Brüssel – Im europäischen Streit über die Aufnahme von Bootsflüchtlingen bleibt Frankreich bei seinem harten Kurs gegenüber der neuen rechten Regierung in Rom. Innenminister Gérald Darmanin bekräftigte am 25. November nach einem EU-Krisentreffen in Brüssel, dass sein Land Italien erst dann wieder Flüchtlinge abnehmen will, wenn dieses nicht mehr dafür sorgt, dass Rettungsschiffe von Hilfsorganisationen nach Frankreich fahren. «Wir müssen aus einer Situation herauskommen, in der dieselben Staaten aufgerufen sind, Schiffe aufzunehmen und Umsiedlungen aus anderen Mitgliedstaaten durchzuführen», erklärte Darmanin.
Der Franzose spielte damit darauf an, dass Italien jüngst dem Rettungsschiff «Ocean Viking» die Einfahrt in einen Hafen verweigert hatte, worauf dieses mit mehr als 200 Migranten an Bord nach Frankreich fahren musste. Die Regierung in Paris war darüber empört und verwies darauf, dass Rettungsschiffe eigentlich ein Recht darauf hätten, in den nächstgelegenen Hafen zu fahren. Italien kritisiert hingegen mangelnde Solidarität anderer EU-Staaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen und fordert mehr Unterstützung. Zudem wird den Besatzungen von Rettungsschiffen vorgeworfen, mit ihrem Einsatz im Mittelmeer das Geschäft von Schleuserbanden zu fördern.
Der derzeitige tschechische EU-Ratsvorsitz wertete das Krisentreffen in Brüssel trotz der Meinungsverschiedenheiten unter den EU-Staaten als Erfolg. So wurde nach Angaben von Innenminister Vit Rakusan ein neuer Aktionsplan der EU-Kommission willkommen geheißen. Er sieht insbesondere vor, die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Durchreiseländern zu intensivieren und in Nordafrika ein neues Programm gegen Menschenschmuggel zu starten. Für den Einsatz von privaten Seenotrettungsschiffen, die immer wieder Hunderte Migranten in europäische Häfen bringen, könnte es demnach einen speziellen Rahmen und Richtlinien der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation geben. Zudem soll der freiwillig von rund 20 EU-Staaten unterstützte Solidaritätsmechanismus, der im Juni ins Leben gerufen wurde, besser genutzt werden.
Nach Angaben des Innenministeriums in Rom kamen in Italien seit Anfang des Jahres bereits mehr als 94 000 Migranten an. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg die Zahl damit um etwa 53 Prozent. Die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson hatte die Situation zuletzt als nicht haltbar beschrieben und dabei auch darauf verwiesen, dass nur die wenigsten Ankommenden wegen politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen.
Für Deutschland nahm Staatssekretär Bernd Krösser an dem Treffen in Brüssel teil. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte am 24. November im Bundestag, Deutschland habe derzeit «keine große Migrationskrise». In der Vergangenheit hatte die Bundesregierung in Brüssel auch immer wieder darauf verwiesen, dass in Deutschland in der Regel monatlich deutlich mehr Asylanträge gestellt werden als in Italien. So wurden nach Angaben des EU-Statistikamts Eurostat vom 25. November allein im August in Deutschland knapp 17 000 Antragsteller registriert und in Italien nur rund 6000.
Konkrete politische Entscheidungen zum Umgang mit dem neuen Anstieg der Migrationszahlen werden frühestens beim nächsten regulären Innenministertreffen am 8. Dezember erwartet. Bis dahin will die EU-Kommission auch einen Aktionsplan zu den ebenfalls steigenden Zahlen von Menschen vorlegen, die über die Länder des westlichen Balkans in die EU kommen. (25. November)
«Gefährliches Spiel»: EU-Warnung vor Eskalation in US-Handelskonflikt
Brüssel – Im Streit zwischen Brüssel und Washington um milliardenschwere US-Subventionen wird die EU im Ton schärfer. Sowohl die EU-Kommission als auch die tschechische EU-Ratspräsidentschaft warnten am 25. November davor, dass beide Seiten in einem Wettkampf um Unternehmensanreize durch Staatsgeld verlieren könnten. «Ein Subventionsrennen ist ein sehr gefährliches Spiel», sagte der tschechische Handelsminister Jozef Sikela nach einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen. In der Regel sitze der Gewinner dann auf einem anderen Kontinent. Sein Land hat noch bis Jahresende den regelmäßig wechselnden Vorsitz unter den EU-Ländern inne.
