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Wien – Das Thema Ukraine werde bei den bevorstehenden Europawahlen eine größere Rolle als zur Zeit der Krim-Annexion 2014 spielen, meint der Desinformations-Analyst Dietmar Pichler im Gespräch mit der APA. „Man kann mit dem Thema alleine schon sehr viel Europapolitik machen – in der Beeinflussung“, so der Experte. Pichler will noch vor der EU-Wahl im Juni 2024 ein „Disinformation Resilience Network“ mit unterschiedlichen Expertinnen und Experten aus der Taufe heben.

Vor dem Hintergrund der EU-Sanktionen gegen Moskau sei es „für Russland essenziell, die Dämonisierungskampagne gegenüber der Ukraine fortzuführen und Europa sehr stark zu spalten“, so Pichler. Er beklagt unter anderem, dass russische Diplomaten in TV-Auftritten sehr viel Desinformation über die Lage der Ukraine seit 2014 erzählen würden, und dabei die Destabilisierung der Donbass-Region durch Russland verschwiegen werde.

Pichler verweist auch auf den Fall des deutschen TV-Journalisten und Putin-Biografen Hubert Seipel, der für seine Berichte hunderttausende Euro aus Russland erhalten haben soll. „Der Herr Seipel war ja auch in Österreich in einigen Talkshows zu Gast und hat da seine Narrative verbreitet.“

Der Medienkompetenztrainer will mit dem „Disinformation Resilience Network“ ein „gemeinsames Forum für den Austausch schaffen, wo unterschiedliche Expertisen und Erfahrungen vorkommen“. Zusammensetzen soll sich das „klar überparteiliche“ Netzwerk aus österreichischen und ausländischen Experten und Expertinnen, die aus unterschiedlichen Fachbereichen von Wissenschaften, Kommunikation, Osteuropa und der EU kommen. Inoffiziell gebe es die Kontakte bereits, etwa in Italien, in der Ukraine, den USA, Belarus, der Slowakei, Georgien und am Balkan.

„Die Idee ist schon: Wenn wir merken, es gibt spezifische Ereignisse, dass dann auch im Rahmen des Netzwerks reagiert wird. Zum Beispiel mit einer Presseaussendung, wo Expertinnen oder Experten Statements abgeben können, die ein faktenwidriges Narrativ oder eine Desinformation entsprechend widerlegen.“

Der Desinfo-Analyst beklagt, dass bei Desinformation oft das größere Bild nicht gesehen werde. „Schlachtfeldinformationen muss man immer mit enormer Vorsicht genießen. Speziell in den sozialen Medien, weil da alles sehr schnell geht, auch von Militärbloggern usw. Egal von welcher Seite. Das Problem ist im politischen Kontext, wenn zum Beispiel gesagt wurde, dass Russland sich von der NATO bedroht fühlt, anstatt dass Putin das sagt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Das hat langfristig dazu geführt, dass immer wieder das Narrativ auftaucht, Russland reagiere nur auf die NATO-Erweiterung.“

Eine Art Desinformation entstehe auch durch falschen Kontext. Wenn etwa die Korruption in der Ukraine im direkten Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg kritisiert werde, entstehe der Verdacht, dass es eine Relativierung dieses Angriffs sein soll. Russland liege im Korruptionsindex von Transparency International um einige Plätze schlechter als die Ukraine, so Pichler.

Schwerer einzuschätzen sei ein möglicher Einfluss des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas auf die Europawahlen. Wenn der Krieg schnell ende, wäre er geringer. Es gebe viel Desinformation bezüglich der Positionen von Organisationen und Demonstrationen, etwa wenn eine Glorifizierung der Hamas geleugnet werde und der 7. Oktober als Akt des Widerstands bejubelt werde.

Eine weitere Aufgabe des Netzwerks wäre „eine ganz pro-aktive Arbeit gegen EU-Mythen“, betonte Pichler, der auch Informationen über das Funktionieren der EU-Institutionen bereitstellen will. „Es ist ein großer Mythos, dass niemand in der EU gewählt ist. Gleichzeitig haben wir eine Wahl, wo die Leute oft gar nicht wissen, was gewählt wird.“ Ebenfalls ein „Dauermythos“ wäre die Behauptung, dass die EU ein Anhängsel der Vereinigten Staaten sei. Eine verbreitete Geschichte, wonach die Euromaidan-Revolution von den USA mit fünf Milliarden Dollar finanziert worden sei, sei auch von dem EU-Faktencheck „EU vs. Disinfo“ widerlegt worden.

