Frankfurt/Main – EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Entschlossenheit der Notenbank im Kampf gegen die extrem hohe Inflation bekräftigt. «Wir werden tun, was wir tun müssen. Das heißt, die Zinsen in den nächsten Sitzungen erhöhen», sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) am 28. September zum Auftakt einer Veranstaltung von Atlantik-Brücke und Atlantic Council in Frankfurt. Wenn die EZB ihren Auftrag zur Gewährleistung von Preisstabilität nicht erfülle, «würde das der Wirtschaft viel mehr schaden». Die Notenbank strebt für den Euroraum mittelfristig stabile Preise bei einer Inflationsrate von zwei Prozent an. Im August lagen die Verbraucherpreise im Währungsraum um 9,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Vor allem stark gestiegene Energiepreise und Lieferengpässe heizen seit Monaten die Teuerung an.
Die Euro-Währungshüter hatten die steigende Inflation lange als vorübergehendes Phänomen interpretiert. Zudem gab es Sorgen, mit einer zu schnellen Normalisierung der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik die Konjunktur abzuwürgen. «Wir haben einige Prognosefehler gemacht, wie jeder andere auch», sagte Lagarde. «Was wir jetzt sehen, ist hartnäckiger und von einer Größenordnung, die niemand erwartet hat.» Nun versucht die EZB, mit höheren Zinsen gegenzusteuern. Nach zwei kräftigen Zinsanhebungen im Juli und September liegt der Leitzins im Euroraum inzwischen bei 1,25 Prozent. Die nächste reguläre Sitzung des EZB-Rates ist für den 27. Oktober angesetzt. (28. September)
Arbeiter in der EU sollen besser vor Asbest geschützt werden
Brüssel – Arbeiterinnen und Arbeiter in der EU sollen einem Vorschlag der Europäischen Kommission zufolge künftig besser vor Asbest geschützt werden. Konkret soll eine EU-Richtlinie angepasst und der Grenzwert für den zulässigen Kontakt mit Asbest am Arbeitsplatz um das Zehnfache gesenkt werden. Allein 2019 seien rund 70 000 Menschen wegen Asbestkontakt am Arbeitsplatz gestorben. Das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen das Vorhaben noch annehmen.
In Deutschland wurden die Herstellung und die Verwendung von Asbest bereits 1993 verboten. Viele langlebige Asbestprodukte wie Bodenbeläge oder Dachplatten sind nach Angaben des Umweltbundesamtes aber noch immer in Häusern zu finden. Auch Fliesenkleber, Spachtelmassen und Putz können demnach Asbest enthalten. (28. September)
Habeck rechnet mit Atomkraft-Weiterbetrieb bis April 2023
Berlin – Deutschlands Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erwartet einen Weiterbetrieb von zwei Atomkraftwerken in Deutschland über das Jahresende hinaus. Das erklärte der Minister am 27. September in Berlin. Sein Ministerium gehe davon aus, dass man die «Reserve» ziehen werde und die Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim im ersten Quartal 2023 weiter am Netz sein werden. Er habe sich mit den Betreibern der Atomkraftwerke in Bayern und Baden-Württemberg auf Eckpunkte zur Umsetzung der geplanten Einsatzreserve bis spätestens Mitte April 2023 verständigt, erklärte Habeck. Die Betreiber würden nun alle nötigen Vorkehrungen dafür treffen. Hintergrund sei vor allem die angespannte Lage auf dem französischen Strommarkt.
Habeck machte deutlich, dass die Entwicklung in dem Nachbarland erheblich schlechter sei als prognostiziert. Mehr als die Hälfte der dortigen Atomkraftwerke sei nicht am Netz, es fehlten daher Strommengen, die Deutschland zum Teil mit Strom aus Gaskraftwerken ausgleiche. Entwickle sich die Lage in Frankreich schlecht, verschärften sich die Stressfaktoren für das deutsche Stromsystem. «Als für die Energiesicherheit verantwortlicher Minister muss ich daher sagen: Wenn diese Entwicklung nicht noch in ihr Gegenteil verkehrt wird, werden wir Isar 2 und Neckarwestheim im ersten Quartal 2023 am Netz lassen», betonte Habeck. Für die Grünen gilt eine solche Entscheidung wegen des jahrzehntelangen Widerstands der Partei gegen die Kernenergie gerade auch mit Blick auf die kommenden Landtagswahl in Niedersachsen als schmerzhaft.
