Brüssel – Österreich hat gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens in den grenzkontrollfreien Schengenraum ein Veto eingelegt. Das bestätigte Innenminister Gerhard Karner(ÖVP) am Donnerstag in Brüssel am Rande eines Treffens mit seinen EU-Kollegen. Karner begründet dies mit der hohen Zahl von Asylanträgen in Österreich und fordert weitere Maßnahmen der EU-Kommission. Die Aufnahme beider Länder blockierten auch die Niederlande. Der Weg für Kroatien in den Schengenraum ist indes frei.
„Es ist falsch, dass ein System, dass an vielen Stellen nicht funktioniert, an dieser Stelle auch noch vergrößert wird“, sagte Karner im Vorfeld des Treffens in Hinblick auf Rumänien und Bulgarien. Es habe heuer mehr als 100.000 illegale Grenzübertritte nach Österreich gegeben, davon seien 75.000 nicht registriert gewesen, so der Innenminister. Karner sprach sich für eine Verschiebung der Abstimmung aus.
Tatsächlich ist die unerwünschte Migration in die EU 2022 deutlich gestiegen. Zwischen Jänner und Oktober zählte die Grenzschutzagentur Frontex 281.000 irreguläre Grenzübertritte, ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Zumindest mit Blick auf Rumänien waren die Zahlen derer, die dort registriert wurden und unerlaubt nach Österreich weiterreisten, jedoch sehr niedrig.
Rumäniens Regierungschef Nicolae Ciuca erklärte in einer ersten Reaktion, er könne „die Inflexibilität der österreichischen Bundesregierung beim besten Willen nicht nachvollziehen“. Wien habe mit „komplett falschen Zahlen“ argumentiert und enttäuschenderweise zudem alle vorgeschlagenen Lösungen und Kompromisse abgelehnt.
Ähnliche Kritik kam vom bulgarische Innenminister Iwan Demerdschiew. Österreich habe keine „klaren Daten, woher die Migranten kommen“, sagte Demerdschiew.“Unsere Position und die Position der EU-Kommission ist, dass der größte Teil dieser Ströme aus Serbien kommt.“
Gegen die Aufnahme der beiden Länder stimmten auch die Niederlanden. Innenminister Eric van der Burg forderte in Brüssel einen neuen Bericht zum Kampf gegen die Korruption und zur Achtung der Menschenrechte in dem Land, das seit 2007 der EU angehört.
Freuen kann sich unterdessen Kroatien. Der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković schrieb auf Twitter, von der Aufnahme des beliebten Urlaubslandes werden kroatische Bürger und die Wirtschaft am meisten profitieren. Ihm zufolge kommen 80 Prozent der Waren und 75 Prozent der ausländischen Besucher aus Schengen-Ländern nach Kroatien.
Mit dem Beitritt verkürzt sich ab Anfang 2023 die Wartezeit für Touristen, die mit dem Auto über Slowenien oder Ungarn nach Kroatien reisen. An den kroatischen Flughäfen fallen die Passkontrollen aus technischen Gründen erst ab dem 26. März weg.
Mit der Entscheidung vom Donnerstag steht die erste Schengen-Erweiterung seit mehr als zehn Jahren bevor. 2011 wurden die Kontrollen an den Landgrenzen zu Liechtenstein aufgehoben.
Ab Jänner gehören der visumfreien Zone damit 27 europäische Länder an. Darunter sind 23 EU-Länder und vier Partnerstaaten: die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. (8.12.2022)
Korruptionsverdacht im EU-Parlament – Schallenberg abwartend
EU-weit/Brüssel – Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat sich angesichts des Korruptionsskandals um eine mutmaßliche Einflussnahme des Golfemirats Katars auf EU-Abgeordnete abwartend gezeigt. „Das wäre ein veritabler Skandal, wenn sich das bewahrheiten sollte“, sagte Schallenberg am Rande eines Treffens der EU-Außenminister in Brüssel. „Aber wir sind Rechtsstaaten, wir sollten jetzt die Justiz arbeiten lassen, möglichst schnell hier für Aufklärung sorgen“, fügte er hinzu.
