Wien – Helmut Brandstätter, Spitzenkandidat der liberalen NEOS bei der EU-Wahl, will den Österreichern und Österreicherinnen im Wahlkampf vor allem die Vorteile der Europäischen Union ins Bewusstsein rufen. „Die einzige Art, für Österreich zu sein, ist für Europa zu sein“, betonte der ehemalige Journalist im APA-Interview. Dabei brauche die EU Reformen, etwa eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik. Als Ziel haben sich NEOS zwei Mandate (2019: 1) gesetzt, das sei auch „sehr realistisch“.
„Journalismus ist schwierig, spannend, wichtig, verantwortungsvoll – Politik ist noch schwieriger. Das hab ich gelernt“, so der nunmehrige Nationalratsabgeordnete. Seine Mitarbeit im Ibiza-U-Ausschuss, Besuche in der Ukraine sowie in Brüssel hätten ihn motiviert, in der Politik weiterzumachen. „Das wird in Österreich nicht so deutlich gesagt: Was in Europa entschieden wird, ist wichtig für Österreich. Und wir haben die Chance, mitzureden“, begründete er seine Kandidatur. Schon als Journalist sei er von der Idee Europas begeistert gewesen, zudem sei das europäische Projekt jetzt gefährdet.
„Wenn man den Rechten bis Rechtsextremen zuhört: Die wollen all das, was aufgebaut wurde nach dem Zweiten Weltkrieg, wieder zerstören. Und da spüre ich die Verantwortung“, sagte der 68-Jährige mit Blick auf die Zukunft seiner Kinder. Im Wahlkampf würden die vernünftigen Kräfte auch in anderen Ländern dagegen angehen. „Wir werden sehr deutlich machen, was am Spiel steht“, betonte Brandstätter. Mit einer Stimme für Rechtsextreme gefährde man das Zusammenleben hier in Österreich.
So führe etwa eine Festung Österreich in die Armut. In die Energie-Abhängigkeit von Russland sei man von ÖVP und FPÖ gedrängt worden. In Sachen Inflationsbekämpfung sowie in der Sicherheit gebe es nur einen europäischen Weg. Neutralität schütze nicht. Brandstätter gab sich überzeugt, dass bei entsprechender Erklärung die Menschen zum Schluss kommen werden, „dass es doch gescheiter wäre, dieses Europa zu erhalten, das wir allerdings besser machen müssen“.
„Wenn etwas schief geht, ist immer Brüssel schuld“, sei laut Brandstätter die Herangehensweise der Regierung. Daraus resultiere dann die große EU-Skepsis vieler in Österreich. Die Leute hätten Vertrauen in die Politik verloren, „weil sie zu oft angelogen wurden – und damit hören wir bitte endlich auf!“ Die Österreicher und Österreicherinnen verdienten die Wahrheit: „Wir brauchen Europa“, wirtschaftlich, militärisch und in der Bildung. Jeder und jede sollte die Möglichkeit haben, ein Semester, ein Jahr in einem anderen Land zu lernen, unabhängig von der Geldtasche der Eltern. „Bildung als die fünfte Freiheit der EU“, so Brandstätter.
Unter den von den NEOS angestrebten „Vereinigten Staaten von Europa“ verstehe man keinen Zentralstaat, versicherte Brandstätter, das sei auch in den USA nicht so. „Wir brauchen dringend eine gemeinsame Außenpolitik“, sagte er. Während man bei der Ukraine noch zusammengehalten habe, sehe man die Notwendigkeit nun angesichts des Nahostkonflikts.
Zudem müsse man eine gemeinsame Verteidigung aufbauen. Dabei gehe es vor allem um einen gemeinsamen Einkauf, um Informationsaustausch sowie um gemeinsame Einheiten. Österreich beteilige sich bereits jetzt an internationalen Verbünden, das brauche man künftig stärker auch zur Abwehr. Er sei etwa froh, dass Österreich an Sky Shield teilnehme. „All das verstößt nicht gegen die Neutralität“, betonte Brandstätter.
Für den Wahlkampf plant Brandstätter „sehr viel herumzufahren“ in ganz Österreich, er freue sich auf viele Begegnungen. Mit der Listenzweiten Anna Stürgkh – „eine junge Frau, die jede Fernsehdiskussion bestehen wird“ – sei man ein starkes Team.