Den mit den Betreibern vereinbarten Eckpunkten zufolge sollen die beiden Atomkraftwerke nach dem Ende ihrer regulären Laufzeit am 31. Dezember 2022 in eine Einsatzreserve überführt werden. Sie stünden damit bereit, um einen drohenden Stromnetzengpass in Süddeutschland zu verhindern. Habeck hatte Anfang September den Plan für einen möglichen Weiterbetrieb (Reservebetrieb) von zwei der drei noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland angekündigt. Der dritte noch aktive Meiler in Niedersachsen (Emsland) soll nicht Teil dieser Notfallreserve sein und fristgerecht zum 31. Dezember abgeschaltet werden. (27. September)
EU-Kommission billigt zusätzliche deutsche Förderung von Solaranlagen
Brüssel – Die deutsche Bundesregierung darf den Ausbau von Solaranlagen und anderen erneuerbaren Energien zusätzlich fördern. Die Europäische Kommission, die für die Einhaltung der Wettbewerbsregeln in der EU zuständig ist, genehmigte am 27. September entsprechende Maßnahmen. Diese seien erforderlich, um erneuerbare Energiequellen auszubauen und den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu verringern, teilte die Brüsseler Behörde mit.
Konkret sollen Förderungen für Solaranlagen auf privaten Dächern ausgebaut werden, um zusätzlich Strom ins allgemeine Netz einzuspeisen. Die EU-Kommission genehmigte auch zusätzliche staatliche Ausschreibungen für Photovoltaikanlagen auf Frei- und Dachflächen sowie eine Anpassung einer Marktprämie für Stromproduzenten im Bereich Innovation. Die Bundesregierung hatte zuletzt zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben. So sind Ausbaumengen bei der Windkraft sowie bei Solaranlagen deutlich erhöht worden. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs aus Erneuerbaren kommen. Derzeit sind es knapp unter 50 Prozent. (27. September)
Rechts jubelt, Rest bangt: Was macht Meloni mit Europa?
Rom – Italien hat gewählt – und zwar extrem rechts. Die drittgrößte Volkswirtschaft der EU dürfte bald von der 45-jährigen Giorgia Meloni geführt werden. Sie steht der Europäischen Union äußerst skeptisch gegenüber. «Würde und Stolz» will die Wahlsiegerin den Italienern zurückgeben, teilte sie am Tag nach dem großen Erfolg mit. Was genau das bedeutet, präzisierte Meloni nicht. Sie steht den EU-Institutionen sehr skeptisch gegenüber. Im Wahlkampf hütete sie sich zwar davor, Brüssel allzu aggressiv zu attackieren – schließlich wollte sie verantwortungsvoll und staatstragend rüberkommen. Einmal brach aber aus ihr heraus, dass der «Spaß» nun vorbei sei. Sie deutete immer wieder ihre Sicht an, Italien werde nicht genug respektiert, ja sogar benachteiligt, etwa von Deutschland.
Für die Gründerin der rechtsradikalen «Brüder Italiens» musste die EU stets als Feindbild herhalten. Meloni hasst es, dass in Brüssel und nicht in Rom etliche Gesetze und Normen des alltäglichen Lebens entstehen. Sie ist dagegen, dass EU-Recht dem italienischen vorangestellt ist. Sie will schon seit Jahren EU-Verträge nachverhandeln, allen voran den Fiskalpakt. Den Euro nannte sie im Januar 2018 eine «falsche Währung» und forderte eine Entschädigung für jene Länder, die nach dessen Einführung am meisten gelitten hätten – dazu gehöre Italien. Als Oppositionsführerin stimmte sie zumeist nicht für die Regeln des europäischen Multi-Milliarden-Pakets für den Kampf gegen die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Dabei erhält Italien mit rund 191 Milliarden Euro so viel wie kein anderes Land in der Union. Weil dieser riesige Batzen nur scheibchenweise ausgezahlt wird, und jede Tranche an Bedingungen geknüpft ist, gehen Beobachter davon aus, dass Meloni zunächst auch weiterhin keine heftige Konfrontation mit Brüssel sucht. Die Milliarden werden in dem Mittelmeerland dringend gebraucht.
Es ist das erste Mal in der jüngeren Vergangenheit, dass eines der größten EU-Länder von einer so radikal Rechten geführt werden dürfte. Wird Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft der EU und das Gründungsland der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die Europäische Union lähmen – oder zumindest schwächen? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vorige Woche jedenfalls für Aufruhr in Italien gesorgt, als sie angesprochen auf einen Rechtsruck in Rom sagte: «Wenn die Dinge in eine schwierige Richtung gehen – ich hatte schon über Ungarn und Polen geredet – dann haben wir Werkzeuge.» (26. September)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl auf der Grundlage der Europa-Berichterstattung der dpa. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der dpa. Der EU Digest erscheint jeweils montags und donnerstags.