Es gehe „immerhin um die Herzensinstitution der europäischen Demokratie“. Auf die Frage, ob die EU härter gegen Katar in Sachen Energielieferungen vorgehen sollte, erklärte der Außenminister: „Ich würde auch nicht ausschließen, falls sich das dann bewahrheitet, dass wir hier entsprechende Schritte setzen.“ Aber „warten wir einmal ab, was die Justiz wirklich etabliert, bevor wir politisch voreilige Schritte ziehen“.
Ähnlich äußerte sich seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock. „Das ist wirklich ein unglaublicher Vorfall. Der muss jetzt ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden mit der vollen Härte des Gesetzes“, sagte Baerbock am Montag in Brüssel laut Deutscher Presse-Agentur. In dem Fall gehe es auch um die Glaubwürdigkeit Europas. „Und entsprechend müssen dann in unterschiedlichen Bereichen Konsequenzen folgen“, sagte sie. Details dazu nannte Baerbock nicht.
Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell gibt es unterdessen bisher keine Hinweise auf eine Verwicklung von EU-Diplomaten in die Korruptionsvorwürfe. „Wir sind davon nicht betroffen“, sagte der Spanier am Montag in Brüssel. Niemand aus dem Auswärtigen Dienst oder den EU-Vertretungen im Ausland werde im Zusammenhang mit den Geschehnissen genannt, so Borrell.
Auf die Frage, ob der Skandal Auswirkungen auf die Beziehungen der EU zu Katar haben werde, sagte Borrell, er müsse auf Grundlage eindeutiger Beweise handeln. Derzeit laufe ein Verfahren und er könne nicht weiter gehen als die Justizbehörden. Über die Vorwürfe an sich zeigte sich Borrell allerdings bestürzt. „Die Nachrichten sind sehr, sehr besorgniserregend“, sagte er.
Im Zuge von Ermittlungen zu einer möglichen Einflussnahmen Katars auf Politikerinnen und Politiker waren am Freitag die griechische EU-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili und mehrere Parlamentsmitarbeiter festgenommen worden. Kaili steht unter Verdacht, dass sie Geld kassiert hat, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. So wird derzeit beispielsweise auf EU-Ebene in Erwägung gezogen, die Visa-Regeln für Staatsbürger von Katar zu erleichtern. (12.12.2022)
Vorerst keine Einigung unter EU-Staaten zu Plattformarbeit
Wien – Die EU-Staaten konnten sich vorerst auf keine gemeinsame Position zur Richtlinie für Plattformarbeit, also etwa für Essenslieferanten, einigen. Stundenlange Verhandlungen der zuständigen Minister, darunter Ressortchef Martin Kocher (ÖVP) brachten am Donnerstag in Brüssel kein Ergebnis. „Österreich hat diese Richtlinie immer unterstützt“, erklärte Kocher vor dem Treffen am Vormittag. Es brauche eine klare Rechtsstellung für Selbstständige und Arbeitnehmer.
Derzeit arbeiten rund 28 Millionen Menschen für gut 500 Online-Plattformen wie Mjam oder Uber. Bis 2025 sollen es 48 Millionen werden, schätzt die EU-Kommission. Bei einer Umsetzung des Richtlinienentwurfs könnten geschätzt zwischen 1,7 und 4,1 Millionen Menschen von Scheinselbstständigen zu Arbeitnehmern werden. Damit würden sie allgemeine Arbeitsrechte wie Ruhezeiten und Mindestlohn erlangen. Derzeit „fälschlich als Selbstständige eingestuft“ sind laut Kommission etwa 5,5 Mio. Menschen.
Die Arbeiterkammer (AK) hatte im Vorfeld von Kocher eine Zustimmung und den künftigen Einsatz für weitere Verbesserungen auf Basis des Richtlinienentwurfs gefordert. Es könnten zwar bis zu 4,1 Mio. Scheinselbstständige in der EU in reguläre Arbeitsverhältnisse gebracht werden, so die AK, die bereits am Mittwoch „viele Ausnahmen“ kritisiert hatte. (8.12.2022)
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