Brüssel – Die Polizei darf unter Voraussetzungen auch dann auf persönliche, auf einem Handy gespeicherte Daten zugreifen, wenn es sich nicht um einen Fall schwerer Kriminalität handelt: Dies urteilte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg am Freitag in einer von einem österreichischen Gericht eingebrachten Anfrage. Die Polizei hatte ohne das Wissen des Verdächtigen versucht, auf Daten eines bei einer Hausdurchsuchung wegen Cannabis-Verdachts beschlagnahmten Handys zuzugreifen.
Die österreichischen Richter ersuchten ihre EU-Kollegen um die Auslegung der EU-Datenschutzvorschriften sowie der EU-Grundrechtecharta. Der EuGH wurde gefragt, ob nur im Fall schwerer Kriminalität Daten ausgelesen werden dürfen, und ob dafür eine richterliche Genehmigung benötigt werde. Drittens war die Frage, ob der Betroffene zu informieren ist. Dieser hatte bei einem österreichischen Gericht Beschwerde gegen die Sicherstellung seines Mobiltelefons erhoben. Erst im Rahmen dieses Verfahrens erfuhr er von den Entsperrungsversuchen.
Der Gerichtshof stellt in seinem Urteil zunächst klar, dass die einschlägige Unionsregelung nicht nur für den Fall eines erfolgreichen Zugriffs auf die auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten gilt, sondern auch für einen Versuch. Der Zugang zu diesen Daten könne einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person darstellen.
Die Schwere der Straftat stellt laut Richtern einen der entscheidenden Punkte bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit eines Zugriffs dar. Falls aber nur die Bekämpfung schwerer Kriminalität den Zugang ermöglichen würde, würden die Ermittlungsbefugnisse der zuständigen Behörden unangemessen eingeschränkt. Voraussetzung für einen Zugriff ist laut Richtern die vorherige Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle sowie die Information des Betroffenen.
Der EuGH urteilt nie im einzelnen Fall; er gibt nur eine Einschätzung zur Auslegung des EU-Rechts. Das Urteil wird vom anfragenden Gericht gefällt. (04.10.2024)
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