Der chinesische Staatschef Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin forderten den Westen in dieser Woche auf dem BRICS-Gipfel der Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) in Johannesburg heraus. Das Treffen wurde bereits als „Gipfel der südlichen Hemisphäre“ bezeichnet. Putin nahm jedoch nicht persönlich an teil, da gegen ihn ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen vermeintlicher Kriegsverbrechen vorliegt.
Die BRICS-Konferenz, die vom 22. bis 24. August stattfand, war sicherlich das bedeutendste Treffen für Russland und den globalen Süden seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022. Es diente als Plattform für ein Treffen zwischen Russland und vier Ländern, die sich zum einen weigern, sich auf die Seite des Westens gegen Moskau zu stellen. Zum anderen wollen diese Staaten, wie es im Motto der Veranstaltung heißt, einen „inklusiven Multilateralismus“ aufbauen. Ab Januar 2024 kommen sechs neue Mitglieder hinzu (Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate). Kurz gesagt: Eine Herausforderung an die westliche Vorherrschaft, auch wenn ein wirklicher Bruch in einer Welt der vernetzten Interessen nicht möglich ist.
Zwangsläufig richtete sich ein Großteil der Aufmerksamkeit auf Putin, der mit seinem Einmarsch in die Ukraine vor fast 18 Monaten einen der größten Krieg in Europa seit 1945 ausgelöst hat. In einer Videobotschaft verurteilte der russische Staatschef die westlichen Länder für die – wie er es nannte – „illegitimen Sanktionen, die alle Regeln des internationalen Handels mit Füßen treten“ und für ihre Politik, die seiner Meinung nach die Inflation anheize. Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer multilateralen Welt sei nach Ansicht des russischen Staatschefs die Entdollarisierung. Ein Prozess, der seiner Meinung nach „bereits unumkehrbar im Gange“ sei. Das beweise die Tatsache, dass die Verwendung der amerikanischen Währung im Jahr 2022 nur noch 28,7 Prozent des gesamten Handelsvolumens zwischen den fünf BRICS-Ländern ausmache.
„Für die EU bedeutet diese BRICS-Entwicklung eine massive Herausforderung. Viele Jahre haben wir nicht, um unter Beweis zu stellen, dass Europa ein glaubwürdiger, verlässlicher und fairer Partner sein will für arme und Entwicklungsländer. Gelingt das nicht, dann wird für viele dieser Länder vielleicht BRICS der Fluchtpunkt“.
Reinhard Bütikofer, außenpolitischer Koordinator der Grüne/EFA-Fraktion im Europaparlament
Auf der Suche nach Freunden greift Russland den Westen immer wieder an
Russland beabsichtigt, sich weiterhin als Alternative zu den westlichen Ländern zu präsentieren, deren neokoloniale Politik es anprangert. Putin betonte in einer Videoansprache auf dem BRICS-Gipfel, dass Russland keine Schuld an den Nahrungsmittelkrisen in der Welt trage. Er kündigte an, dass Moskau als Zeichen des guten Willens und als Signal an die südliche Hemisphäre Tausende von Tonnen Getreide kostenlos an sechs afrikanische Länder liefern werde.
Letzten Monat hat Russland eine von den Vereinten Nationen ausgehandelte Vereinbarung aufgekündigt, nach der lebenswichtige Getreideexporte aus den blockierten ukrainischen Häfen abgezogen werden sollten. Die Türkei hatte zusammen mit den Vereinten Nationen das nun eingefrorene Getreideabkommen zwischen der Ukraine und Russland vermittelt und sieht sich selbst als Vermittler in diesem Krieg. Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte zuvor, er erwarte, seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin davon zu überzeugen, das Getreideabkommen zu erneuern. Moskau hat derartige Pläne bisher nicht bestätigt.
Putins Rhetorik ist seit Februar 2022 immer kriegerischer und bedrohlicher geworden. Die Vereinigten Staaten und die europäischen Länder reagierten darauf mit einer Reihe von Finanz- und Handelssanktionen. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte im vergangenen Jahr, Putins Weltsicht sei von „Großmachtswahn und Imperialismus“ verzerrt.
Mitte August nutzte Putin die Eröffnung der 11. Moskauer Konferenz für internationale Sicherheit, um die westlichen Mächte wie gewohnt verbal anzugreifen und sie zu beschuldigen, Unruhen auf der ganzen Welt zu schüren. Die Konflikte in weiten Teilen der Welt seien allein durch die „geopolitischen Abenteuer und das egoistische, neokoloniale Verhalten des Westens“ verursacht worden, sagte Putin in einer Videobotschaft. Der Kremlchef beschuldigt den Westen seit langem, sich gegen alles und jedes Russische zu verschwören.
Russland und China
Russland scheint die Sicherheitskonferenz in Moskau nutzen zu wollen, um seine Allianzen zu festigen. Zu den Teilnehmern der Sicherheitskonferenz gehörte auch der neue chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu.
China ist der größte Handelspartner Russlands und hat von Sanktionen gegen Russland abgesehen. Chinas Führung hat den Einmarsch Russlands in der Ukraine nicht öffentlich verurteilt und sich stattdessen darauf konzentriert, als Vermittler zwischen den beiden Kriegsparteien aufzutreten. Kurz vor dem Einmarsch Russlands in sein Nachbarland im Februar 2022 erklärten Peking und Moskau eine Partnerschaft ohne Grenzen. Putin fand den chinesischen Präsidenten Xi Jinping auf seiner Seite, der in einer von seinem Handelsminister Wang Wentao verlesenen Rede seine Bereitschaft bekräftigte, „die Demokratisierung der internationalen Beziehungen und die Multipolarität zu fördern“.
