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Entgegen allen Erwartungen und Umfragen vor den französischen Parlamentswahlen zum Trotz am Sonntag hat das Linksbündnis Neue Volksfront (Nouveau Front Populaire, NFP) den zweiten Wahlgang für sich entschieden – vor dem liberalen Mitte-Bündnis Gemeinsam (Ensemble) des amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron, dem auch seine Partei Renaissance angehört. Die rechtspopulistische Partei, der Rassemblement National (RN), von Marine Le Pen wurde auf den dritten Platz verwiesen.

Das Ergebnis hat das Land in eine politische Ungewissheit gestürzt, wie es sie in seiner jüngeren Geschichte noch nicht gab.

Frankreich wählte in der letzten Runde der vorgezogenen Parlamentswahlen, die der französische Präsident Emmanuel Macron einberufen hatte, nachdem sein Lager bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im vergangenen Monat Verluste erlitten hatte. Der RN, angeführt von dem 28-jährigen Jordan Bardella, erhielt damals die meisten Stimmen (37,1 Prozent).

Mit 577 Sitzen in der französischen Nationalversammlung liegt die NFP den jüngsten Hochrechnungen zufolge mit 188 Sitzen an erster Stelle. Macrons Bündnis Ensemble und Le Pens RN folgen mit 161 bzw. 142 Sitzen.

Die erst im vergangenen Monat gegründete NFP führte die zuvor tief gespaltenen Sozialisten, Grünen, Kommunisten und die Partei Unbeugsames Frankreich (La France Insoumise, LFI) zu einem Parteienbündnis zusammen. Bei den Europawahlen Anfang Juni waren die Parteien noch einzeln angetreten.

Die stärkste Kraft in der NFP ist die hart linke LFI von Jean-Luc Mélenchon, eine polarisierende Figur, der den Rechten und der Mitte ein Gräuel ist und der viele andere Linke verprellt hat. Zu den wichtigsten Programmpunkten des Bündnisses gehören eine massive Erhöhung des Mindestlohns sowie die Abschaffung der Rentenreform in Frankreich, indem das Rentenalter wieder auf 62 Jahre gesenkt wird.

Mélenchon forderte umgehend, dass Präsident Macron einen Premierminister aus dem Linksbündnis ernennt. Er sagte, die NFP müsse „ihr Programm und nur ihr Programm umsetzen“ und lehnte es ab, mit Macrons Koalition in Verhandlungen zu treten.

Staats- und Regierungschefs der EU nach Abstimmung in Frankreich „erleichtert“

Das Ergebnis vom Sonntag war in Frankreich eine Überraschung. Nach dem ersten Wahlgang am 30. Juni sahen die Prognosen den RN knapp unter der absoluten Mehrheit von 289 Sitzen und damit möglicherweise in der Lage, die nächste Regierung zu bilden – mit Bardella als nächstem Premierminister.

Trotz dieses herben Rückschlags erzielte der RN – auch durch seine einwanderungsfeindliche Haltung – im zweiten Wahlgang am Sonntag ein historisches Ergebnis (142 Sitze) und lag damit deutlich über den 89 Abgeordneten, die er 2022 erringen konnte. Das war bereits ein außergewöhnlicher Sprung von den acht Sitzen, die die Partei  2017 erzielt hatte. „Die Flut steigt weiter, und unser heutiger Sieg hat sich nur verzögert,“ sagte die Vorsitzende der RN-Partei in der französischen Nationalversammlung, Le Pen.

Die Flaggen der europäischen Länder und die EU-Flagge vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Foto: Frederick FLORIN / AFP

Frankreichs EU-Partner sind erleichtert, dass Le Pens euroskeptische Partei nicht an die Macht kommen wird, wo sie die weitere europäische Integration und die westliche Unterstützung für die Ukraine gefährden könnte. Eine französische Regierung aus Rechtsnationalisten und Euroskeptikern, die den Einfluss der EU in Frankreich zurückdrängen wollen, scheint abgewendet zu sein. 

Der spanische Premierminister Pedro Sánchez lobte am Sonntag die „Ablehnung der radikalen Rechten“. Frankreich habe sich für „eine soziale Linke entschieden, die die Probleme der Menschen mit einer ernsthaften und mutigen Politik“ angehe, sagte der sozialistische Politiker auf X.

