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Wien – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat beim Wiener Migrationsgipfel ungewöhnlich deutliche Kritik an seinem ungarischen Amtskollegen Viktor Orbán geübt. „Es stimmt zwar, dass sich die irregulären Migranten nicht in Ungarn aufhalten, aber zu 80 Prozent durch Ungarn nach Österreich kommen und wir haben dann 109.000 Asylanträge und Ungarn hat 45“, sagte Nehammer am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Orbán und dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić in Wien.

Nehammer äußerte sich, nachdem Orbán eine „Frage“ des ungarischen Staatssenders MTV für mit EU-Bashing und Soros-Kritik garniertes Selbstlob in der Migrationspolitik genutzt hatte. „Wir sind der einzige migrantenfreie Ort in Europa“, brüstete sich der rechtskonservative Regierungschef. Dies liege an den rechtlichen und physischen Hürden für Migration. So können Migranten nach einem positiven Asylbescheid das Land überhaupt betreten. Außerdem gebe es einen Zaun an der Grenze. „Ich sage nicht, dass die Migranten manchmal drüberspringen können, aber den größten Teil können wir anhalten und sie können gar nicht als Migranten nach Österreich kommen“, behauptete Orbán.

Der ungarische Regierungschef bekräftigte seine Kritik an der von den EU-Innenministern beschlossenen „Zwangsverteilung“ von Migranten innerhalb Europas. Diese sei nämlich „eine Einladung“, sich auf den Weg zu machen. In seinem Eingangsstatement hatte sich Orbán lobend über Nehammer geäußert und berichtet, dass dieser den ungarischen Standpunkt zum EU-Asyl- und Migrationspakt beim jüngsten EU-Gipfel „verteidigt“ habe. „Wir schützen Europa vor dem Migrationsdruck“, betonte der ungarische Ministerpräsident. Ohne Ungarn und Serbien wären nämlich Österreich, Deutschland und die Niederlande „mit hunderttausenden Migranten mehr als heute“ konfrontiert.

Nehammer ließ bei der Pressekonferenz einen eigens gedruckten Folder verteilen, auf dem die Ergebnisse der bisherigen Dreier-Gipfel vorgestellt wurden. „Gemeinsam hat Österreich mit Ungarn und Serbien die Asylbremse deutlich angezogen“, sagte der Kanzler. Konkret führte er die Schlepperbekämpfung mit Ungarn an und dankte Serbien für das Ende der Visafreiheit für Tunesier und Inder.

Der Kanzler bekräftigte seine Kritik am EU-Asylsystem. Dieses sei „kaputt“. Auch wenn es mittlerweile mehr „Problembewusstsein“ und ein „Umdenken“ gebe, sei die Zusammenarbeit einzelner Staaten weiterhin nötig. Das Sterben im Mittelmeer werde erst aufhören, wenn Asylverfahren in Drittstaaten stattfinden und auch Rückführungen verstärkt werden, betonte Nehammer. Diesbezüglich drängte er auch auf bilaterale Abkommen mit afrikanischen Staaten, um legale Zuwanderung zu forcieren. „Da hat Österreich eine Vorreiterrolle übernommen“ sagte er mit Blick auf Vereinbarungen mit Marokko oder Indien sowie entsprechenden Plänen mit Ägypten. Angesichts von 200.000 offenen Stellen brauche Österreich legale Zuwanderung.

Konkretes Ergebnis des ersten von Nehammer ausgerichteten Gipfels ist die Unterzeichnung eines vierseitigen Kooperationsmemorandums im Bereich Polizeiarbeit durch die jeweiligen Innenminister. Vereinbart wurde die Gründung einer gemeinsamen Grenzschutz-Taskforce sowie eine Intensivierung der Zusammenarbeit im Kampf gegen Schlepper. Ziel ist es, die Strukturen zu zerschlagen und nicht nur die „kleinen Fische“ zu fangen.

Zum Gipfel waren nicht nur zahlreiche Journalisten aus den beiden Partnerländern angereist, sondern auch die Innen- und Außenminister. Wie es mit dem Kooperationsformat weitergehen wird, war unklar. Von den Teilnehmern erwähnte einzig Vučić, dass ein weiterer Gipfel „in Belgrad oder Budapest“ geplant sei. Nach Ansicht von Beobachtern dürfte insbesondere Österreich an einer Ausweitung des Formats gelegen sein, musste Nehammer doch im Vorfeld des Gipfels massive Kritik an seiner Kooperation mit den demokratiepolitisch schlecht beleumundeten Politikern Orbán und Vučić einstecken.