US-Präsident Joe Biden hatte im August den sogenannten Inflation Reducion Act unterzeichnet. Es sieht milliardenschwere Investitionen in den Klimaschutz und Soziales vor. Nach Ansicht der EU-Kommission werden dadurch EU-Firmen diskriminierend benachteiligt. So sind Subventionen und Steuergutschriften unter anderem daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren. Die EU dringt auf Ausnahmen, wie es sie auch für Mexiko und Kanada gibt. Am 5. Dezember wollen sich Vertreter der EU und der USA treffen, um über den Konflikt zu sprechen. (25. November)
Bauernverbände kritisieren geplante EU-Verordnung
Goslar – Bei einer Protestaktion am Rande der Umweltministerkonferenz in Goslar haben Bauernvertreter geplante EU-Verordnungen kritisiert. Die Landwirte halten unter anderem die geplante Verordnung zur Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln für zu pauschal.
Über 1000 Menschen bildeten nach Angaben des Bauernverbandes aus Protest eine Menschenkette durch Goslar, wo die Konferenz am 2. Dezember zu Ende geht. Der Präsident des niedersächsischen Bauernverbandes, Holger Hennies, gab symbolisch ein Paket mit Anforderungen an Landwirte an den Vorsitzenden der Umweltministerkonferenz, Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne), zurück. Die Bauern kritisierten, geplant sei unter anderem eine Einschränkung für die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln in vielen Natur- und Umweltschutzgebieten. Landesbauern-Präsident Hennies warnte, dass zu viele Einschränkungen die Existenz der Betriebe in Deutschland bedrohen würden. (25. November)
EU-Chefdiplomat: Teil-Lösung im Konflikt zwischen Serbien und Kosovo
Brüssel – In dem Konflikt zwischen Serbien und Kosovo um die Nutzung illegaler serbischer Kfz-Kennzeichen haben Unterhändler einen Kompromiss erzielt. «Wir haben einen Deal!», schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am 23. November auf Twitter im Anschluss an von der EU organisierte Gespräche in Brüssel. Die Chefunterhändler von Kosovo und Serbien hätten sich unter EU-Aufsicht auf Maßnahmen geeinigt, um eine weitere Eskalation zu vermeiden.
Borrell zufolge werde Serbien aufhören, Nummernschilder mit Bezug auf kosovarische Städte zu vergeben, und Kosovo werde keine weiteren Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ummeldung von Fahrzeugen mit alten serbischen Kennzeichen ergreifen. Borrell wird die Parteien in den nächsten Tagen einladen, um die nächsten Schritte zu besprechen.
Die Regierung des Kosovos hatte zuletzt geplante Geldstrafen wegen der Nutzung illegaler serbischer Kfz-Kennzeichen verschoben. Nahezu alle ethnischen Serben in einem kompakten serbischen Siedlungsgebiet im Norden des Kosovos nutzen in Serbien ausgestellte Kfz-Kennzeichen, obwohl diese seit 1. November keine Gültigkeit mehr haben. In ihrer Verweigerungshaltung werden sie von der Regierung Serbiens unterstützt, die die seit 2008 bestehende Unabhängigkeit des Kosovos nicht anerkennt. Das Balkanland, dessen Gebiet einst zu Serbien gehörte, ist heute nahezu ausschließlich von Albanern bewohnt.
Der Konflikt um die Kfz-Kennzeichen hat die Spannungen zwischen Belgrad und Pristina angeheizt. Aus Protest gegen die Regelung hatten bereits zu Monatsbeginn nahezu alle serbischstämmigen Beamten der kosovarischen Polizei den Dienst quittiert. (23. November)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl auf der Grundlage der Europa-Berichterstattung der dpa. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der dpa. Der EU Digest erscheint jeweils montags und donnerstags.