Einer möglichen Zusammenlegung des EU-Wahltermins mit der Nationalratswahl konnte Brandstätter durchaus Positives abgewinnen: Man könne dann noch besser beweisen und erklären, dass politische Arbeit für Europa Arbeit für Österreich sei und umgekehrt. „Wir werden die anderen zwingen zu sagen, wie wichtig Europa ist und da wird auch kein Kickl, kein Nehammer daran vorbeikommen“, betonte Brandstätter. Wer Europa zerstöre, zerstöre Österreich, etwa den Wirtschaftsstandort. Dazu sollten auch Wirtschaftstreibende endlich aufstehen. (28.01.2024)
EU-Wahl – Eine Quereinsteigerin und 4 erfahrene Kandidaten
Wien – Nach der offiziellen Kür von Helmut Brandstätter zum NEOS-Kandidaten am Samstag sind nun alle österreichischen Spitzenkandidaten der fünf im EU-Parlament vertretenen Fraktionen fixiert. Neben Bandstätter führen Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ) und Lena Schilling (Grüne) die jeweiligen Parteien ins Rennen um die Sitze im EU-Parlament.
Der grünen Quereinsteigerin Lena Schilling stehen beim Urnengang am 9. Juni damit vier „erfahrene“ Männer gegenüber, wie Polit-Experte Thomas Hofer und Meinungsforscher Peter Hajek im APA-Interview erörterten. Damit hätten die Grünen ein „Alleinstellungsmerkmal“, sagte Hofer. Der Wahlkampf werde wohl innenpolitisch dominiert sein, aber auch internationale Themen dürften mitspielen.
Schilling komme zugute, dass auf der anderen Seite vier sich „ähnelnde“ Kandidaten antreten – „nicht von der politischen Ausrichtung her, sondern vom Profil: älter und männlich“, so Hofer. Damit hätten die Grünen „wirklich ein Alleinstellungsmerkmal“: „Eine junge Frau, die für die Grünen als Quereinsteigerin antritt.“ „Das kann man nutzen“ – und Schilling stelle sich auch selbst als „das Bollwerk gegen Rechts“ dar.
Die bisherige Klimaaktivistin decke die wesentlichen Themen der Grünen ab, sie könne aber natürlich „nicht die thematische Breite haben, die ein Werner Kogler hat“. Zuspruch bringen könne sie den Grünen u.a. auf der Ebene des NGO-Lagers – ein durchaus kritisches Pflaster für die Grünen. Auch strahle sie v.a. „in die eigene Zielgruppe“. Das jugendliche Alter der Spitzenkandidatin (23) sieht Hofer nicht als Problem. So sei etwa ihr erster ZiB2-Auftritt „ganz gut gelungen“ – eine Meinung, der sich auch Hajek anschloss.
„Die Situation erinnert mich frappant an 2019 – damals gab es mit Claudia Gamon (NEOS) ebenfalls eine junge Herausforderin“, sagte Hajek. Schilling sei freilich in der Vergangenheit damit aufgefallen, „dass sie hart am Recht vorbeigeschrammt ist mit manchen Besatzungen und Blockaden“, erinnerte Hajek an deren Aktionen als Klimaaktivistin. „An dieser Flanke ist sie offen. Aber für ihre Wählerschaft wird das egal sein.“ Dies gebe aber den Mitbewerbern die Möglichkeit, sich zu profilieren. „Es geht weniger darum, dass man Schilling Wähler abspenstig macht, sondern darum, an die eigenen Wähler zu signalisieren, ‚das lassen wir nicht durchgehen‘.“
Freilich würden wohl FPÖ und auch ÖVP versuchen, „sie näher an die Klimakleber zu rücken. Da wird sicher eine Polarisierung sein, das muss den Grünen aber nicht schaden“, so Hofer.
Die vier Kandidaten von ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS beschreiben Hofer und Hajek als „sehr erfahren“. Hofer merkte an, dass die Kandidaten von SPÖ und ÖVP, Schieder und Lopatka, „natürlich auch gewisse Schwächen mitbringen – im Sinne dessen, dass der Mobilisierungsfaktor über die Kernklientel hinaus schwierig wird“.
