Die spanische EU-Ratspräsidentschaft kündigte am 30. Dezember 2023 an, dass Rumänien und Bulgarien im März 2024 teilweise in den Schengen-Raum der Freizügigkeit eingegliedert werden sollen.
Rumänien und Bulgarien, beide seit 2007 EU-Mitglieder, wurde Ende 2022 der Beitritt zum Schengen-Raum verweigert, in dem mehr als 400 Millionen Menschen reisen können, ohne an den Binnengrenzen kontrolliert zu werden. Obwohl die Europäische Kommission und das Europäische Parlament seit Jahren beteuern, dass beide Länder bereit dafür seien, dem Schengen-Raum beizutreten, hatten Österreich und die Niederlande ihren Beitritt bis jetzt blockiert.
Nach komplizierten Verhandlungen einigten sich Bulgarien und Rumänien mit Österreich darauf, dem Schengen-Raum zunächst auf dem Luft- und Seeweg, nicht aber auf dem Landweg, beizutreten. Jahrelang hatte Wien gegen beide Länder ein Veto eingelegt, mit der Begründung, dass Österreich aufgrund der schlecht geschützten Schengen-Außengrenzen eine unverhältnismäßig hohe Zahl von Einwanderern ohne Papiere aufnehmen müsse. Gemeinsam werden sich die drei Länder zu einem späteren Zeitpunkt darauf einigen, an welchem Datum die Kontrollen an den Landesgrenzen Rumäniens und Bulgariens beendet werden sollen.
Die Niederlande hatten die Einreise Bulgariens mehr als zehn Jahre lang aufgrund von Rechtsstaatlichkeitsbedenken blockiert. Das niederländische Parlament stimmte am 21. Dezember 2023 nun für die Entscheidung der Regierung des Landes zugunsten des Schengen-Beitritts Bulgariens.
Bulgarien und Rumänien: Kritik an zweistufigem Beitritt
Das Zögern Österreichs, grünes Licht für den Schengen-Beitritt an den Landesgrenzen zu geben, hat einige bulgarische Unternehmen empört. Vasil Velev, Vorstandsvorsitzender der National Representative Association of Industrial Capital, sagte in einem Interview im nationalen Fernsehen, dass seine Organisation eine stärkere Reaktion von der bulgarischen Öffentlichkeit und der Regierung fordert. „Nach all den Anstrengungen, die wir unternommen haben, und nachdem wir alle Anforderungen für den Schengen-Beitritt erfüllt haben – warum sind wir nicht mit den anderen gleichgestellt,“ sagte Velev. Er plädierte dafür, nach Ansätzen zu suchen, die den politischen Akteuren in Österreich ein Motiv geben würden, ihre Position zu ändern.
Österreichische Unternehmen mit Sitz in Bulgarien sind derzeit Gegenstand von Steuerprüfungen. Bulgariens stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister Assen Vasilev versicherte, dass die laufenden Ermittlungen der bulgarischen Steuerbehörden gegen die österreichische Supermarktkette Billa und die Tankstellen des österreichischen Erdöl-, Erdgas- und Petrochemiekonzerns OMV nichts mit der österreichischen Position zu tun haben. „Die Steuerfahndung prüft derzeit mindestens 500 bis 700 Unternehmen,“ sagte der Minister.
Der Minister bestätigte, dass Lastwagen, die von und nach Österreich fahren, an der Grenze besonders streng kontrolliert werden, was auf Wunsch Österreichs geschehe. „Das führt natürlich zu Spannungen an den Grenzübergängen, vor allem mit der Türkei. Deshalb planen wir im Laufe des Jahres mehr Personal und mehr Röntgengeräte für Lkw-Transporte,“ sagte er.
In Rumänien wurde die Entscheidung zum Teilbeitritt von der Regierungskoalition und der Wirtschaft begrüßt, von der Opposition jedoch kritisiert. Premierminister Marcel Ciolacu bezeichnete die Entscheidung als einen großen Schritt nach vorn und betonte, dass die rumänische Regierung sowohl politisch als auch technisch weiter daran arbeiten werde, den Prozess in diesem Jahr abzuschließen.