Auch der polnische Premierminister Donald Tusk zeigte sich am Sonntagabend „glücklich“ über das Ergebnis. „In Paris Begeisterung, in Moskau Enttäuschung, in Kiew Erleichterung,” sagte der ehemalige Präsident des Europäischen Rates.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich gegenüber Reportern „erleichtert“ und fügte hinzu: „Nun hoffen wir, dass es dem Präsidenten aber auch den gewählten Abgeordneten gelingen wird, eine konstruktive Regierungsbildung zustande zu bringen.“

Französisches Wahlsystem als Schlüssel zum Sieg der Linken

Obwohl bei den Wahlen am Sonntag die linke NFP in Bezug auf die Anzahl der Sitze in Führung lag, erhielten der rechtsextreme RN und seine Verbündeten mit rund 37 Prozent die meisten Stimmen – gegenüber 26 Prozent für die NFP. Macrons liberales Bündnis Ensemble kam mit rund 24 Prozent der Stimmen auf den dritten Platz.

Im französischen Wahlsystem wird der Kandidat, der in einem der 577 Wahlkreise die Mehrheit der Stimmen erhält, direkt in die Nationalversammlung gewählt.

Die Linke und Macrons Zentrumskräfte hatten vor dem zweiten Wahlgang eine Zweckkoalition gebildet. Um sich in den Wahlkreisen, in denen es drei Kandidaten in die zweite Runde schafften, nicht gegenseitig Stimmen wegzunehmen, zogen sich in mehreren Wahlkreisen Kandidaten des linken oder des Mitte-Blocks strategisch zurück. Auf diese Weise hatte der verbleibende Kandidat eine bessere Chance, den RN-Kandidaten zu schlagen. Sowohl NFP als auch Ensemble riefen ihre Wähler auf, auf jeden Fall gegen den RN zu stimmen.

Der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković sagte, die rechtsextreme RN-Partei sei der „überzeugende relative Sieger“ der französischen Wahlen gewesen, weil sie die meisten Stimmen erhalten habe. Aber ihr Sieg sei durch das Wahlsystem des Landes verhindert worden. „Die Message ist geblieben und das wird sich sehr bald zeigen, in etwas weniger als drei Jahren, wenn die französischen Präsidentschaftswahlen stattfinden,“ fügte er hinzu. 

Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sagte: „Wenn wir uns ansehen, was in Frankreich passiert ist, kann niemand den Sieg für sich beanspruchen.“ Sie fügte hinzu, dass „keiner der drei sich durchgesetzt“ habe und „keiner der drei in der Lage [sei], allein zu regieren.“

Der französische Premierminister Gabriel Attal. Foto: Miguel MEDINA / AFP

Frankreich im politischen Schwebezustand

Nach den Wahlen befindet sich nun die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone und nur wenige Wochen vor den Olympischen Spielen in Paris in einer Phase der politischen Ungewissheit und Instabilität.

Die durch den zweiten Wahlgang geschaffene unvorhergesehene politische Landschaft lässt eine stark gespaltene Nationalversammlung ohne klare Mehrheiten erwarten. Wie Frankreich künftig regiert werden kann, ist in dieser Phase der Koalitionsbildung sehr unsicher, da das Land keine Tradition darin hat, Regierungen durch Koalitionen oder Bündnisse zu bilden.

Wenn kein Block eine Mehrheit für die Regierungsbildung findet, könnte entweder die derzeitige Regierung übergangsweise die Geschäfte führen oder es kann eine Expertenregierung eingesetzt werden. Ein solches Szenario würde für Frankreich eine politische Sackgasse bedeuten. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und Neuwahlen wären nicht vor Juli 2025 möglich.

Nach der Wahl hat Premierminister Gabriel Attal von Macrons Partei der Renaissance dem Präsidenten seinen Rücktritt angeboten. Macron lehnte dies ab und forderte Attal auf, als Übergangspremier im Amt zu bleiben, um die Olympischen Spiele zu Ende zu führen, und der internationalen Gemeinschaft und den Märkten verlässlich zu zeigen, dass Frankreich noch eine Regierung hat.

Quellen aus dem Elysée kündigten an, dass Macron, der sich wegen des NATO-Gipfels derzeit in Washington aufhält, sich bis zur Bildung der neuen Nationalversammlung Zeit lassen wird, um über die zu bildende künftige Regierung zu entscheiden.

Mit der Ernennung eines neuen Premierministers könnte Macron bis nach der parlamentarischen Sommerpause warten. Die neu gewählte Nationalversammlung wird jedoch bereits am 18. Juli zu ihrer ersten Sitzung zusammentreten, bei der der Parlamentspräsident gewählt werden soll. Am darauffolgenden Tag wird über die Vizepräsidenten und die Zusammensetzung der Ausschüsse entschieden.

Dieser Artikel wird zwei Mal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf Nachrichten der teilnehmenden Agenturen im enr.