München – Angesichts des großen Munitionsbedarfs der Ukraine wird in der EU an einem neuen Beschaffungsverfahren gearbeitet. Das bestätigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am 19. Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Nach Angaben von Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas geht es darum, ein ähnliches Verfahren zu nutzen wie das, mit dem in der Corona-Pandemie die zügige Beschaffung von Impfstoffen sichergestellt wurde. Kallas zufolge sollen demnach EU-Staaten Geld zur Verfügung stellen, mit dem dann über die EU gebündelt Großaufträge an die Rüstungsindustrie vergeben werden. Mit dem Verfahren könnte dafür gesorgt werden, dass die Industrie die für die Ausweitung der Produktion notwendigen Investitionen tätigen kann.
«Russland verfeuert an einem Tag so viele Artilleriegranaten, wie in Europa in einem Monat produziert werden», ergänzte Kallas und verwies darauf, dass in der russischen Rüstungsindustrie derzeit im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet werde. In der EU müssten die Produktionskapazitäten schnell ausgebaut werden. Ohne Munition könne die Ukraine den Krieg nicht gewinnen. Borrell sagte: «Wir sind im Kriegsmodus.» Es gehe jetzt darum, schnell zu reagieren.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits am 18. Februar auf der Sicherheitskonferenz für Abnahmegarantien für die Rüstungsindustrie geworben. Diese könnten Unternehmen die Möglichkeit geben, schneller in Produktionslinien zu investieren und das Liefervolumen zu erhöhen, erklärte sie. Eine Rolle spielen könnte laut Kallas auch die sogenannte Europäische Friedensfazilität. Sie ist ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits heute Waffen- und Ausrüstungslieferungen an die Ukraine und Ausbildungsprogramme für die Streitkräfte fördert. Zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte wurden bislang bereits 3,6 Milliarden Euro freigegeben. (19. Februar)
Vielfalt als Kraftquelle – Temeswar eröffnet Kulturhauptstadt-Jahr
Temeswar – Unter dem Motto «Shine your light» («Lass dein Licht leuchten») hat das westrumänische Temeswar am 17. Februar das Kulturhauptstadt-Jahr eröffnet. Als zentrale Botschaft wollen die Veranstalter die Vorteile der Diversität in der multikulturellen Stadt betonen. «In unserem Europa, das seinen Weg in diesem komplexen Jahrhundert erst noch findet, will Temeswar mit seiner Geschichte Mut machen. Vielfalt ist Kraftquelle, Kultur schafft Wohlstand», sagte Bürgermeister Dominic Fritz zur Eröffnung bei einer Gala in der Temeswarer Oper.
Die Licht-Metapher aus dem Motto des Events bekam einen von Beobachtern als ironisch wahrgenommenen Beigeschmack, weil kurz nach Ende der Gala im Stadtzentrum der Strom ausfiel, so dass die Straßen für etwa 40 Minuten in Dunkel getaucht waren, berichtete das Staatsfernsehen TVR. Die Gala-Gäste – darunter Ministerpräsident Nicolae Ciuca, weitere Politiker, Diplomaten und Künstler – hätten ihren Weg aus der Oper nach draußen mit Handy-Taschenlampen gesucht, hieß es. Dabei sind die Temeswarer stolz darauf, dass ihr Ort 1884 die erste europäische Stadt mit elektrischer Straßenbeleuchtung war. Auch politisch sehen sich die rund 300 000 Bewohner der Universitäts- und Industriestadt als Vorreiter: Von hier ging im Dezember 1989 der blutige Volksaufstand aus, der zum Sturz des kommunistischen Diktators Nicolae Ceausescu führte. Im Kulturhauptstadt-Programm spielt dieses Thema allerdings kaum eine Rolle.