Der Nationale Rat der kleinen und mittleren Privatunternehmen in Rumänien (CNIPMMR) argumentierte, dass die Maßnahme den Handel durch die Senkung der Transportkosten für rumänische Exportgüter und -waren erleichtern und dazu beitragen werde, ein Klima des Vertrauens zu schaffen und das Image Rumäniens als stabiles Land innerhalb der EU zu stärken.
Auf der anderen Seite äußerten mehrere rumänische Europaabgeordnete ihre Unzufriedenheit mit diesem nur teilweisen Schengen-Beitritt. Der Europaabgeordnete Eugen Tomac ist der Ansicht, dass die Europäische Kommission und der spanische EU-Ratsvorsitz die „Kompromisskarte“ mit Österreich gespielt hätten, während der Europaabgeordnete Dacian Cioloș, der auch mal EU-Kommissar für Landwirtschaft war, darauf hinwies, dass die Rumänen als europäische Bürger zweiter Klasse behandelt werden. „Die Art und Weise, wie wir jetzt in den Schengen-Raum eintreten, zur Hälfte, und unter absurden Bedingungen (…) wird das Gefühl vertiefen, dass wir nicht als vollwertige Europäer betrachtet werden. Wir sind weiterhin auf den guten Willen Österreichs und der anderen Mitgliedstaaten angewiesen, um ein Recht zu erhalten, das wir seit zwölf Jahren haben. Zweitens haben wir keinen klaren Zeitplan für diese hypothetische zweite Entscheidung,“ sagte Cioloș.
Migration und die Außengrenzen der EU
Die Europäische Kommission hat zugesagt, Bulgarien und Rumänien beim Schutz der EU-Außengrenzen zu unterstützen. Insbesondere Bulgarien wird von der Europäischen Kommission erhebliche finanzielle Unterstützung sowie operative und technische Hilfe von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex erhalten, vor allem an den Grenzen zur Türkei und zu Serbien.
„Die Forderungen Österreichs werden erfüllt,“ schrieb Bundeskanzler Karl Nehammer Ende Dezember auf X. „Die Frontex-Mission in Rumänien und Bulgarien wird aufgestockt und beide Länder erhalten mehr EU-Mittel, um einen robusten Außengrenzschutz umzusetzen.“
Die bulgarische Außenministerin Mariya Gabriel hofft, dass ein Termin für die Abschaffung der Kontrollen an den Landesgrenzen im Jahr 2024 bestätigt wird.
Die bulgarische Regierung hat sich ihrerseits verpflichtet, die Dublin-Verordnung strikt anzuwenden, die auch die Rückübernahme von Personen bedeutet, die im Land als Asylbewerber registriert sind, und zwar im Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften über die Zuständigkeit des Erst-Landes.
Unterdessen erklärte der Innenminister von Kroatien, Davor Božinović, gegenüber der kroatischen Nachrichtenagentur HINA, dass die Polizei seit dem Beitritt des Landes zum Schengen-Raum im Jahr 2023 über 1.850 Menschenschmuggler festgenommen habe. Er fügte hinzu, dass dies „ein Anstieg von mehr als 90 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr“ sei. Božinović sagte, dass der Schengen-Beitritt Kroatiens Veränderungen in der Polizeiarbeit mit sich bringe und fügte hinzu, dass die Polizei auf den Beitritt vorbereitet war und mit allen Herausforderungen mehr als erfolgreich umgehe.
Österreichs Wirtschaft begrüßt Schengen-Beitritt
Die österreichische Industrie sprach von einem „wichtigen Schritt“, weil das Abkommen Erleichterungen für Unternehmen bringe. Österreichische Betriebe gehören mit 11,2 Milliarden Euro und somit mehr als 61.000 lokalen Arbeitsplätzen zu den wichtigsten Investoren in Rumänien, ebenso wie mit 2,8 Milliarden Euro und mehr als 21.000 lokalen Arbeitsplätzen in Bulgarien, wie die Industriellenvereinigung verlauten ließ.
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) forderte weitere Gespräche und eine umfassende Lösung: „Rumänien und Bulgarien sind wichtige Geschäftspartner für Österreichs Wirtschaft. Unsere Unternehmen sind in beiden Ländern die zweitwichtigsten ausländischen Investoren und haben wichtige Absatzmärkte in der Region.“
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