„In Österreich sind wir bei dem Thema Desinformation sehr oberflächlich gewesen. Wir haben den Elefanten im Raum nicht klar genannt“, so der Desinfo-Analyst. Finnland sei im europäischen Vergleich dagegen sehr gut vorbereitet. Dort werde russische Desinformation schon in Schulen klar genannt, etwa die Trollfabriken, die von dem verstorbenen Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin aufgebaut wurden. In Österreich werde bisweilen die Neutralität so interpretiert, „dass wir neutral gegenüber der Realität sind, das heißt in Äquidistanz zu Angreifer und Verteidiger“, was aber weder die Position der Bundesregierung noch des Bundespräsidenten sei. Pichler ist Mitunterzeichner eines offenen Briefs von Politikern, Experten und Unternehmern, die eine Debatte über die Sicherheitspolitik fordern. (26.11.2023)

Schengen: Denkow hofft auf baldiges Ende von Wiens Blockadehaltung

Wien – Der bulgarische Ministerpräsident Nikolaj Denkow hofft auf ein baldiges Ende der österreichischen Blockadehaltung bezüglich eines Schengen-Beitritts seines Landes. Es gebe kein Argument, das dafür spreche, warum sein Land nicht beitreten solle, sagte Denkow Freitagabend in der Nachrichtensendung ZiB2 des österreichischen Rundfunks ORF. Er führte an, dass etwa die Grenzkontrollen verstärkt worden seien. Im Dezember erwarte er einen Beschluss seitens der EU, so Denkow, der betonte, dass „wir diese Entscheidung verdienen“.

Außerdem sei ein Schengen-Beitritt Bulgariens auch für Österreich und den Rest Europas von Vorteil, da es kürze Wartezeiten an den Grenzen gebe, und dadurch etwa Lebensmitteltransporte billiger werden würden. Würde Wien aber an seinem Veto festhalten, werde es für die proeuropäische Regierung in Sofia immer schwieriger werden, den Bürgern zu erklären, warum dies so sei. Das könne auch dazu führen, dass sich die Pro-Europa-Stimmung Richtung Russland drehe.

Bei seinem Wien-Besuch vor einem Monat hatte sich Denkow in seinem Werben um einen Schengen-Beitritt seines Landes eine Abfuhr von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) geholt. „Österreich hat eine klare Position, dass derzeit eine Schengen-Erweiterung nicht stattfinden kann“, sagte Nehammer damals vor Journalisten. Der Kanzler ließ durchblicken, dass zunächst die bilateralen Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraumes zurückgenommen werden müssen, ehe Österreich grünes Licht für Bulgarien und Rumänien geben werde.

Am Donnerstag machte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erneut seine Ablehnung einer Aufnahme neuer Schengen-Mitglieder deutlich. Auf die Frage, ob im Dezember eine Entscheidung reif dafür wäre, sagte Karner: „Ich halte es für nicht zielführend, etwas was nicht funktioniert, zu vergrößern.“ (24.11.2023)

Österreich gewinnt einen EU #BeActive Award 2023

Brüssel – Österreich zählt zu den Gewinnern der von der EU-Kommission vergebenen #BeActive Awards 2023, die Initiativen für einen gesunden und sportlichen Lebensstil fördern. Mit einem Projekt, das sich für einen aktiven Lebensstil der Mitarbeiter und die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben einsetzt, gewann die Plattform Eversports den #BeActive Workplace Award. Dies gab die Kommission am Freitag in Brüssel bekannt. Weitere Preisträger kommen aus Spanien, Bulgarien und Portugal.

Insgesamt konkurrierten zwölf Finalisten um die Hauptpreise in vier Kategorien: Arbeitsplatz, Bildung, Lokalmatador und Generationen übergreifend. Jeder Ausgezeichnete erhält 10.000 Euro für sein Projekt. Eversports Österreich verbindet laut eigenen Angaben Sportbegeisterte mit Studios, Sportstätten, Trainern und Lehrern über eine zentrale Plattform. Das 2013 gegründete Unternehmen hat die „Vision, den Zugang zu Sport jederzeit und von überall zu ermöglichen“.

Den #BeActive Education Award gewann die zuständige lokale Behörde im spanischen Martorell für ein Projekt zur Bekämpfung von Ungleichheiten im Bildungssystem. Der Gewinner des #BeActive Local Hero Award 2023 ist der Bulgare Kalin Vasilev, der laut Kommission tausende Bulgaren ehrenamtlich zu einem besseren Lebensstil inspiriert hat. Der #BeActive Across Generations Award ging für ein Projekt, das die Gesundheit älterer Menschen fördert, nach Portugal. (24.11.2023)

Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl der APA-Europaberichterstattung. Die redaktionelle Verantwortung für die Veröffentlichung liegt bei der APA. Sie wird montags und donnerstags veröffentlicht.