Geäußert wurde die Kritik von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und asylkoordination österreich, den mitregierenden Grünen und der Opposition. Beim Eintreffen der Staatsgäste am Freitagvormittag gab es lautstarke Proteste am Wiener Ballhausplatz. Vernichtend fiel die Kritik der Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS aus.

Das Dreierfomat war im vergangenen Herbst zur Bekämpfung der irregulären Migration auf der Balkanroute ins Leben gerufen worden. Erstmals waren Nehammer, Orbán und Vučić im vergangenen Oktober in Budapest zusammengekommen. Einen Monat später folgte ein Treffen in Belgrad. Wichtigstes Ergebnis war damals die Zusage Serbiens, die Visafreiheit für Bürger Indiens und Tunesiens zu beenden, was dann mit Jahresende bzw. Ende November erfolgte. (07.07.2023)

Renaturierung gegen Hochwasser – Lokalaugenschein in „Doode Bemde“

Brüssel/EU-weit – In der heißen Debatte um das neue EU-Renaturierungsgesetz (Nature Restoration Law) sind die Fronten zwischen Naturschützern und Landwirten verhärtet. Ziele des Vorschlags, über den das EU-Parlament am Mittwoch abstimmt, sind mehr Biodiversität und eine bessere CO2-Bilanz. Ein von grünen EU-Abgeordneten initiierter Lokalaugenschein im belgischen Naturschutzgebiet „Doode Bemde“ hat die konkreten Auswirkungen – wie Hochwasserschutz – von Renaturierungsmaßnahmen gezeigt.

„Unser Projekt beweist, dass Renaturierung nicht nur die Natur, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger schützt“, erklärte Piet de Becker vom Verein der Freunde der Wälder Heverleebos und Meerdaalwoud. Der flämische Ökohydrologe zeigte bei einer Besichtigung des Naturschutzgebiets im Flämisch-Brabant, dass der „Schutz von Feuchtgebieten auch Schutz vor Überschwemmungen“ bedeute. In „Doode Bemde“, rund eine halbe Stunde Autofahrt von der belgischen Hauptstadt Brüssel entfernt, wurden naturbasierte Lösungen für den Hochwasserschutz gefunden.

„Der übliche Ansatz ist: Wir bauen einen Damm, und das Problem ist gelöst“, so de Becker. Dies funktioniere aber nur begrenzt. Bei den immer häufiger werdenden Starkregenfällen werden oft der Damm und die gesamte Vegetation weggeschwemmt. In „Doode Bemde“ wurde der Fluss in seinem natürlichen Bett belassen und kann so größere Wassermengen aufnehmen. Auch die Artenvielfalt werde dadurch erhöht, so der Naturfreund. Die Förderung der Biodiversität sei eigentlich Grund genug, für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur zu stimmen, so Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei. Aber: „Es ist in unserem eigenen Interesse, uns gegen Überschwemmungen zu schützen.“ Geld, das in die Wiederherstellung der Natur investiert werde, sei gut investiertes Geld: „Dort, wo Renaturierung stattfindet, bleibt das Wasser im Land.“

Denn nicht nur Überschwemmungen nach Starkregenfällen bereiten gerade der Landwirtschaft Probleme. Darauf folgen oft lange Trockenphasen ohne Regen. „Die Landwirtschaft braucht am meisten Wasser. Ohne Wasser können wir in Zukunft keine Ernährungssicherheit garantieren“, erklärte Waitz. Ohne Natur gebe es auch keine Lebensmittelproduktion. Er appelliert an seine Parlamentskolleginnen und -kollegen, für die Renaturierung zu stimmen. Der Kommissionsvorschlag zielt darauf ab, bis 2030 mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der EU sowie bis 2050 alle Ökosysteme, die einer „Renaturierung“ bedürfen, wiederherzustellen. Er wurde von den betroffenen Parlamentsausschüssen bisher abgelehnt. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei hatte die Verhandlungen zudem aus Protest verlassen. Hauptkritikpunkt ist, dass der Vorschlag der Landwirtschaft Flächen raube und damit die Ernährungssicherheit der Zukunft gefährde.

„Doode Bemde“ bedeutet auf flämisch Totholz. Davon gibt es im 250 Hektar großen Naturschutzgebiet reichlich. Der tote Baum dient Tieren und Insekten als Nahrungsquelle, Lebensraum und Brutstätte zugleich. Mehrere Wanderrouten führen durch unterschiedlichste Landschaften, oft entlang des Flusses Dyle. Naturbelassene Felder, die nur selten gemäht werden, sind ideale Lebensräume für zahlreiche Vogelarten und Insekten. Dies ist ein „konkretes Beispiel, was wir überall in Europa brauchen“, so die belgische grüne EU-Parlamentarierin Sara Mattieu.

