Nachdem sich die EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament bereits im Oktober letzten Jahres auf ein Verkaufsverbot für neue Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2035 geeinigt hatten, schien die ursprünglich für Dienstag angesetzte Abstimmung im EU-Rat nur noch eine Formsache zu sein. Stattdessen stellen nun Forderungen, vor allem der deutschen Regierung, mit synthetischen Kraftstoffen (so genannten E-Fuels) betriebene Motoren von der Verordnung auszunehmen, die offizielle Entscheidung in Frage.
Synthetische Kraftstoffe werden durch die Verbindung von Wasserstoff mit Kohlendioxid hergestellt, und das Ergebnis ihrer Verbrennung kann aus der Atmosphäre abgeschieden werden. Diese Kraftstoffe gelten allerdings nur dann als klimaneutral, wenn die für ihre Herstellung und ihre Bestandteile benötigte Energie aus erneuerbaren Quellen stammt.
Neben Deutschland haben sich kürzlich auch Länder wie Italien und die Tschechische Republik gegen die Pläne für das Verkaufsverbot ausgesprochen. Gemeinsam mit Polen, das die Verordnung bereits seit längerem ablehnt, und Bulgarien, das sich der Stimme enthält, könnten diese Länder eine Sperrminorität im EU-Rat bilden.
Um die Verordnung anzunehmen, müssten 15 der 27 EU-Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen, für ein Verbot stimmen. Deutschland ist das bevölkerungsreichste EU-Land, Italien steht an dritter und Polen an fünfter Stelle. Ohne die Unterstützung Deutschlands erschien das Erreichen einer Mehrheit unwahrscheinlich, die 65 Prozent der EU-Bürger repräsentiert. Daher wurde die Abstimmung verschoben.
Die Pläne, die klimaschädlichen CO2-Emissionen von neuen PKW und Vans bis 2035 um 100 Prozent zu reduzieren, sind Teil eines größeren Programms zur Bewältigung des Klimawandels, des so genannten Pakets „Fit für 55“. Das ist wiederum Teil des Europäischen Grünen Deals. Die EU will ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senken und bis 2050 Klimaneutralität erreichen.
Deutschland ohne E-Fuel-Ausnahme nicht an Bord
Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing sprach sich letzte Woche gegen das Verkaufsverbot aus und drohte, dass Berlin es nicht unterstützen werde. Er argumentierte, die EU-Kommission habe noch keinen ergänzenden Gesetzentwurf vorgelegt, wie mit klimaneutralen Kraftstoffen betriebene PKW und Vans auch nach 2035 in der EU zugelassen werden könnten.
Im Anschluss an eine Kabinettssitzung äußerte Bundeskanzler Olaf Scholz, die Bundesregierung sei sich einig, dass sie von der Europäischen Kommission einen Vorschlag erwarte, wie solche E-Fuels nach 2035 eingesetzt werden könnten.
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner sagte, dass neu zugelassene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nach 2035 von dem Verbot ausgenommen werden sollten. „Wir brauchen diese rechtssichere, klare Verbindung zwischen der Entscheidung über Flottengrenzwerte und der Möglichkeit von Neuzulassungen“. Da die Technologie des Verbrennungsmotors weltweit weiterhin von Bedeutung sei, müsse ein Autoexporteur wie Deutschland sich das notwendige Know-how in diesem Bereich erhalten, fügte er hinzu. Für seine Partei, die FDP, habe Technologieoffenheit einen hohen Stellenwert.
Italien und Polen sträuben sich ebenfalls
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni begrüßte die Entscheidung, die EU-Abstimmung über das Verbot des Verkaufs von Kohlenstoff emittierenden Benzin- und Dieselfahrzeugen ab 2035 zu vertagen, als „italienischen Erfolg“. Sie sagte, die Position der italienischen Regierung sei klar: „Es muss einen sorgfältig geplanten, fairen und nachhaltigen Übergang geben, um negative Auswirkungen auf Produktion und Beschäftigung zu vermeiden“. Meloni fuhr fort: „Es ist richtig, null CO2-Emissionen so schnell wie möglich anzustreben, aber die Staaten müssen die Freiheit haben, den Weg zu gehen, den sie für den effektivsten und nachhaltigsten halten. Das bedeutet, dass sie sauberen Technologien jenseits von Elektromobilität nicht die Tür verschließen dürfen“.
In einer an die Vertreter der 27 EU-Mitgliedstaaten gerichteten Erklärung zu dem Verbot betonte Italien, dass „die Verordnung nicht mit dem Grundsatz der Technologieneutralität vereinbar ist, da sie ein Emissionsreduktionsziel von 100 Prozent bis 2035 festlegt und keine Anreize für die Verwendung erneuerbarer Kraftstoffe bietet“. Des Weiteren heißt es in dem Dokument, dass „Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor vornehmlich im Besitz von Bürgern und Bürgerinnen mit geringem Einkommen sind und auch nach 2035 auf der Straße bleiben werden. Der Erfolg von Elektroautos wird in hohem Maße davon abhängen, wie erschwinglich sie für diese Bürger werden“.
