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Brüssel/Kiew – Während die russische Armee mit immer neuen Luftangriffen die zivile Infrastruktur der Ukraine zerstört, denkt die EU darüber nach, woher die Milliarden für einen Wiederaufbau kommen könnten. Ins Visier geraten dabei rund 300 Milliarden Euro an eingefrorenen russischen Zentralbank-Reserven. Die Freigabe dieser Mittel könnte von einem Friedensabkommen abhängig gemacht werden, das auch russische Reparationszahlungen umfassen würde, erklärten EU-Beamte am 30. November.

Ein Ende des russischen Angriffskrieges ist jedoch auch nach mehr als neun Monaten nicht in Sicht. Die Verluste auf beiden Seiten steigen täglich. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sogar von 100 000 angeblich getöteten ukrainischen Soldaten. Diese Aussage sorgte in Kiew für Irritationen und wurde kurz darauf korrigiert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj werde offizielle Daten publik machen, «wenn der richtige Moment» gekommen sei, da das eine sensible Information sei.

Lawrow beschuldigt den Westen

Das russische Außenministerium warf indes dem Westen vor, in der Ukraine einen Krieg gegen Russland zu führen. «Der Krieg, den der kollektive Westen gegen Russland losgetreten hat, wirkt sich auf die Lage der strategischen Stabilität aus», sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einer Konferenz in Moskau. Die Ukraine und ihre Bürger würden dabei als «Verbrauchsmaterial» verheizt. Die Ukraine werde vom Westen zur Fortsetzung des Kriegs gedrängt. Die Nato sei kein Verteidigungsbündnis mehr, sondern ein Aggressor, sagte Lawrow.

EU will Reparationsplan mit Partnern abstimmen

Nach dem Willen der EU-Kommission sollen auch Erlöse aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten für den Wiederaufbau in der Ukraine genutzt werden können. Kurzfristig könne eine Struktur geschaffen werden, um durch Sanktionen blockierte Mittel zu verwalten und zu investieren, erklärte von der Leyen. Fortschritte gibt es nach Angaben aus der EU-Kommission auch bei der Rechtsgrundlage für die Enteignung russischer Oligarchen. In welchem Maß die eingefrorenen Vermögenswerte dieser Oligarchen im Wert von knapp 19 Milliarden Euro davon betroffen sein könnten, blieb unklar.

Deutschland will Ukraine weitere Gepard-Panzer liefern

Deutschland will der Ukraine weitere Flugabwehrkanonenpanzer Gepard zur Verteidigung gegen russische Angriffe geben. Deutschlands Kanzler Olaf Scholz habe in einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj deutlich gemacht, «dass wir noch mal eine Anzahl von Gepard-Panzern Richtung Ukraine auf die Reise schicken werden können», sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am 30. November in Berlin.

Ukraine dringt auf deutsche Patriot-Flugabwehrabwehrsysteme

«Wenn Deutschland bereit ist, Patriots an Polen zu liefern, und Polen nichts dagegen hat, diese Patriots an die Ukraine zu übergeben, dann halte ich die Lösung für die Bundesregierung für offensichtlich»,

sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kulebaam.

Deutschland hatte zuvor Warschau angeboten, deutsche Flugabwehrbatterien vom Typ Patriot in Polen zu stationieren. Polens Regierung regte dann aber eine Verlegung direkt in die Ukraine an. (30. November)

Habeck will Industrie in Deutschland nicht kaputt gehen lassen

Berlin – Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck hat auch wegen eines drohenden Handelskonflikts mit den USA eine aktivere Industriepolitik Deutschlands und der EU angekündigt.

«Wer glaubt, dass wir den Industriestandort Deutschland kaputt gehen lassen, der hat die Rechnung ohne die deutsche Industrie gemacht»,

sagte Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck auf einer Industriekonferenz in Berlin.

Habeck kündigte eine europäische Antwort auf milliardenschwere Investitionen der USA in den Klimaschutz an. Ziel müsse es sein, Europas Souveränität und globale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Mit Blick auf die USA und China sprach er von einer Lage, die herausfordernder werde für die Exportnation Deutschland. Der Minister hatte bereits vor einseitigen Rohstoffabhängigkeiten von China gewarnt und die Wirtschaft dazu aufgerufen, sich breiter in Asien aufzustellen.

In den Beziehungen zu den USA steht derzeit das US-Inflationsbekämpfungsgesetz mit milliardenschweren Investitionen in den Klimaschutz im Mittelpunkt. Subventionen und Steuergutschriften sind daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren. Die Befürchtung ist, das Firmen auch wegen Steuervorteilen eher in den USA investieren als in Deutschland und Europa. Kritisiert wird, dass durch das US-Gesetz europäische und andere ausländische Unternehmen benachteiligt werden könnten.

Habeck sprach von einer «Schattenseite». Vorschriften, dass in Amerika produziert werden müsse, seien nicht kompatibel mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Parallel zu Gesprächen mit den USA müsse es einen europäischen Plan geben. Habeck kündigte eine «robuste Antwort» der Europäischen Union an. Er schlug mehrere Punkte vor, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. So müsse die Produktion von Solar- und Windkraftanlagen gestärkt werden. Genehmigungsverfahren müssten beschleunigt werden und Europa müsse schneller in die Umsetzung wichtiger Projekte kommen. Bei öffentlichen Ausschreibungen müsse stärker auf die Produktion in Europa fokussiert werden, hieß es. Daneben brauche es steuerlich attraktivere Bedingungen und es müsse alles getan werden gegen den Fachkräftemangel.

