Am Montag bemühten sich führende Politiker und Finanzfachleute in Europa, das Vertrauen der Verbraucher nach der Krise bei der zweitgrößten Schweizer Bank Credit Suisse wiederherzustellen. Die Notübernahme der Credit Suisse durch das Konkurrenzunternehmen UBS und die Schwierigkeiten einiger kleinerer Finanzinstitute in den USA haben im Laufe dieser Woche Sorgen um die Banken in der Eurozone befeuert.
Berater in Europa bestätigten, dass im Falle einer Bankenpleite in der Europäischen Union eine feste Regel gelte, nach der Aktionäre und andere Gläubiger in Anspruch genommen würden. Verluste der Bank würden zunächst durch das Aktienkapital getragen. Reiche dieses nicht aus, würden nachrangige Anleihen herangezogen, das so genannte AT1-Kapital.
Im Fall der Credit Suisse sollen die Inhaber dieser aktienähnlichen Anleihen im Zuge der Übernahme durch die UBS ihr investiertes Geld vollständig verlieren. Der Verlust für die AT1-Anleihen beläuft sich auf 16 Milliarden Schweizer Franken (16 Milliarden Euro). Auch die Aktionäre der Credit Suisse werden einen Großteil ihres investierten Geldes verlieren, dafür aber UBS-Papiere erhalten.
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, blieb optimistisch, dass das Ereignis keine Auswirkungen auf das Finanzsystem der Eurozone haben werde. Der europäische Bankensektor sei aufgrund seiner starken Kapital- und Liquiditätsposition resilient, so Lagarde. Angesichts der gegenwärtig angespannten Märkte sei die EZB bereit, das Finanzsystem bei Bedarf mit Liquidität zu unterstützen und das reibungslose Funktionieren der Geldpolitik aufrechtzuerhalten, fügte sie hinzu.
In der vergangenen Woche hatte die EZB den Leitzins trotz der Turbulenzen um 50 Basispunkte angehoben. Angesichts der derzeit hohen Unsicherheit legte sich die Zentralbank nicht für die Zukunft fest. Lagarde machte deutlich, dass sich die Währungshüter von den Wirtschaftsdaten leiten lassen werden.
Währenddessen sind sich Politiker und Zentralbanker in Europa uneins über die Effektivität der jüngsten Zinsentscheidungen der EZB.
Italien: Zinspolitik der EZB auf dem Prüfstand
Der italienische Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti sagte am Montag, er glaube, dass die Auswirkungen der Krise bei der schweizerischen Credit Suisse auf das italienische Bankensystem „unbedeutend“ sein würden. Im Hinblick auf die Marktturbulenzen im Zusammenhang mit der Credit Suisse und dem vorhergehenden Zusammenbruch der Silicon Valley Bank in den USA meinte Giorgetti, dass sich die Märkte seiner Wahrnehmung nach etwas beruhigt hätten. „Ich denke, die Situation in Europa ist unter Kontrolle. Wir sind in ständigem Kontakt mit den Aufsichtsbehörden und wir sind beruhigt, was das italienische Bankensystem angeht.“
Die Mailänder Börse brach am Montag im frühen Handel um 2,6 Prozentpunkte ein, wobei die Bankaktien nach einer turbulenten Woche auf den internationalen Geldmärkten erneut unter die Räder kamen. Die am Wochenende angekündigte Rettung der Credit Suisse hatte die Bedenken der Anleger zunächst nicht zerstreuen können. Am Dienstag schloss die Mailänder Börse hingegen mit einem Plus von 2,53 Prozent, da die Bankaktien sich von den jüngsten Verlusten der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse stark erholen konnten.
Giorgetti wiederholte seine Kritik an der Zinserhöhungspolitik der Europäischen Zentralbank zur Eindämmung hoher Inflationsraten. „Diese Politik sollte sehr sorgfältig kalibriert werden, da eine Erhöhung der Zinssätze zwar nützlich sein kann, um die Inflation zu kontrollieren, aber unter Umständen auch Probleme für die finanzielle Stabilität verursacht“, sagte er.
Die Entscheidung der EZB, den Leitzins um 50 Basispunkte zu erhöhen, stimmt die italienische Regierung unzufrieden. „Die EZB bewegt sich in die falsche Richtung, auch wenn jetzt ein Umdenken eingesetzt hat. Unserer Meinung nach ist das kein guter Weg, um die Inflation zu bekämpfen“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Außenminister Antonio Tajani.
Frankreich: Basel III-Regeln waren die Rettung
Angesichts von Befürchtungen einer bevorstehenden Krise im Sektor äußerte François Villeroy de Galhau, Gouverneur der Banque de France und Mitglied des EZB-Rats, in der vergangenen Woche, dass sich die europäischen Banken in einer „äußerst soliden“ Verfassung befänden. Ihre Situation sei nicht mit der einiger US-amerikanischer Kreditinstitute vergleichbar.