Nicht nur Grüne fördern das Naturschutzprojekt: „Wir haben Unternehmen davon überzeugt, in die biologische Vielfalt und in unsere Projekte zu investieren“, erklärte Filip Hebbrecht, der bei Natuurpunt für die Kooperation mit Unternehmen wie der Brauerei AB INBEV zuständig ist. Die gemeinnützige Organisation Natuurpunt ist der Verwalter von mehr als 28.000 Hektar flämischer Natur in 500 verschiedenen Gebieten. Die belgische AB INBEV ist die größte Brauereigruppe der Welt – und am Umweltschutz interessiert, denn: „Ohne Wasser gibt es kein Bier.“ Das Ziel ist laut Hebbrecht, viele Unternehmen zu überzeugen, in die Natuurpunt-Projekte und damit in die Biodiversität zu investieren. Der Schutz der Umwelt und der Schutz der wirtschaftlichen Interessen müssen kein Gegensatz sein: Konzerne wie Nestlé, Unilever und IKEA hatten im Juni eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich aus wirtschaftlichen Gründen für das Renaturierungsgesetz aussprachen.

„Wir alle brauchen dieses Gesetz“, appellierte Sara Mattieu an ihre Kollegen, am Mittwoch für die Renaturierung zu stimmen. „Wir werden uns dafür einsetzen, bei der Abstimmung am Mittwoch eine Mehrheit zu erzielen“, kündigte Thomas Waitz an. (10.07.2023)

Eurobarometer untermauert EU- und Erweiterungsskepsis in Österreich

Brüssel – Die Österreicher zählen europaweit weiterhin zu den größten Skeptikern der EU und auch ihrer Erweiterung: Nur 35 Prozent sehen die EU laut der am Montag veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage insgesamt „positiv“ – im EU-Schnitt sind es ganze 45 Prozent. Nur ein knappes Drittel der Österreicher will noch mehr Staaten in die Union aufnehmen. Europaweit ist die Hälfte dafür.

Ein knappes Drittel der heimischen Befragten lehnt die Union in der Umfrage als negativ ab. Die Ablehnung ist seit dem letzten Eurobarometer nochmals um vier Prozentpunkte auf 30 Prozent gestiegen. EU-weit empfanden nur 18 Prozent der Umfrageteilnehmer die Union derart negativ.

Die österreichischen Befragten sehen auch eine enge europäische Zusammenarbeit im militärischen Bereich sehr skeptisch: Nur 56 Prozent sprachen sich in der Eurobarometer-Umfrage für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU aus. Europaweit liegt die Zustimmung mit 77 Prozent deutlich höher.

Die Bereitschaft, die Ukraine nicht nur humanitär und finanziell zu unterstützen, ist hingegen überall ungebrochen hoch: Rund zwei Drittel der Europäerinnen und Europäer und immerhin knapp die Hälfte der heimischen Befragten befürworten den Beitrittskandidatenstatus für die Ukraine. 86 Prozent der europäischen und 73 Prozent der heimischen Umfrageteilnehmer wollen weiterhin ukrainische Vertriebene aufnehmen. Militärische Hilfe für die Ukraine befürworten zwei Drittel der Europäer, aber nur 40 Prozent der Österreicher.

Insgesamt blicken die Befragten optimistischer in die Zukunft: Die eigene Lebenssituation bezeichneten mehr Befragte als „gut“ als in der Umfrage vier Monate zuvor. Hier sind die Österreicher mit 51 Prozent positiver als der EU-Durchschnitt mit 40 Prozent. Rund ein Drittel aller Befragten erwartet eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den kommenden zwölf Monaten; die restlichen erwarten sich eine bessere oder stabile Lage.

Die größten Sorgen bereiten den Europäern und den Österreichern nach wie vor steigende Preise und Lebenserhaltungskosten: 61 Prozent der österreichischen Befragten sieht sie als größtes Problem im eigenen Land. Dies sehen 45 Prozent der europäischen Nachbarn ebenso. In Österreich folgen dann gleichauf der Klimawandel und die Migration mit je 21 Prozent. In der Rangliste der europaweit drängendsten Themen liegt die Inflation (27 Prozent EU-weit und Österreich) vor der „internen Situation“ (25 bzw. 24 Prozent) und der Immigration (24 bzw. 23 Prozent).

Das „Frühjahr 2023 – Standard-Eurobarometer“ (EB 99) wurde vom 31. Mai bis zum 21. Juni 2023 in den 27 EU-Mitgliedstaaten durchgeführt. In der EU wurden 26.425 EU-Bürger befragt. (10.07.2023)

Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl der APA-Europaberichterstattung. Die redaktionelle Verantwortung für die Veröffentlichung liegt bei der APA. Sie wird montags und donnerstags veröffentlicht.