Brüssel – Die EU-Landwirtschafts- und Fischereiministerinnen und -minister beschäftigen sich bei ihrem Treffen am Montag in Brüssel die geplanten Lockerungen der EU-Regeln im Umgang mit der Neuen Gentechnik (NGT) in der Landwirtschaft beziehungsweise zum Schutzstatus von Wölfen. Österreich habe bei der Gentechnik eine sehr klare Position, betonte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) vor dem Treffen, nämlich für Wahlfreiheit und für eine Kennzeichnungspflicht.
Laut den Plänen der EU-Kommission sollen neue Mutationsverfahren wie die Genschere Crispr/Cas künftig einfacher zum Einsatz kommen und damit bearbeitete Pflanzen nicht mehr als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. Ziel der Deregulierung ist unter anderem, gegen Wassermangel oder Schädlinge widerstandsfähigere Gewächse zu züchten. EU-Staaten und Europaparlament diskutieren die Vorschläge jetzt und müssen einen Kompromiss ausarbeiten. „Wir schauen uns nach Verbündeten um, wir wollen Allianzen schmieden“, so Totschnig. Er tritt für eine „klare Kennzeichnungspflicht“ ein.
Der spanische Ratsvorsitz will noch in diesem Jahr eine sogenannte Allgemeine Ausrichtung des Rates, also einen ersten Kompromiss zwischen den EU-Ländern, erzielen. Derzeit liegen die Positionen allerdings noch auseinander. Zu den offenen Themen gehören unter anderem Fragen zur Patentierung und zur Kategorisierung der Pflanzen. „Uns geht es darum, dass die Koexistenz der Pflanzen gesichert ist“, betonte der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Es gebe einen funktionierenden Markt gentechnikfreier Produkte: Er sehe daher „keine Notwendigkeit, in diesen Markt einzugreifen.“
Die Pläne der EU-Kommission zur Lockerung des Schutzstatus des Wolfes begrüßt Totschnig hingegen: Diese habe erkannt, „dass das Thema Wolf in Europa unter den Nägeln brennt“. Nachdem die Kommission nun die EU-Staaten um Informationen ersucht hatte, erwartet sich Totschnig „rasch konkrete Vorschläge auf dem Tisch“. Aus seiner Sicht brauche es eine Anpassung des Schutzstatus in Europa. Das geltende Gesetz sei 30 Jahre alt. „Der Wolf ist nicht mehr vom Aussterben bedroht.“
Seine finnische Amtskollegin Sari Essayah pflichtete Totschnig bei: „In vielen EU-Ländern sind die Wölfe eine Herausforderung für die Landwirte.“ Finnland ist auch Teil der „For Forest Group“, der auch Österreich, Schweden und Slowenien angehören. „Wir werden heute unsere Amtskollegen über unsere Initiativen zur Förderung einer nachhaltigen aktiven Waldbewirtschaftung informieren“, so der Landwirtschaftsminister. Wichtig sei, die Schutzfunktion des Waldes zu erhalten und eine nachhaltige Holznutzung: „Nur so werden wir die Energiewende erreichen.“ (20.11.2023)
EU-Kommission: Österreich verstößt weiterhin gegen Aarhus Konvention
Brüssel – Die EU-Kommission fordert Österreich in einer Stellungnahme auf, Naturschutzorganisationen und Einzelpersonen mehr Möglichkeiten einzuräumen, vor Gericht gegen Entscheidungen von Behörden vorzugehen. Und zwar wenn der Verdacht besteht, dass gegen EU-Umweltrecht verstoßen wird. Österreich müsse damit die Regeln der Aarhus Konvention umsetzen, die das Land 2005 ratifiziert hatte, teilte die Brüsseler Behörde am Donnerstag mit.
Die Stellungnahme („reasoned opinion“) ist der zweite Schritt im EU-Vertragsverletzungsverfahren. Bereits 2014 und 2021 hat die EU-Kommission Österreich in einem sogenannten Aufforderungsschreiben („formal notice“) aufgerufen, die Aarhus Konvention vollständig umzusetzen. Österreich habe auch bereits Fortschritte gemacht, räumt die Kommission ein. Besonders bei einigen Verwaltungsentscheidungen hätten NGOs und Private aber nicht genügend Möglichkeiten, rechtlich dagegen vorzugehen. Österreich habe nun zwei Monate Zeit, um auf die Vorwürfe einzugehen beziehungsweise diese zu beheben – ansonsten könnte die Kommission den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) übergeben.