Temeswar, gelegen am Dreiländereck Rumänien-Ungarn-Serbien, lockt mit architektonisch sichtbarem K.u.k-Flair aus der Zeit, als die Region noch zu Österreich-Ungarn gehörte. Vom Kulturhauptstadt-Jahr erhofft er sich neuen Schwung für Wirtschaft und Tourismus. Kulturell hat die boomende Industrie- und Universitätsstadt einiges zu bieten: Der «Kulturpalast» beherbergt neben der Oper auch drei Theater – je eines für drei in Temeswar beheimatete Sprachen: Rumänisch, Ungarisch und Deutsch. Daneben gibt es eine lebhafte Off-Szene, die nun im Kulturhauptstadt-Jahr gezielt gefördert werden soll.
Highlight am 17. Februar war die Eröffnung der Ausstellung des aus Rumänien stammenden, französischen Surrealisten Victor Brauner (1903-1966). Allein für den Eröffnungstag waren 47 Veranstaltungen angekündigt. Ein ähnlich dichtes Programm ist für das Wochenende vorgesehen, darunter zwei Auftritte des deutschen Philosophen Peter Sloterdijk in der Temeswarer West-Universität. Weitere Europäische Kulturhauptstädte sind in diesem Jahr Veszprem in Ungarn und Eleusis in Griechenland. (19. Februar)
Deutschlands Digitalminister vereinbart Gründung von Innovations-Club mit Baltenstaaten
Tallinn – Deutschland und die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen werden im Digitalbereich enger miteinander kooperieren. «Wir haben uns entschieden, unsere Zusammenarbeit zu verstärken», sagte Deutschlands Digitalminister Volker Wissing am 17. Februar im estnischen Tallinn am Ende einer fünftägigen Baltikum-Reise. Die vier Länder werden dazu einen «Innovations-Club für Europa» gründen, mit dem die Digitalisierung europaweit vorangebracht werden soll.
«Wir müssen aufholen und schneller werden in Europa. Das geht nur mit Technologieoffenheit, Mut zu Innovationen und mit Ländern, die vorangehen», sagte Wissing nach Treffen mit den für Digitalisierung und Verkehr zuständigen Ministern Kristjan Järvan und Riina Sikkut. Abstimmen wollen sich die vier Länder bei Fragen zu Digitalisierung, Innovationsförderung, neuen Standards und Abbau von Hürden. Dazu werde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen werden, die eine Agenda vorbereiten und Vorschläge für die Europäische Kommission formulieren soll. Auch weitere Staaten sollen eingeladen werden. Zudem wollen die vier Länder gemeinsam Projekte im Digitalbereich voranbringen.
Sikkut verwies auf die Notwendigkeit von gemeinsamen Standards etwa beim Datenaustauch oder bei der Verknüpfung von Dienstleistungen. «Wenn wir keine Standards haben, dann braucht alles eine bilaterale Zusammenarbeit oder guten Willen, damit es grenzüberschreitend funktioniert», sagte sie. Estland war die dritte und letzte Station eines fünftägigen Besuchs Wissings, die ihn zuvor nach Litauen und Lettland führte. Anders als andere Länder waren die baltischen Staaten früh bereit, den Schritt aus der analogen in die digitale Welt zu vollziehen – und gelten heute als Vorreiter in Europa. (19. Februar)
Umfrage: Mehrheit in der EU glaubt an ukrainischen Sieg
Gütersloh – Eine Mehrheit der Europäer glaubt einer Umfrage zufolge daran, dass die Ukraine siegreich aus dem Verteidigungskrieg gegen Russland hervorgehen wird. 61 Prozent der befragten EU-Bürger stimmten der Aussage «Die Ukraine wird diesen Krieg gewinnen» zu, die deutschen Befragten waren mit 55 Prozent Zustimmung etwas skeptischer. Das geht aus einer am 16. Februar veröffentlichten Umfrage der Bertelsmann Stiftung in der gesamten EU hervor.
Für die Erhebung wurden über eupinions, das europäische Meinungsforschungsinstrument der Stiftung, im Dezember knapp 13 300 EU-Bürger befragt. Die Ergebnisse sind demnach repräsentativ für die Europäische Union insgesamt. Für Deutschland und sechs weitere Mitgliedsstaaten wurden laut einer Sprecherin der Stiftung besonders große Stichproben gewählt, um für diese sieben Länder auch einzeln betrachtet repräsentative Ergebnisse zu bekommen.
