Die Corona-Pandemie ist abgeflaut, doch über die Impfkampagne wird weiter gestritten. Impfgegner arbeiten sich nach wie vor an den Verträgen der Staaten mit den Herstellern ab. So heißt es in einem Artikel, auf der Plattform X sei Ende Oktober 2023 der Vertrag zwischen der Europäischen Union (EU) und Pfizer über «5,4 Milliarden Impfdosen um rund 100 Milliarden Euro» veröffentlicht worden. Darin stehe «explizit, dass Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen unbekannt» sind. Weiter unten im Artikel ist dann von «Turbokrebs» und 17 Millionen Todesfällen im Zusammenhang mit der Impfung die Rede. Was stimmt, was ist neu?

Bewertung

Einzelheiten des Vertrags sind schon seit Jahren im Netz zu finden. Zudem hat die EU weniger Dosen des Corona-Impfstoffes von Biontech/Pfizer bestellt als im Artikel behauptet. Für die vorgeblichen Impfnebenwirkungen gibt es keine Belege. Schließlich ist das Wort «Turbokrebs» an keine medizinische Diagnose geknüpft.

Fakten

Der Beitrag, auf dem der Artikel beruht, stammt von dem deutschen Internet-Unternehmer Kim Dotcom. Mit der Datentauschbörse Megaupload wurde er vielfacher Millionär. Nach Ermittlungen der US-Bundespolizei FBI wurde sie 2012 abgeschaltet.

In seinem Tweet vom 26. Oktober 2023 behauptete Dotcom, dass eine geheime Vereinbarung über den Kauf von Impfstoffen durchgesickert sei. Dazu teilte er den Link zu einem Dokument im Internet Archive.

Es handelt sich dabei zwar um den Vertrag zwischen Biontech/Pfizer und der EU, das Schriftstück wurde jedoch nicht erst kürzlich, sondern bereits im Sommer 2021 auf der Seite hochgeladen.

Vertragsdetails sind längst bekannt

Der Artikel dreht sich um einige Sätze, die Teil der Vorlage für die Verträge der Mitgliedsstaaten sind. Darin steht, dass die Impfstoffe nach ihrer Auslieferung weiter geprüft werden. Es wird in dem Dokument von Ende 2020 klargestellt, dass möglicherweise zu diesem Zeitpunkt noch nicht sämtliche Nebenwirkungen bekannt waren. Biontech hatte damals die entscheidende Phase-III-Studie über die Wirksamkeit bereits abgeschlossen.

Die im Artikel zitierten Passagen finden sich auch an anderer Stelle seit langem ungeschwärzt. Zum Beispiel kann man das Dokument seit Ende 2020 auf der Seite des tschechischen Gesundheitsministeriums herunterladen. Auch die Internetplattform «FragDenStaat» hat es veröffentlicht, nach Angaben des Betreibers im April 2021.

Auf der Seite der Europäischen Kommission ist das Dokument hingegen zum Teil geschwärzt – auch die im Artikel zitierte Passage. Auf Anfrage der dpa erläuterte die Kommission, sie könne «nicht einseitig beschließen, vertrauliche Informationen aus den Verträgen offenzulegen, es sei denn, die Unternehmen selbst stimmen dem zu.»

EU bestellte weniger Impfdosen

In Artikel heißt es, der Vertrag drehe sich um 5,4 Milliarden Impfdosen, die die EU für rund 100 Milliarden Euro bestellt habe. Im Vertrag findet sich jedoch weder die Zahl der insgesamt von Biontech/Pfizer gekauften Impfdosen noch der Preis, den die EU dafür zahlen muss. Eine Google-Suche führt ausschließlich zu Ergebnissen, die laut Suchmaschine «möglicherweise keine verlässlichen Informationen» liefern.

Nach Angaben der EU wurden bislang insgesamt 2,4 Milliarden Dosen des Corona-Impfstoffes von Biontech/Pfizer bestellt, mit der Option auf weitere 900 Millionen Dosen. Demnach wurden bis Anfang September etwa 760 Millionen Dosen an die Mitgliedsstaaten verteilt.

Weitere Behauptungen führen in die Irre

Der Artikel enthält noch weitere falsche Behauptungen über den Impfstoff. So heißt es, im Zusammenhang mit der Impfung habe es 17 Millionen Todesfälle gegeben. Doch dafür gibt es keinen Beweis. Auch die Warnung vor einem angeblichen «Turbokrebs» führt in die Irre.

Links

Artikel mit Falschbehauptungen (archiviert)

Post von @KimDotcom (archiviert)

Archivierter Vertrag

Dokument auf der Seite der EU-Kommission (archiviert)

Dokument bei FragDenStaat (archiviert)

Dokument auf der Seite des tschechischen Gesundheitsministeriums (archiviert)

Text auf Seite der Organisation Hlídač Státu (archiviert)

EU Vaccines Strategy (archiviert)

PM Biontech (archiviert)

dpa-Faktencheck «Fachleute nehmen Behauptung zu Impftoten auseinander»

dpa-Faktencheck «“Turbokrebs“ ist kein medizinischer Begriff»

Google-Suchergebnisse «5,4 milliarden impfdosen» (archiviert)

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