Und ich sehe ein weiteres prinzipielles Problem: Ungarn hat 2020 Solidarität gezeigt, und für den Corona-Aufbaufonds gestimmt. Trotzdem hat Ungarn bisher keinen Cent daraus gesehen.“ Aufgrund von Problemen mit der Rechtsstaatlichkeit hat Brüssel für Budapest bestimmte EU-Gelder eingefroren.
Die Rechtsstaatlichkeit ist auch Thema des Ratstreffens: Österreich wurde im aktuellen Bericht der EU-Kommission kein gutes Zeugnis ausgestellt. Edtstadler widerspricht dem: „Ich möchte zurückweisen, dass hier nichts weitergeht. Es gibt sechs Empfehlungen, und wir haben etliche davon umgesetzt, z.B. bei der Parteienfinanzierung.“ Es gebe auch offene Bereiche wie den Bundesstaatsanwalt oder die Informationsfreiheit: „Das sind Punkte, die wir laufend diskutieren.“ (10.07.2023)
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