Berlin – Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hält Asylverfahren in sogenannten sicheren Drittstaaten generell für möglich, allerdings nur unter eng gefassten Bedingungen. Das UNHCR vertrete seit langem den Standpunkt, dass Rückführungen oder Überstellungen in solche Staaten nur dann als angemessen angesehen werden könnten, wenn diese Länder die Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention und die menschenrechtlichen Verpflichtungen in vollem Umfang respektierten, hieß es in einer Stellungnahme des UNHCR in Deutschland vom Mittwoch. Außerdem müsse eine entsprechende Vereinbarung mit einem solchen Staat dazu beitragen «die Verantwortung für Flüchtlinge fair unter den Staaten zu teilen, anstatt sie zu verlagern».
Die Vertreterin des UNHCR in Deutschland, Katharina Lumpp, betonte, nach dem Flüchtlingsvölkerrecht liege die «primäre Verantwortung» für die Prüfung von Asylanträgen sowie die Gewährung von internationalem Schutz bei dem Staat, in dem ein Asylsuchender ankommt und um Schutz ersucht. Durch eine Bearbeitung dieses Schutzersuchens außerhalb der eigenen Staatsgrenzen werde diese Verpflichtung nicht berührt.
Die Bundesregierung will prüfen, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich sind. Geprüft werden soll konkret, ob die Feststellung des Schutzstatus‘ von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann. Darauf hatten sich die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs der Länder am Montagabend verständigt.
Bremen, Niedersachsen und Thüringen hatten allerdings in einer Protokollerklärung zu dem Beschluss darauf hingewiesen, dass aus ihrer Sicht «für eine Feststellung des Schutzstatus außerhalb des Gebietes der EU nur Länder in Frage kommen, in die sich die Schutzsuchenden freiwillig begeben haben». Überprüft werden soll die Rechtmäßigkeit von Asylverfahren in Drittstaaten nach Angaben eines Sprechers vom Bundesinnenministerium.
Die Grünen-Vorsitzende, Ricarda Lang, sagte im RTL/ntv-«Frühstart»: «Ich kann mir nicht vorstellen, wie das rechtlich mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar ist.» Sie könne sich ebenso wenig vorstellen, dass man einen Staat finden werde, in dem solche Verfahren praktisch umsetzbar wären.
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und Albaniens Regierungschef Edi Rama hatten am Montag eine Absichtserklärung zur Errichtung von zwei Zentren zur Aufnahme von im Mittelmeer geretteten Migranten in Albanien unterzeichnet. Menschen, die von Schiffen der italienischen Behörden gerettet werden, sollen nach Albanien gebracht werden, um dort ihr Asylverfahren zu durchlaufen. Nur Menschen, deren Asylantrag bewilligt wird, sollen dann nach Italien gebracht werden. (8. November)
Nagel: Unabhängige Institution könnte EU-Staatsfinanzen überwachen
London – In der Debatte um eine Reform der gemeinsamen Schuldenregeln in der EU schlägt Bundesbank-Präsident Joachim Nagel vor, die Überwachung der Staatsfinanzen an eine unabhängige Institution zu übertragen. «Denn durch eine „Entpolitisierung“ des Überwachungsprozesses könnte die Compliance verbessert werden», sagte Nagel laut Redetext am Mittwoch in London. Als Beispiel für eine solche Institution nannte er den Euro-Rettungsschirm (ESM).
Derzeit wird über eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes der EU diskutiert, dessen bislang geltenden Regeln wurden wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine bis 2024 ausgesetzt. Im Kern sehen die Regeln vor, Schulden in den EU-Staaten auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen und Haushaltsdefizite unter 3 Prozent zu halten.
Die EU-Kommission hatte im Frühjahr in ihrem Gesetzesvorschlag angeregt, hoch verschuldeten Ländern mehr Flexibilität beim Abbau von Schulden und Defiziten einzuräumen. Statt einheitlicher Vorgaben will sie auf individuelle Wege für jedes Land setzen, um Schulden und Defizite langfristig zu senken. Der Reformvorschlag der Kommission biete viel Interpretations- und Ermessensspielraum, kritisierte Nagel. «Und das droht die Bindungswirkung der Fiskalregeln noch weiter zu schwächen.» Erforderlich seien «konkrete, nicht verhandelbare Mindeststandards», sagte der Bundesbank-Präsident. (8. November)
Oligarch scheitert mit Klage gegen Sanktionen vor EU-Gericht
Luxemburg – Ein russischer Unternehmer ist mit einer Klage gegen Sanktionen der Europäischen Union gescheitert. Das Vermögen von Dmitri Masepin sei zu Recht eingefroren worden, teilten die Richter am Mittwoch in Luxemburg mit. Masepin ist nach Angaben des Gerichts einer der führenden Chemieunternehmer in Russland. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nahm er demnach zusammen mit anderen Geschäftsleuten an einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin teil, um das Vorgehen in Bezug auf die westlichen Sanktionen gegen Russland zu besprechen.
Für die EU war dies der Beweis, dass er zu Putins engstem Kreis gehört und Maßnahmen unterstützt, die die Ukraine bedrohen. Die Europäische Union fror daraufhin Vermögen in Europa ein und verhängte ein Einreiseverbot gegen ihn. Dagegen wehrte sich Masepin nun vor dem Gericht der EU – ohne Erfolg. Die EU-Staaten hätten genau belegt, dass er in einem Sektor tätig sei, der eine wesentliche Einnahmequelle für die russische Regierung darstelle, so das Gericht am Mittwoch. Masepin kann gegen das Urteil noch vor das höchste europäische Gericht ziehen, den Europäischen Gerichtshof (EuGH). (8. November)
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