Etwa zwei Drittel der EU-Bürger (68 Prozent) sind laut Umfrage der Meinung, dass Russlands Angriff auf die Ukraine einer auf ganz Europa sei. In Polen (79 Prozent) und Spanien (78 Prozent) ist die Zustimmung besonders groß. Die Befragten in der EU sind aber skeptisch, was die Wirksamkeit wirtschaftlicher Sanktionen angeht: Nur 40 (EU) beziehungsweise 35 Prozent (Deutsche) der Befragten halten sie für effektiv.
66 Prozent der befragten EU-Bürger sehen die Hauptverantwortung für den Krieg bei Russland. Je fünf Prozent sehen sie bei der Ukraine beziehungsweise der Nato, elf Prozent bei den USA. Der Rest antwortete mit «Weiß ich nicht». Die deutschen Befragten äußerten sich ähnlich. In Polen sind sich dagegen 88 Prozent der Befragten einig, dass Russland die Hauptverantwortung trägt. In Italien finden das nur 54 Prozent. Dort machen 23 Prozent die Nato oder die USA verantwortlich. (16. Februar)
EU-Parlament für weitere Reformen nach Korruptionsskandal
Straßburg – Als Reaktion auf den Korruptionsskandal im EU-Parlament wollen die Abgeordneten schärfere Regeln im Kampf gegen Bestechung einführen. Die bisherigen Reformen seien nur ein notwendiger erster Schritt, hieß es in einer am 16. Februar mit großer Mehrheit in Straßburg verabschiedeten Resolution. Die Parlamentarier fordern unter anderem ein Verbot von bezahlten Aktivitäten, die einen Interessenskonflikt hervorrufen könnten. Reisen, die von Drittstaaten bezahlt wurden, sollen demnach vorher genehmigt werden müssen. Außerdem sollen die Abgeordneten zu Beginn und am Ende ihres Mandats Vermögenserklärungen abgeben. Ein erstes Reformpaket wurde bereits verabschiedet.
Hintergrund ist der im Dezember öffentlich gewordene Bestechungsskandal, bei dem Einflussnahme auf Entscheidungen des EU-Parlaments durch die Regierungen von Katar und Marokko vermutet wird. Den Beschuldigten wird von der Staatsanwaltschaft Korruption, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Die ehemalige Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili, der mutmaßliche Drahtzieher Antonio Panzeri und andere Verdächtige sitzen seit Dezember in Untersuchungshaft.
Die Abgeordneten forderten außerdem schärfere Transparenzregeln für Nichtregierungsorganisationen, auch weil zwei solcher Organisationen unter Umständen in den Skandal verwickelt sein könnten. Nach Angaben der EU-Kommission erhielt Panzeris Organisation «Fight Impunity» zwar kein EU-Geld, wohl aber die zweite verdächtige Organisation «No Peace without Justice». Sie erhielt nach Angaben der Kommission seit 2006 für sieben bereits abgeschlossene Projekte knapp fünf Millionen Euro. Für zwei noch laufende Projekte seien 2,7 Millionen Euro eingeplant, von denen wegen der laufenden Untersuchung 1,37 Millionen Euro noch nicht ausgezahlt worden seien.
In einer zweiten Resolution forderten die Abgeordneten außerdem mehr Tempo bei der Einrichtung eines unabhängigen Ethikgremiums für die EU-Institutionen. «Das EU-Ethikgremium muss Zähne haben», forderte der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. «Die Selbstkontrolle muss ersetzt, nicht durch ein Beratungsgremium ergänzt werden.» Ein Vorschlag der EU-Kommission für ein solches Gremium soll nach Angaben von Kommissionsvize Vera Jourova im März vorgestellt werden. (16. Februar)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl auf der Grundlage der Europa-Berichterstattung der dpa. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der dpa. Der EU Digest erscheint jeweils montags und donnerstags.