Die Aarhus Konvention sorgte in Österreich jüngst im Zusammenhang mit Behördenentscheidungen zum Abschuss von Wölfen in Tirol für Diskussionen. Tierschutzorganisationen bemängelten in dem Kontext bereits die mangelnde Umsetzung der Konvention. Dass die „Entnahmen“ der Raubtiere in Tirol via Verordnung statt Bescheid geregelt werde, bezeichneten die Europarechtsexperten Walter Obwexer und Peter Hilpold mit Verweis auf die Konvention als EU-rechtswidrig.
Die Umweltorganisation WWF Österreich begrüßt die Stellungnahme der Kommission, wie sie in einer Aussendung schreibt. „Die verantwortlichen Politiker sollten die eindringliche Stellungnahme der Europäischen Kommission ernst nehmen und die Mitwirkung von Umweltschutzorganisationen an Behördenverfahren endlich sicherstellen, so wie es die Aarhus-Konvention vorsieht“, sagt Arno Aschauer, Leiter für Arten und Lebensräume bei WWF Österreich. (16.11.2023)
Data Governance Act: Studie sieht in Österreich viel Luft nach oben
Wien – Die Umsetzung des Data Governance Act der EU schreitet in Österreich zwar voran – nach Experten-Meinung aber zu langsam. Eine vom Rat für Forschung, Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung (RFTE) in Auftrag gegebene Studie kritisiert nicht nur das zu langsame Tempo, sondern sieht auch einen pragmatischeren Zugang zum Thema geboten. Zudem werden Länder und Gemeinden als Hemmschuh beim Zugang zu Daten angesehen. Empfehlungen gibt es für die Zeit nach der Wahl.
Die Verordnung zum Data Governance Act ist seit 23. Juni 2022 in Kraft. Die EU hat damit eine Grundlage für einen standardisierten europäischen Datenaustausch geschaffen. Selbst mit der Ressortzuständigkeit hat sich Österreich aber Zeit gelassen, diese ging erst mehr als ein Jahr danach an das Finanzministerium. Für Studienautor Markus Haslinger von der TU Wien ist das einer der wenigen erwähnenswerten positiven Punkte.
Der neu gegründete RFTE berät seit Beginn dieses Jahres die gesamte Bundesregierung zu universitärer und außeruniversitärer Forschung. Bei der Umsetzung der Datenrichtlinie sieht Referent Anton Graschopf Dringlichkeit, sei dir Verordnung doch nicht „vom Himmel gefallen“. Die Studie sei in Auftrag gegeben worden, um die Regierung bei der Umsetzung inhaltlich zu unterstützen, sagte er im Gespräch mit der APA.
„Es geht darum, eine gewisse Datenevidenz zu schaffen“, meint auch RFTE-Geschäftsführer Ludovit Garzik. Wie dies gehen soll, zeigt nun die Studie auf. Die Frage lautet für Studienautor Haslinger: „Was fehlt uns? Wie weit sind wir mit vorausschauender Politik?“ Jüngste Beispiele von offensichtlichen Lücken waren etwa Daten zur Medikamentenversorgung, Spitalsbetten oder auch bei der Speicherung von Erdgas.
Haslinger ortet einen „gravierenden und mehrschichtigen Zielkonflikt“, nicht zuletzt durch eine zutiefst österreichische „Geheimniskultur“. Selbst das jüngst von der Regierung auf den Weg gebrachte Informationsfreiheitsgesetz mit seinen Einschränkungen schafft dabei kaum Abhilfe. „Wir müssen einen Datenkulturwandel schaffen“, appelliert der Studienautor. Oft werde auch der Datenschutz vorgeschoben – aus falschen Gründen.
Aber auch der Föderalismus trägt in Österreich nicht unbedingt zu einer offeneren Datenkultur bei. Oft spielen dabei auch Befürchtungen mit, der Aufwand sei zu hoch. Dem könne entgegengewirkt werden, meint Haslinger. Etwa mit Anreizen im Zuge des Finanzausgleichs oder bei der Vergabe von Förderungen, „damit man auch die Länder motivieren kann, entsprechend in die Pedale zu treten“. Immerhin gehe es um Daten zu Gesundheit, Raumordnung und Naturschutz.
Zusammenfassend legt Haslinger Hoffnung in die kommende Legislaturperiode. So solle man bei der nächsten Regierungsbildung und im Regierungsprogramm auf eine klare führende Ressortzuweisung achten, empfiehlt er in den zusammenfassenden Ergebnissen seiner Studie. Diese ist übrigens schon an die Ministerien übermittelt worden. Der Rücklauf laut Graschopf: „Überschaubar.“ (18.11.2023)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl der APA-Europaberichterstattung. Die redaktionelle Verantwortung für die Veröffentlichung liegt bei der APA. Sie wird montags und donnerstags veröffentlicht.