Doch der chinesische Riese kämpft in diesen Tagen mit einer Krise, die durch die Immobilienrezession ausgelöst werden könnte. Mit einem Gesamt-BIP von rund 26 Prozent des weltweiten BIP sind die fünf BRICS-Länder noch weit von der Summe der G7 und der anderen EU-Länder entfernt. In Bezug auf den Konflikt in der Ukraine ändert Peking jedoch nicht seine Meinung. Der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu besuchte am 17. August auch Russlands Verbündeten Belarus.
„Freunde“ gegen US-Hegemon?
In einer Rede, die der chinesische Handelsminister auf dem BRICS-Gipfel hielt, kritisierte Xi die Vereinigten Staaten, ohne das Land ausdrücklich zu nennen. „Es gibt ein Land, das seine Hegemonie aufrechterhalten will und alles getan hat, um Schwellen- und Entwicklungsländer zu lähmen“, sagte er. „Diejenigen, die sich schnell entwickeln, werden von ihnen aufgehalten. Diejenigen, die aufholen, werden ausgebremst.“
Weißrussland und China sind auf der gleichen Seite, wenn es um den Aufbau einer multipolaren Welt geht, sagte der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko kürzlich. Wie Putin spricht sich auch Lukaschenko häufig gegen eine von ihm als Hegemonie der USA bezeichnete Politik aus. Der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu und Lukaschenko begrüßten in Minsk Pläne für eine verstärkte militärische Zusammenarbeit zwischen ihren beiden Ländern. Gemeinsame Militärübungen sollen 2024 stattfinden, sagte der belarussische Präsident. Der autokratische Staatschef betonte, dass Weißrussland bei der militärischen Unterstützung in erster Linie auf seine „Freunde“ Russland und China angewiesen sei.
Was ist von der UN-Generalversammlung zu erwarten?
Im Februar 2023, ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, forderte die UN-Generalversammlung ein sofortiges Ende des Krieges in der Ukraine. 141 Mitgliedstaaten stimmten dafür und sieben dagegen (Belarus, die Demokratische Volksrepublik Korea, Eritrea, Mali, Nicaragua, Russland und Syrien). Unter den 32 Stimmenthaltungen waren China, Indien und Pakistan.
In den Wochen vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen nahm UN-Generalsekretär António Guterres am BRICS-Gipfel teil, um zur Zusammenarbeit in Krisenfällen aufzurufen. Am Rande der Veranstaltung traf er mit verschiedenen Staats- und Regierungschefs zusammen. „Ich bin mit einer einfachen Botschaft nach Johannesburg gekommen: In einer zerrissenen Welt mit überwältigenden Krisen gibt es einfach keine Alternative zur Zusammenarbeit. Wir müssen dringend das Vertrauen wiederherstellen und den Multilateralismus für das 21. Jahrhundert neu beleben“, sagte Guterres am Donnerstag in seiner Rede auf dem BRICS-Gipfel.
Guterres forderte eine Reform der globalen Governance-Strukturen, die „die Welt von gestern“ kurz nach dem Zweiten Weltkrieg widerspiegeln, und warnte, dass „ohne eine solche Reform die Fragmentierung unvermeidlich ist“. „Dies gilt insbesondere für den UN-Sicherheitsrat und die Bretton-Woods-Institutionen“, sagte der Chef der Vereinten Nationen und bezog sich dabei auf die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF), die vom Westen dominiert werden.
Slowenien wird in den Jahren 2024 und 2025 zum zweiten Mal in seiner Geschichte einen Sitz als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat einnehmen. Die slowenische Diplomatie warb mit der Botschaft, den internationalen Frieden und die Zusammenarbeit zu bewahren. Dazu gehörten Bereiche wie Sicherheit, also Klima-, Energie- und Ernährungssicherheit, sowie Integration und Förderung der internationalen Solidarität. Das Land wird sich also vielen Herausforderungen stellen müssen, darunter auch den sich verändernden geopolitischen Beziehungen.
Slowenien hat wiederholt gezeigt, dass es als EU- und NATO-Mitglied an der Seite der angegriffenen Ukraine steht. Nach der Wahl Sloweniens in den UN-Sicherheitsrat im Juni sagte Außenministerin Tanja Fajon jedoch, dass es notwendig sei, einen Weg zu finden, um mit Russland zu reden und zu kooperieren, denn ohne Dialog sei es nicht möglich, die Herausforderungen der Welt zu lösen.
Neben der Ukraine wird sich die UN-Generalversammlung auch mit der Klimakrise befassen
Einige Wochen vor der UN-Generalversammlung hat die Europäische Kommission mit „Mr. Green Deal“ das bekannteste Gesicht im Kampf gegen die Klimakrise verloren: Der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans tritt zu einem für die europäischen Klimagesetze entscheidenden Zeitpunkt zurück. Er ist nun der Spitzenkandidat einer Linkskoalition für die niederländischen Wahlen im November. Der Slowake Maroš Šefčovič, derzeit Vizepräsident der Europäischen Kommission, wird sein Nachfolger als EU-Kommissar, und mit der Umsetzung des Europäischen Green Deal beauftragt.
Mitte August telefonierte der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Joe Biden und betonte, wie wichtig es sei, im Vorfeld der nächsten Generalversammlung der Vereinten Nationen ernsthafte Fortschritte in der Debatte über die Klimakrise zu erzielen. In dem Telefongespräch erläuterte Lula die Diskussionen auf dem Amazonas-Gipfel, der Anfang August in der brasilianischen Stadt Belém stattfand. An dem Treffen hatten Vertreter der acht Länder teilgenommen, die sich den größten Tropenwald der Erde teilen. Der brasilianische Präsident Lula schlug auch eine Reform des UN-Sicherheitsrates vor.
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