EU-Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton sagte, die Europäische Union werde gegenüber den neuen US-Subventionen nicht passiv bleiben. Es brauche eine schnelle Antwort, man spreche mit den Amerikanern. Die EU müsse Entscheidungen über Projekte zur Förderung von Zukunftstechnologien schneller treffen. (29. November)

EU-Einigung: Online-Einkäufe sollen sicherer werden

Brüssel – Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich auf strengere Regeln zum Schutz von Verbrauchern bei Käufen im Internet geeinigt. So sollen Online-Händler und andere Unternehmen in der Lieferkette mehr Verantwortung für die von ihnen verkauften Produkte tragen, wie aus einem am 29. November vereinbarten Kompromiss hervorgeht. Ziel ist, dass gefährliche Produkte zügig vom Markt zurückgerufen werden können.

Was ändert sich?

Für Verbraucherinnen und Verbraucher wird vor allem sichergestellt, dass sie besser vor potenziell gefährlichen Produkten geschützt sind und entschädigt werden sollen, auch wenn die gesetzliche Garantie abgelaufen ist. Für jedes Produkt muss es zudem eine sogenannte verantwortliche Person geben, die prüft, ob Herstellerinfos zu EU-Sicherheitsstandards korrekt angegeben sind und die mit Stellen für Marktüberwachung zusammenarbeitet.

Was halten die Verbraucherschützer von den neuen Regeln?

Grundsätzlich lobt der europäische Verbraucherschutzverband Beuc den Kompromiss. Das Gesetz erfülle viele Kriterien, etwa dass nun auch die Cybersicherheit bei Produkten berücksichtigt werden müsse. Zudem werde es einfacher, im Falle eines Rückrufs seine Rechte geltend zu machen. Die Organisation hätte sich aber gewünscht, dass digitale Marktplätze – dazu zählt Amazon – stärker in die Verantwortung genommen werden und sichergestellt ist, dass sie für gefährliche Produkte haften.

Was sagt der Handel?

Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel betont, dass sich Händler und auch Online-Marktplätze bereits für Sicherheit und Verbraucherschutz einsetzen. Aufgaben staatlicher Stellen sollten nicht auf die Marktplätze übertragen werden. Zudem wird bemängelt, dass nicht klar sei, welche Standards und Testverfahren angewendet werden müssten, so dass die Marktplätze selbst Kriterien festlegen müssten.

Ab wann gelten die neuen Regeln?

Der Kompromiss muss noch formell von den EU-Staaten und dem Europaparlament angenommen werden. Dies könnte im ersten Quartal 2023 abgeschlossen sein. Dann kann das Gesetz im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Rund anderthalb Jahre später sollen die Regeln gelten. Die neuen Vorschriften sparen Verbraucherinnen und Verbrauchern Schätzungen zufolge in der EU im ersten Jahr rund eine Milliarde Euro und in den kommenden zehn Jahren etwa 5,5 Milliarden Euro ein, wie das EU-Parlament mitteilte. (29. November)

Drohnenstrategie der EU: Bis 2030 Flugtaxis Alltag in Europa

Brüssel – Flugtaxis und Medikamentenlieferungen per Drohne sollen nach dem Willen der EU-Kommission bis 2030 in Europa Alltag sein. Mit der am 29. November in Brüssel vorgestellten überarbeiteten Drohnenstrategie soll der kommerzielle Drohnenbetrieb in großem Stil vorangetrieben werden. Dadurch könnten 145 000 neue Jobs geschaffen werden, sagte EU-Verkehrskommissarin Adina Valean in Brüssel. Sie rechnet bis 2030 mit einem Markt im Volumen von 14,5 Milliarden Euro.

Die EU-Kommission möchte zunächst aber sicherstellen, dass die Gesellschaft Drohnen unterstützt. Bis 2030 sollen der Strategie zufolge beispielsweise Lufttaxis Teil des europäischen Lebens werden; zunächst mit einem Piloten an Bord, später dann komplett automatisch. Außerdem sollen Kleinsendungen wie Blutproben oder Medikamente per Drohne verschickt werden können. Auch Überwachungsdienste oder Kartierungen könnten demnach bald per Drohne erledigt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, schlägt die EU-Kommission unter anderem gemeinsame Ausbildungsanforderungen für Piloten und ein freiwilliges Drohnensiegel für die Cybersicherheit vor. (29. November)

Brüssel genehmigt erneut Millionenhilfe für die Deutsche Bahn

Brüssel – Die EU-Wettbewerbshüter haben grünes Licht für eine weitere Staatshilfe an die Deutsche Bahn in Höhe von 557 Millionen Euro gegeben. Damit sollen Corona-Schäden im Fernverkehr ausgeglichen werden, die zwischen dem 1. November 2020 und dem 16. Mai 2021 entstanden sind, wie die EU-Kommission am 28. November mitteilte. In dieser Zeit hätte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur ein Drittel der Kunden die Bahn genutzt. Bereits im August 2021 war eine ähnliche Beihilferegelung der Bundesregierung in Höhe von 550 Millionen Euro genehmigt worden. Damals ging es um Schäden, die zwischen Mitte März und Juni 2020 entstanden waren. (28. November)

Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl auf der Grundlage der Europa-Berichterstattung der dpa. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der dpa. Der EU Digest erscheint jeweils montags und donnerstags.