Die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, hat Lateinamerika, Afrika und andere Regionen in eine Karte aufgenommen, die Gebiete zeigt, in denen die Europäische Union präsenter sein sollte. Sie habe ihre Mitarbeitenden gebeten, “eine Karte der Länder zu erstellen, die wir nicht abgedeckt haben.“ Dabei handele es sich um Länder, in denen es in den vergangenen drei Jahren keine hochrangigen Besuche von Mitgliedern der europäischen Institutionen oder EU-Staaten gegeben habe, erklärte Kallas.
In diesen Jahren seien vor allem Subsahara-Afrika, Lateinamerika und der Pazifik blinde Flecken gewesen. „Ich habe die Außenminister, aber auch die Kommissare, gebeten, verschiedene Orte zu besuchen,” fügte sie hinzu.
Im Konflikt zwischen der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und der von Ruanda unterstützten Rebellengruppe M23 arbeite sie an einer „stärkeren Antwort“ der EU, erklärte Kallas. Die M23 – deren Name „Bewegung 23. März” bedeutet – hat rohstoffreiche kongolesische Provinzen besetzt.
Die Europäische Kommission kündigte Ende Januar an, dass die EU ihre Zusammenarbeit mit Ruanda angesichts der Unterstützung des Landes für die M23 überprüfen werde.
„Wir arbeiten derzeit daran, eine stärkere Antwort zu formulieren.“
EU-AUSSENBEAUFTRAGTE KAJA KALLAS
Kallas fügte jedoch hinzu, dass dafür alle 27 Mitgliedstaaten einstimmig entscheiden müssten. „Das ist wieder einmal ein Problem, aber ich arbeite daran.“
Sie wies auf das „Dilemma“ hin, dass Ruanda in diesen Konflikt verwickelt sei, während es gleichzeitig an von der EU finanzierten Friedensmissionen in Mosambik beteiligt sei. Eine der Optionen wäre die Aussetzung des Memorandum of Understanding (MoU) über nachhaltige Wertschöpfungsketten für kritische Rohstoffe mit Ruanda sowie die Verhängung von EU-Sanktionen. Die EU und Ruanda hatten diese Vereinbarung über den Erwerb strategischer Rohstoffe für die Energiewende in der Europäischen Union getroffen.
Am Donnerstag forderte das Europäische Parlament in einer Resolution die Aussetzung des MoU und verlangte, dass Ruanda sich aus dem Gebiet der DRK zurückziehe und die Zusammenarbeit mit den M23-Rebellen beende.
Kallas schlug die Schaffung eines sogenannten Kimberley-Prozesses vor – eines Verfahrens zur Zertifizierung der Herkunft von Diamanten, um den Handel mit Konfliktdiamanten zu verhindern –, jedoch für essentielle Rohstoffe. „Wir brauchen so etwas für essentielle Rohstoffe […], wenn ein Land ein anderes angreift, die Minen übernimmt und diese Rohstoffe verkauft, als wären sie seine eigenen, und damit seinen Krieg finanziert,“ sagte sie.
Seit 1998 ist der Osten der DR Kongo, eine ehemalige belgische Kolonie, in einen Konflikt verwickelt, der durch Rebellengruppen und die Armee angeheizt wird.
Entwicklungszusammenarbeit und strategische Einflussnahme
Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit warfen die jüngsten Entscheidungen der USA, ihre Hilfszahlungen zu kürzen, viele Fragen auf – einige davon müsse die EU beantworten. Ihre Strategie in der Entwicklungshilfepolitik werde sich ändern müssen.
Auf die Frage, ob die Europäische Union die finanzielle Lücke füllen könne, die die USA nach der Ankündigung Präsident Donald Trumps über die Streichung von rund 40 Milliarden Dollar pro Jahr an internationaler Hilfe hinterlassen werden, erklärte Kallas, dieses Thema sei mit allen für die Außenpolitik zuständigen Agenturen und Institutionen besprochen worden.
Die Europäische Union beabsichtige, den Verlust der US-Entwicklungshilfezahlungen nur unter bestimmten Bedingungen und in ausgewählten Fällen auszugleichen, sagte Kallas den enr-Journalistinnen und Journalisten.
„Wir haben vereinbart, dass wir die Lücke nicht automatisch mit europäischen Geldern füllen, weil wir erstens diese Mittel nicht haben.“
EU-AUSSENBEAUFTRAGTE KAJA KALLAS
Darüber hinaus soll europäische Hilfe künftig auch dazu genutzt werden, die geopolitische Macht auszubauen. Kallas argumentierte, dass die EU ihre strategische Einflussnahme überdenken müsse. „Wir müssen sichtbarer werden,“ schloss sie.
Zahlungen könnten daran geknüpft werden, dass die Empfängerinnen und Empfänger offen und klar kommunizieren, dass sie von der EU unterstützt werden, sagte Kallas. Sie kritisierte, dass die EU derzeit viele Organisationen mit erheblichen Mitteln unterstütze, dabei jedoch kaum sichtbar sei. Die aktuelle Situation sei eine Gelegenheit, den betroffenen Ländern und den EU-Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, woher die Unterstützung tatsächlich komme, und dass die Europäische Union der internationale Partner sei, der verlässlich und berechenbar ist.
Kallas nannte die Palästinensische Autonomiebehörde und das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) als Beispiele. „Wir sind die größten Unterstützer, und niemand weiß es,“ sagte die EU-Außenbeauftragte. „Wir bekommen viel Kritik, dass wir Palästina nicht genug unterstützen, obwohl wir diejenigen sind, die Palästina unterstützen: Es sind nicht die arabischen Länder, es sind wir, was die Finanzierung betrifft.“

Trump hat eine vorübergehende Aussetzung fast aller Zahlungen für Entwicklungszusammenarbeit im Ausland angeordnet. Diese werden derzeit überprüft und sollen nur dann wieder aufgenommen werden, wenn sie „effizient“ seien und mit Trumps „America First“-Strategie übereinstimmten. Trump kündigte außerdem an, dass die USA die Finanzierung der UNRWA einstellen würden.
Laut Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) waren die USA im Jahr 2023 der weltweit größte Einzelgeber öffentlicher Entwicklungshilfe mit fast 65 Milliarden Dollar. Die EU und ihre Mitgliedstaaten erreichten jedoch im selben Zeitraum gemeinsam fast 96 Milliarden Euro.
Dieser Artikel wird zweimal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf den Nachrichten der am European Newsroom beteiligten Agenturen.