„Europäische Banken befinden sich aus einem ganz einfachen Grund nicht in der gleichen Situation, wie bestimmte amerikanische Banken, nämlich weil sie nicht den gleichen Regeln unterliegen“, erläuterte er. Die als Basel III bekannten Regularien, die nach der Finanzkrise von 2008 geschaffen wurden, um sicherzustellen, dass die Banken über angemessenes Kapital und Liquidität verfügen, hätten sich als effektiv erwiesen, sagte Villeroy de Galhau. Er fügte hinzu, dass die Basel-III-Anforderungen für 400 europäische Bankkonzerne gelten würden, verglichen mit nur 13 in den USA.
Während der Präsidentschaft von Donald Trump seien kleine und mittelgroße US-Banken 2019 von den Basler Regeln ausgenommen worden, sagte er und wies darauf hin, dass sowohl die Silicon Valley Bank als auch die Signature Bank, die letzte Woche zusammengebrochen war, zu diesen Banken gehörten. Der französische Zentralbankgouverneur erklärte, dass die Credit Suisse ein Sonderfall sei. „Es handelt sich um eine Bank, die sowohl Probleme mit ihrem Geschäftsmodell als auch mit ihrem internen Kontrollsystem hat.“
Während die EZB erklärte, sie sei bereit, Liquidität bereitzustellen, um die Stabilität des Finanzsystems der Eurozone zu gewährleisten, hielt sie an einer kräftigen Zinserhöhung um einen halben Prozentpunkt fest, um die Inflation abzumildern, trotz Befürchtungen, dass die steigenden Kreditkosten die Banken weiter belasten könnten. Villeroy de Galhau meinte dazu, der Schritt der EZB sei ein starkes Zeichen des Vertrauens in ihre Anti-Inflationsstrategie und in die Solidität der europäischen und französischen Banken.
Slowenien, Bulgarien und Deutschland bewahren eine ruhige Haltung
Am Montag erklärte die slowenische Zentralbank, dass das europäische und das slowenische Bankensystem gut funktioniere, trotz der Turbulenzen im amerikanischen und schweizerischen Bankensektor. „Der Bankensektor der Eurozone ist resilient und verfügt über eine starke Kapital- und Liquiditätsposition“, so die slowenischen Währungshüter.
Den Zusicherungen der Bank von Slowenien zufolge ist die Palette der geldpolitischen Instrumente der Europäischen Zentralbank breit genug, um das Finanzsystem bei Bedarf mit Liquidität zu versorgen.
Die bulgarische Interims-Finanzministerin Rositsa Velkova erklärte, dass zum jetzigen Zeitpunkt durch die Bankenpleiten in den USA keine Ansteckungsgefahr für Bulgarien bestehe.
Desislava Nikolova, leitende Finanzanalystin bei MoitePari.bg, stellte fest, dass die Zinserhöhungen der EZB, die 2022 begannen, den bulgarischen Bankenmarkt aufgrund seiner hohen Liquidität nicht beeinträchtigt hätten. Das Land verfüge über ausreichende Ressourcen, um die Prozesse im Zusammenhang mit den Zinserhöhungen zu verlangsamen, sagte sie. Da Bulgarien nicht Teil der Eurozone sei, habe es die niedrigen Kredit- und Einlagenzinsen beibehalten, sagte Nikolova. Sie rechne damit, dass die Zinssätze in Bulgarien nun nicht allmählich, sondern rapide ansteigen würden, da die jüngsten Entwicklungen auf makroökonomischer Ebene für Unsicherheit gesorgt hätten.
Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte am Montag das „entschlossene Handeln der Schweizer Behörden“ bei der Übernahme der angeschlagenen Credit Suisse durch den Konkurrenten UBS, so ein Regierungssprecher. Die europäischen Behörden hätten aus der Finanzkrise von 2008 gelernt und die Regeln für Banken verschärft, betonte er. „Das deutsche Bankensystem ist daher gut aufgestellt“, fügte der Sprecher hinzu.
Bislang kein Ende der EZB-Zinserhöhungen in Sicht

Nach Einschätzung von Bundesbankpräsident Joachim Nagel, der im geldpolitischen Rat der EZB sitzt, ist die Zentralbank noch nicht am Ende ihres Zinserhöhungskurses angelangt. Gleichzeitig räumte er im Interview mit der «Financial Times» ein, dass sich die Zinsen dem restriktiven Bereich näherten. Darunter verstehen Ökonomen ein Niveau, ab dem die Zinsen die wirtschaftliche Aktivität bremsen.
Nagel unterstrich, die EZB müsse Forderungen nach baldigen Zinssenkungen widerstehen, wenn der Zinsgipfel erst einmal erreicht sei. Ansonsten drohe die hohe Teuerung wieder aufzuflammen.
„Unser Kampf gegen die Inflation ist noch nicht vorbei“,
so Bundesbankchef Joachim Nagel.
Dieser Artikel wird freitags veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf Nachrichten der teilnehmenden Agenturen im enr.