Brüssel – Künftig sollen in der EU nur noch Neuwagen verkauft werden, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Die Parteien der Ampelkoalition in Berlin lobten am Freitag den am Abend zuvor in Brüssel ausgehandelten Kompromiss, Kritik kam unter anderem von der Union. Automobilindustrie und Wirtschaft reagierten zurückhaltend bis deutlich kritisch. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments hatten sich am Donnerstagabend auf das sogenannte Verbrenner-Aus für Neuwagen ab 2035 verständigt.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) begrüßte die Einigung. «Die Entscheidung ist eine klare Weichenstellung für wirkungsvollen Klimaschutz im Verkehr», sagte sie. Mit diesem Ergebnis könne die Europäische Union «mit einer glaubhaften Verhandlungsposition» zur Weltklimakonferenz in Ägypten fahren. Die Grünen im Bundestag teilten mit, dass nun weitere Schritte zur Vermeidung und zur Verlagerung von Verkehr folgen müssen, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen.
Die Kompromiss-Entscheidung der Unterhändler soll im Jahr 2026 erneut überprüft werden können. Um die Frage des Verbrenner-Aus‘ hatte es auch in der Bundesregierung länger Streit gegeben. Hauptsächlich Grüne und Liberale vertraten unterschiedliche Positionen. Das grün geführte Bundesumweltministerium hatte sich etwa für ein eindeutiges Verbrenner-Aus ausgesprochen. In dem Kompromiss-Papier ist auch eine Bitte an die EU-Kommission festgehalten, zu überprüfen, ob sogenannte E-Fuels für Autos künftig in Frage kommen könnten. In der Bundesregierung hatte darauf vor allem die FDP gedrungen. FDP-Chef Christian Lindner sprach von einer klugen Entscheidung, die Technologieoffenheit sichere.
Der Unions-Verkehrspolitiker Thomas Bareiß (CDU) kritisierte dagegen die EU-Entscheidung scharf. «Der gestrige Tag war kein guter Tag für den Industriestandort Deutschland und die bezahlbare Mobilität», sagte Bareiß der dpa. Die Einigung schränke Wirtschaft, Markt und Technologien weiter ein. Es handele sich um eine «rein politisch motivierte Technologieumstellung». Der Prüfauftrag zu den E-Fuels sei «rechtlich nicht bindend», betonte Bareiß mit Blick auf die Forderung der Liberalen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) bemängelte den Entschluss ebenfalls: «Es ist fahrlässig, Ziele für die Zeit nach 2030 festzulegen, ohne entsprechende Anpassungen aufgrund aktueller Entwicklungen vornehmen zu können», sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Als Beispiele nannte sie den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Zudem sprach sie sich dafür aus, E-Fuels für die Bestandsflotte an Verbrennern zu nutzen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bezeichnete das Aus für Verbrenner als eine «folgenschwere Entscheidung» und forderte schnell Planungssicherheit.
E-Fuels sind künstlich hergestellte Kraftstoffe, bei deren Produktion Treibhausgase gebunden werden. Nutzt man E-Fuels in einem Motor, ist dieser quasi klimafreundlich, weil das ausgestoßene Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre stammt. Kritiker merken aber etwa an, dass es unter anderem in Sparten wie der Schiff- und Luftfahrt deutlich dringender gebraucht werde als im Straßenverkehr. (28. Oktober)
Breton an Musk: In Europa wird der Vogel nach unseren Regeln fliegen
Brüssel – EU-Industriekommissar Thierry Breton hat den Tech-Milliardär Elon Musk davor gewarnt, den Kurznachrichtendienst Twitter zu einer völlig unregulierten Plattform zu machen. «In Europa wird der Vogel nach unseren EU-Regeln fliegen», schrieb der Franzose am Freitag unter Verweis auf das sogenannte EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) auf Twitter. Dazu postete er ein winkendes Emoji sowie Musks Twitter-Namen.
Breton bezog sich mit seinem Tweet auf Musks Nachricht aus der Nacht zum Freitag, in der er den Abschluss der Twitter-Übernahme angedeutet hatte. «Der Vogel ist befreit», schrieb Musk ohne weitere Details. Das Twitter-Logo ist ein blauer Vogel – und Musk hatte stets betont, die Plattform von aus seiner Sicht zu starken Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu befreien. Kritiker befürchten, dass er damit Hassrede und Hetze Vorschub leisten könnte, gegen die Twitter seit Jahren kämpft.