Bei der ÖVP sei es nicht gelungen, ein großes Zugpferd – etwa einen Minister – als Spitzenkandidaten aufzustellen, verwies Hofer auf Absagen, etwa von Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. „Reinhold Lopatka ist ein loyaler Mitstreiter seit Jahrzehnten“ und habe daher die Spitzenkandidatur angenommen. Dass kein Minister ins Rennen gehen wollte, sei klar: „Weil es nichts zu gewinnen gibt.“
Bezüglich des FPÖ-Kandidaten Vilimsky sagte Hofer, dieser sei zwar auch ein Kandidat mit „überschaubarer Strahlkraft“. Bei der FPÖ gehe es dieses Mal auch um eine gesamteuropäische Erzählung, verwies Hofer etwa auf gemeinsame Auftritte von FPÖ-Chef Herbert Kickl und AfD-Chefin Alice Weidel. Dieser Auftritt passe in das neue Narrativ, man könne – gemeinsam – den Kurs auf EU-Ebene mitbeeinflussen.
Bei der FPÖ komme es vor allem darauf an, ob sie ihre Wähler mobilisieren könne, sagte Hajek. Die Umfragedaten würden darauf hindeuten, dass es ihr bei dieser EU-Wahl gelingen könnte – „nicht in jenem Ausmaß wie für die Nationalratswahl, aber doch“. Dass die FPÖ-Wähler laut Umfragen besser mobilisiert sind als bei den EU-Wahlen zuvor, erklärte Hajek damit, dass diese gelernt hätten, dass man die präferierte Partei stärken müsse, wenn man auf EU-Ebene etwas verändern will. Außerdem gehe es auch in Richtung „Denkzettelwahl“. Das Hauptthema sieht Hajek auf rechter Seite bei der Migration. Alle anderen Themen – wie etwa die Gegnerschaft zur „Wokeness“ oder der Kritik am Gendern – seien Nebenschauplätze.
NEOS-Kandidat Helmut Brandstätter bediene ebenfalls die eigene Zielgruppe, so Hofer. Dieser könne als „versierte Politiker und Ex-Journalist“ kommunizieren, sagte Hajek. Mit der Botschaft, man brauche ein gefestigtes, vertieftes Europa werde er sich v.a. von ÖVP und FPÖ abgrenzen. (28.01.2024)
Zadić für Zustimmung Österreichs zum EU-Lieferkettengesetz
EU-weit/Brüssel – Österreichs Justizministerin Alma Zadić (Grüne) bekräftigt ihre Zustimmung für das EU-Lieferkettengesetz. Zuletzt war unklar, ob Deutschland dem bereits ausverhandelten Text zustimmen wird. „Ich halte es für wichtig, dass man sich an die Spielregeln hält“, sagte Zadić mit Blick auf die bereits erfolgte Einigung zwischen dem EU-Parlament und den EU-Staaten. Zadić traf am Freitag in Brüssel am Rande eines informellen EU-Justizministerrates auch ihren neuen polnischen Kollegen Adam Bodnar.
Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. In vielen Ländern wie Deutschland – aber auch in Österreich – lief die Wirtschaft gegen die geplante EU-Richtlinie Sturm. Innerhalb der regierenden Koalitionen in Berlin gab es zuletzt Uneinigkeit darüber, ob man dem gefunden Kompromiss zustimmen wird.
Zadić findet den Kompromissvorschlag gut und ist dafür, dass Österreich zustimmt. „Das wichtigste an diesem Gesetz ist, dass es europaweit gleich angewendet wird“, so die Ministerin. Als im Dezember 2022 die EU-Staaten ihre Position für die Verhandlungen mit dem Parlament festlegten, enthielt sich Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) bei der Abstimmung.
Mit dem neuen polnischen Justizminister Adam Bodnar habe Zadić heute in Brüssel über die Bemühungen, „den Abbau des Rechtsstaates und des Justizsystems“ rückgängig zu machen, gesprochen. Polen hat seit Dezember eine neue Regierung. Der vorangegangenen Regierung der rechts-konservativen PiS-Partei wurde immer wieder vorgeworfen, gegen rechtsstaatliche Prinzipien zu verstoßen.
„Es ist unsere Verantwortung, Korruption wirksam zu bekämpfen und die Unabhängigkeit der Justiz sowohl im eigenen Land als auch auf EU-Ebene zu stärken“, hieß es dazu von Zadić in einer Presseaussendung. Mit ihrem polnischen Kollegen sei sie sich einig gewesen, dass man gegen „demokratiefeindliche und rückwärtsgewandte Kräfte“ vorgehen wolle. (26.01.2024)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl der APA-Europaberichterstattung. Die redaktionelle Verantwortung für die Veröffentlichung liegt bei der APA. Sie wird montags und donnerstags veröffentlicht.