Im Dezember 2022 wurden die damalige Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, sowie der ehemalige EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri und zwei weitere Verdächtige von den belgischen Behörden festgenommen. Der Verdacht lautete auf Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption. Nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft wird den Verdächtigen vorgeworfen, Entscheidungen im Europäischen Parlament zugunsten des Fußball-WM-Gastgebers Katar im Gegenzug für Geld und Geschenke beeinflusst zu haben. Das EU-Parlament prüft derzeit Reformen, um die Transparenz und die Verantwortlichkeit seiner Mitglieder sicherzustellen.
Reformen für mehr Transparenz
In dieser Woche stellte die Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, in Straßburg ein erstes Paket von Reformen zur Korruptionsbekämpfung vor. Metsola versprach, für „mehr Transparenz“ und eine „Rechenschaftspflicht“ zu sorgen, die auf der „ersten Stufe“ eine stärkere Kontrolle derjenigen vorsehe „die Drittländer und deren Interessen vertreten“.
Die Christdemokratin plant eine „Cooling-Off-Periode“ einzuführen. Während dieser sollen sich ehemalige Abgeordnete nicht als Lobbyisten registrieren lassen dürfen. Außerdem sehen die Vorschläge auch Maßnahmen vor, um die EU-Abgeordneten besser zur Rechenschaft ziehen zu können. Weiterhin sollen Lobbyisten stärker kontrolliert werden sowie der Zugang zum Parlamentsgebäude.
Aus Parlamentskreisen hieß es bereits, dass einige der Maßnahmen innerhalb der nächsten Wochen umgesetzt werden könnten, wenn es die politische Unterstützung dafür gebe.
Die Grünen kündigten bereits an, dass die Vorschläge nicht weit genug gehen und forderten zum Beispiel die Veröffentlichung von Strafen für Parlamentarier, die sich nicht an die Richtlinien und Regeln halten. Die konservative EKR-Fraktion erklärte, es sei völlig klar, dass das Parlament so nicht weitermachen könne und begrüßte die Vorschläge. Auch von den vom Skandal besonders betroffenen Sozialdemokraten kam grundsätzlich Zustimmung.
Weitere Konsequenzen
In der Plenarsitzung dieser Woche wählte das EU-Parlament Marc Angel zu einem seiner 14 Vizepräsidenten. Der sozialistische Abgeordnete aus Luxemburg ersetzt Eva Kaili, die nach dem Bekanntwerden der Anschuldigungen ihres Amtes enthoben wurde. Angel erhielt im zweiten Wahlgang am Mittwoch im Europäischen Parlament in Straßburg 307 Stimmen und damit mehr Stimmen, als die für die absolute Mehrheit erforderlichen 296.
Nach dem Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe wurden alle Vorgänge des Europäischen Parlaments, die im Zusammenhang mit Katar stehen, ausgesetzt. Dies gilt auch für alle legislativen Dossiers, die Katar betreffen. Dazu gehören die Visaliberalisierung und das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und Katar, sowie alle geplanten Besuche.
Die Tragweite des Skandals entfaltet sich noch. Die Immunität von zwei weiteren Mitgliedern des Europäischen Parlaments, gegen die im Zuge des Korruptionsskandals ermittelt wird, soll aufgehoben werden.
Die belgischen Behörden beantragten die Aufhebung der Immunität für zwei sozialdemokratische Abgeordnete: Den Belgier Marc Tarabella und den Italiener Andrea Cozzolino, wie Metsola am 16. Januar sagte. Der Antrag werde nun vom Rechtsausschuss des Parlaments behandelt, fügte sie hinzu. Die Parlamentspräsidentin hatte zuvor erklärt, sie erwarte die endgültige Entscheidung auf der nächsten Plenarsitzung am 13. Februar.
Weitere Ermittlungen
Der in die Korruptionsermittlungen verwickelte ehemalige EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri habe inzwischen eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, erklärte die belgische Staatsanwaltschaft am 17. Januar.
Panzeri solle „substanzielle, aufschlussreiche, wahrheitsgemäße und vollständige Aussagen“ im Zusammenhang mit der auf Katar bezogenen Korruptionsuntersuchung machen, einschließlich seiner eigenen Beteiligung und der Beteiligung anderer, hieß es in der Erklärung.
Der ehemalige EU-Abgeordnete soll zu Einzelheiten über die finanziellen Vereinbarungen mit anderen beteiligten Ländern, die eingerichteten Finanzstrukturen und „die Identität der Personen, die er zugegeben hat, bestochen zu haben“ aussagen.
Im Gegenzug erhält Panzeri eine verkürzte Strafe, welche eine Freiheitsstrafe, eine Geldstrafe und die Einziehung aller im Zusammenhang mit der angeblichen Tat erworbenen Vermögenswerte umfasst. Nach Angaben seines Anwalts soll Panzeri eine fünfjährige Haftstrafe erhalten, die zum größten Teil zur Bewährung ausgesetzt werde, wie er am 18. Januar gegenüber dem belgischen Fernsehsender RTL erklärte.
Anfang der Woche gab ein italienisches Gericht in Brescia einem Antrag der belgischen Staatsanwaltschaft auf Auslieferung von Panzeris Tochter im Zusammenhang mit dem sogenannten Katargate-Skandal statt. Dem Antrag auf Auslieferung von Panzeris Ehefrau wurde bereits zugestimmt. Die beiden Fälle kommen nun vor den Obersten Kassationsgerichtshof Italiens.
Italienischer Ministerpräsident Meloni: Kein „Italian Job“
Der Korruptionsskandal sandte Schockwellen durch Europa. Auf der Jahresend-Pressekonferenz im Dezember erklärte die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni: „Eine Sache ärgert mich wirklich: Viele internationale Kollegen bezeichnen diese Ereignisse als ‚Italian Job‘, als ob es ein Schandfleck für unsere Nation wäre“, sagte sie. „Die Affäre betrifft nicht nur Italiener, sondern auch Belgier, Griechen und Menschen anderer Nationen. Wenn überhaupt, dann ist es eine Parteiangelegenheit, ein sozialistischer Job“, fügte die extrem rechtsstehende Politikerin hinzu.
Die spanische Vorsitzende der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im Europäischen Parlament, Iratxe García, forderte, dass die Beteiligten mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Rechenschaft gezogen werden sollten, da sie „Verbrechen begangen hätten, von denen sie wussten“. Sie sagte, dass alle Abgeordneten ihrer politischen Familie enttäuscht seien. Im Dezember bezeichnete der sozialdemokratische spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez die Korruptionsvorwürfe als einen Fall von „außerordentlicher Schwere“. Er sagte auch, dass man der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, und der belgischen Justiz volles Vertrauen schenken müsse.
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