Auch Polen gehört zu den Mitgliedsstaaten, die Einwände gegen das Verbot erheben. „Wir waren von Anfang an und sind nach wie vor gegen das Verbot des Verkaufs von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nach 2035“, sagte die polnische Ministerin für Klima und Umwelt, Anna Moskwa, am Rande einer Konferenz über Photovoltaik in Brüssel, so die Polnische Presseagentur (PAP).
„Es gibt immer mehr skeptische Stimmen in den Diskussionen hinter den Kulissen. Die Staaten wachen auf und stellen fest, dass das Jahr 2035 gar nicht mehr so weit entfernt ist. Dies gilt vor allem für die kleineren Länder die, wie man sich unschwer vorstellen kann, mit ausländischen Technologien überschwemmt zu werden drohen. Ihre Bürger beginnen, diese Realität zu begreifen und die Konsequenzen für sich selbst zu verstehen“, sagte Moskwa bei einem Treffen mit Journalisten, wie PAP berichtete.
Frankreich, Kroatien und Slowenien stehen hinter dem Verbot
Am Mittwoch forderte der französische Verkehrsminister Clément Beaune Deutschland dringend auf, ein Verkaufsverbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren in der Europäischen Union ab 2035 zu unterstützen und bedauerte den „Anflug von Rebellion“ aus Berlin.
„Wenn wir diesen Ehrgeiz nicht beibehalten, werden wir wirtschaftlich und ökologisch abgehängt“, erklärte Beaune. „Es wird uns nicht gelingen, das Elektroauto für alle zugänglich zu machen, wenn wir gegenläufige Signale senden“, fügte der Minister hinzu. „Das Signal war klar: Es wurde unterstützt, auch von Deutschland. Es wurde unter der französischen EU-Ratspräsidentschaft als großes Ziel verabschiedet“, betonte Beaune.
Kroatien unterstützt die Verordnung für das Verbot. Zagreb betrachtet es als eine bedeutende Komponente des Europäischen Grünen Deals und als einen der wichtigsten Teilschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050.
Obwohl Kroatien über keine so starke Automobilindustrie verfügt wie die Tschechische Republik, die Slowakei oder Ungarn, ist das Unternehmen Rimac Automobili in den letzten Jahren mit der Entwicklung eines elektrischen Sportwagens weltberühmt geworden. Rimac konnte Hyundai und Porsche als Investoren gewinnen und betreibt außerdem ein Joint Venture mit Bugatti.
Slowenien gehört ebenfalls zu der Gruppe von Mitgliedstaaten, die die Verbotsverordnung unterstützen. Laut dem slowenischen Ministerium für Umwelt, Klima und Energie werde das Verbot zur Erreichung der Klima-, Energie- und Umweltziele im Verkehrssektor beitragen, weshalb Slowenien seine Position nicht geändert habe.
Das Ministerium betonte auch, dass die Europäische Kommission im Rahmen der neuen Verordnung die Entwicklung und den Einsatz von emissionsfreien Mobilitätstechnologien und -infrastrukturen durch regelmäßige Überprüfungen überwachen werde. Falls erforderlich, könne die Europäische Kommission im Rahmen dieser Überprüfungen die Notwendigkeit rechtfertigen, weiterhin mit synthetischem Kraftstoff betriebene, kohlenstofffreie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zu verkaufen, so das Ministerium. Nach Ansicht des Ministeriums gebe es mehrere Wege zur Dekarbonisierung von Personenkraftwagen, und man sei „nicht dagegen, die Tür für eine solche Lösung offen zu lassen“.
Bosnien und Herzegowina unternimmt Anstrengungen für die Zukunft
Obwohl es keine einheitliche staatliche Politik für einen graduellen Übergang zur Nutzung von Elektro- und Hybridautos und den Ausstieg aus Benzin- und Dieselfahrzeugen gibt, hat die Regierung der Föderation Bosnien und Herzegowina den Trend erkannt und einer Reihe von Personen Anreize für den Kauf von Elektroautos gewährt. Der Anteil dieser Fahrzeuge in Bosnien und Herzegowina nimmt zu, liegt aber immer noch deutlich unterhalb jenem in Ländern der Europäischen Union und der umliegenden Region.
Die Autohersteller setzen zunehmend auf Hybrid- und Elektroautos. Sie sind sich der Notwendigkeit bewusst, diese Fahrzeuge in Bosnien und Herzegowina einzuführen, zumal die Hauptstadt des Landes häufig zu den am stärksten verschmutzten Metropolen der Welt gezählt wird. Für das neue, grüne Bewusstsein steht auch ein Team junger Ingenieure, die sich im Unternehmen GS-TMT zusammengeschlossen haben. Sie haben mit dem EVO das erste in Bosnien und Herzegowina hergestellte, leichte elektrische Lieferfahrzeug entwickelt.
Dieser Artikel wird freitags veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf Nachrichten der teilnehmenden Agenturen im enr.