Darauf bezieht sich auch der Breton-Tweet. So soll das Gesetz über digitale Dienste unter anderem sicherstellen, dass Plattformen illegale Inhalte auf ihren Seiten schneller entfernen. Die Vorgaben des Digital Services Act gelten ab Mitte Februar 2024 in der gesamten EU. Für besonders große Plattformen sollen sie schon früher gelten. (28. Oktober)
EU-Bericht: Fast 31 000 Unternehmen gehörten Anfang 2022 Russen
Brüssel – Russische Geschäftsleute sind nach Angaben der EU-Kommission noch immer in erheblichem Ausmaß in Europa aktiv. Für eine kürzlich durchgeführte Studie wurden in den ersten Monaten 2022 in Europa fast 31 000 Unternehmen identifiziert, bei denen die wirtschaftlichen Eigentümer aus Russland stammten. Tätig seien sie vor allem in der Immobilien-, Bau- und Hotelbranche sowie im Finanz- und Energiesektor, heißt es in einem neuen Bericht zu Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte am Freitagnachmittag auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur, die Zahlen stammten aus den Monaten Februar bis März dieses Jahres.
In dem Bericht an den Rat der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament bewertet die Kommission die Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung in der EU. In einem Abschnitt zu Russlands Krieg gegen die Ukraine heißt es, die ordnungsgemäße Umsetzung von EU-Maßnahmen zum Einfrieren von Vermögenswerten erfordere die wirksame Durchsetzung der Transparenzvorschriften zum wirtschaftlichen Eigentum. Zudem plädiert die Behörde unter anderem für einen besseren Informationsaustausch und eine «angemessene» Aufdeckung und Überwachung von Vermögenswerten, die vor den Steuerbehörden verborgen werden.
Von den 31 000 Unternehmen mit wirtschaftlichen Eigentümern aus Russland haben laut dem Bericht der EU-Behörde mindestens 1400 Unternehmen Eigentümer, gegen die jüngst Sanktionen verhängt wurden. Konkret geht es demnach um 33 Personen (Stand Februar/März 2022). Zugleich wird darauf hingewiesen, dass einige Oligarchen ihr Eigentum an oder ihre Kontrolle über Unternehmen durch in Drittländern eingetragene zwischengeschaltete Gesellschaften oder lokale nominelle Anteilseigner verschleiern könnten. (28. Oktober)
EMA: Heftige Menstruation mögliche Nebenwirkung von Corona-Impfung
Amsterdam – Die EU-Arzneimittelbehörde EMA will heftige Menstruations-Blutungen als mögliche Nebenwirkung in die Beschreibung der Corona-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna aufnehmen. Das teilte die Behörde am Freitag in Amsterdam mit. Die in der Analyse beobachteten Beschwerden seien zumeist vorübergehend und nicht schwerwiegend. Es gebe auch keinerlei Hinweise, dass sie negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit hätten. Studien hatten ergeben, dass bei manchen Frauen die Menstruation nach einer Impfung länger dauerte oder intensiver war. (28. Oktober)
EU-Kommission will Zahl illegaler Schusswaffen reduzieren
Brüssel – Im Kampf gegen Gewalt will die EU-Kommission die Regeln für Import und Export von Schusswaffen verschärfen. «Derzeit gibt es zu viele Kriminelle, die eine tödliche Waffe in den Händen halten», sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Donnerstag in Brüssel. Die Waffengewalt durch organisierte Gangs nehme in der gesamten EU zu und die Banden hätten immer mehr Möglichkeiten, sich Waffen zu beschaffen. Schätzungsweise seien rund 35 Millionen illegale Schusswaffen im Umlauf. Dies sei eine Gefahr für die Stabilität und Sicherheit der Gesellschaft.
Mit einem neuen Gesetzesvorschlag will die EU-Kommission dafür sorgen, dass Schusswaffen besser nachverfolgt werden können, nationale Behörden mehr Informationen austauschen und die Regeln in der EU harmonisiert werden. So ist unter anderem vorgesehen, ein EU-weites digitales System für Hersteller- und Händler-Anträge zur Einfuhr und Ausfuhr von Waffen einzurichten. Dies soll die nationalen und häufig analogen Systeme ersetzen. (27. Oktober)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl auf der Grundlage der Europa-Berichterstattung der dpa. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der dpa. Der EU Digest erscheint jeweils montags und donnerstags.