Macht und Einfluss der Europäische Union werden manchmal überschätzt. Nicht alles, was auf auf europäischer Ebene organisiert ist, hat nämlich mit den EU-Institutionen zu tun. So kursiert beispielsweise ein Video, das sich um die Europäische Gendarmerietruppe (EGF oder Eurogendfor) dreht. Angeblich sei die «militärische Spezialeinheit EUROGENDFOR» vor Jahren «heimlich» in der EU installiert worden. Die Einheit solle gegen Aufstände in den Ländern der Europäischen Union eingesetzt werden, heißt es in dem Video. Sie unterliege weder Gesetzen noch demokratischer Kontrolle. Trifft dies alles auf die EGF zu?
Bewertung
Die Eurogendfor ist eine zwischenstaatliche Organisation europäischer Länder und keine EU-Institution. Sie wird nur außerhalb der Europäischen Union aktiv. Die Gründungsverträge der Einheit sind öffentlich einsehbar. Für einen Einsatz muss sich die EGF an die rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Mandates halten.
Fakten
Als multinationale Gendarmerie-Einheit beteiligt sich die Europäische Gendarmerietruppe nach eigenen Angaben an der Stabilisierung von Krisen- und Konfliktzonen außerhalb der EU. Mitglieder sind Frankreich, Italien, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien und Spanien. Litauen ist ein Partnerstaat und die Türkei hat einen Beobachterstatus inne. Das geht aus der Webseite der Eurogendfor hervor.
Die Europäische Kommission hat mehrfach betont, dass die Eurogendfor keine EU-Institution und auch nicht befugt sei, auf dem Boden der Mitgliedsstaaten einzugreifen (hier, hier, hier, hier). Der Einsatz ausländischer Polizisten im eigenen Land liegt demnach im Zuständigkeitsbereich nationaler Behörden.
Die Organisation selbst schreibt in einem Tweet von 2019, nur außerhalb der Grenzen der EU im Einsatz zu sein. Bisher war sie nach Angaben auf der Webseite in Afghanistan, Bosnien & Herzegowina, Zentralafrika, Haiti, Libyen, Mali, Tunesien und der Ukraine im Einsatz.
Gegründet wurde die EGF im Jahr 2007. Öffentlich einsehbar sind sowohl die Absichtserklärung von 2004 als auch der eigentliche Vertrag. Von einer heimlichen Einführung – wie im Facebook-Video behauptet – kann also keine Rede sein.
Um eine Mitgliedschaft bewerben können sich alle EU-Länder, deren Polizei einen militärischen Status hat. In Deutschland sind Polizei und Militär strikt getrennt. Da es sich um reguläre Gendarmerie-Einheiten der teilnehmenden Länder handelt, kann nicht wie in dem Post behauptet von einer «Söldnertruppe» gesprochen werden.
Für jeden Einsatz ist ein Mandat erforderlich – etwa von der EU, der UNO oder der NATO. «Das Mandat wird sich stets auf eine klare Rechtsgrundlage stützen, die auf Resolutionen des UN-Sicherheitsrats oder aus politischen Leitlinien der EU oder anderer IOs (d.h. „International Organizations“) basiert», heißt es auf der EGF-Webseite. Geführt wird Eurogendfor vom sogenannten Ranghohen Interministeriellen Komitee («High Level Interdepartmental Committee» oder CIMIN).
Links
Post (archiviert) (Video archiviert)
Eurogendfor auf X (archiviert)
Webseite von Eurogendfor (archiviert)
X-Beitrag von Eurogendfor (archiviert)
Absichtserklärung von Eurogendfor (archiviert)
Vertrag von Eurogendfor (archiviert)
Polizei in Deutschland (archiviert)
Eurogendfor über Konzept (archiviert)
Eurogendfor über CIMIN (archiviert)
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