Am Dienstag einigten sich die EU-Energieminister offiziell auf einen Plan zur Einsparung von Gas. Ungarn war als einziges EU-Land dagegen. Der Plan sieht eine freiwillige Reduzierung des Gasverbrauchs der Mitgliedstaaten um 15 Prozent zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. März 2023 vor, sowie einen Mechanismus, der im Falle einer weit verbreiteten Gasknappheit einen EU-weiten Alarm auslöst, um verbindliche Einsparungsziele umzusetzen.
Mit der Einigung werden die strengen Vorgaben eines ersten Entwurfs der EU-Kommission deutlich abgeschwächt. Der Plan sieht deutlich mehr Ausnahmeregelungen von den Maßnahmen vor, außerdem wurde die Schwelle für die Einführung verbindlicher Einsparziele angehoben. Ausnahmen können von Staaten beantragt werden, die nachweisen können, dass sie über Exportkapazitäten verfügen oder ihre Infrastruktur zur Umleitung von Gas in andere Mitgliedstaaten nutzen. Eine weitere Möglichkeit für Ausnahmen besteht für Staaten, die ihre Speicherziele überschritten haben.
Ein EU-weiter Alarm für die Gasversorgung kann ausgerufen werden, wenn ein Vorschlag der Kommission von den 27 EU-Mitgliedstaaten unterstützt wird oder mindestens fünf EU-Mitgliedstaaten Alarm schlagen. Der Rechtstext des Plans sieht jedoch vor, dass nur der Rat der Europäischen Union, der die Mitgliedstaaten vertritt, verbindliche Einsparziele durchsetzen kann, und nicht, wie ursprünglich vorgeschlagen, die EU-Kommission.
Der Gas-Notfallplan muss noch durch ein schriftliches Verfahren offiziell bestätigt werden. Die tschechische Ratspräsidentschaft erklärte am Dienstag, dass dies in den kommenden Tagen geschehe.
Ein maßgeschneiderter Plan für Deutschland?
Von Rom bis Warschau (98 Prozent Speicherfüllstand) herrscht die weitverbreitete Meinung, dass der EU Gas-Plan auf das von russischem Gas stark abhängige Deutschland zugeschnitten sei. Kritiker sagen, Berlin habe es versäumt, seine Energieversorgung zu diversifizieren, und verfüge über geringere Gasspeicher (65 Prozent) als die meisten anderen EU-Länder. Es wird erwartet, dass Deutschland seinen Bedarf um mehr als 10,3 Milliarden Kubikmeter senken wird. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck lobte die Einigung über den Gasplan als ein „starkes Zeichen gegen alle Spötter und gegen alle Verächter“ der EU.
Die größten Produktionsländer Europas, Deutschland und Italien, haben beide einen hohen Gasbedarf. Dem ursprünglichen Plan der EU-Kommission zufolge, hätte Italien seinen Verbrauch um 8,3 Milliarden Kubikmeter Gas senken müssen. Um seine Abhängigkeit von russischem Gas generell zu verringern, hat Italien vorausschauend bereits viele Ressourcen in die Diversifizierung seiner Energieversorgung investiert.
Rom kann seine Exportkapazitäten nachweisen, und seine Infrastruktur wird für die Umleitung von Gas in andere Mitgliedstaaten genutzt. Da Italiens Speicherfüllstand die 70-Prozent-Marke überschritten hat, wird es voraussichtlich eine Ausnahme vom Gasnotfallplan erhalten und kann die damit einhergehenden Gaseinsparungen von den anfänglichen 15 Prozent auf 7 Prozent reduzieren.
Eine Reihe von Ausnahmen
Zusammen mit Portugal, Polen und anderen EU-Mitgliedern gehörte Spanien zu den Ländern, die sich vehement gegen den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission gewehrt hatten.
„Anders als andere Länder, haben wir Spanier nicht auf zu großem Fuß gelebt, wenn es um den Energieverbrauch geht.“
sagte die spanische Ministerin für den ökologischen Wandel Teresa Ribera im Vorfeld.
Spanien und Portugal erhielten außerdem Ausnahmeregelungen von verbindlichen Maßnahmen zur Einsparung von Gas, im Rahmen der Befreiung von Mitgliedstaaten, die begrenzte Überlandverbindungen zum Rest der EU haben.
Spaniens gut etablierte nationale LNG-Struktur ermöglicht es dem Land, Gas in andere Länder zu transferieren. „Wir haben die Möglichkeit, diese Kapazität zum Nutzen aller zu stärken, indem wir kostspielige und komplexe Infrastrukturen für alle zugänglich machen. Anspruchsvolle Infrastrukturen, die nicht in ein paar Monaten gebaut werden können“, sagte Teresa Ribera, Vizepräsidentin der Regierung und Ministerin für den ökologischen Übergang. Spanien lobte den Kompromiss und erklärte, es werde seinen Verbrauch im Notfall um 7 bis 8 Prozent senken – allerdings freiwillig und nicht auf Anweisung aus Brüssel.
Irland, Malta und Zypern gehören zu den Ländern, die automatisch eine Ausnahme erhalten, da sie ohnehin nicht an das europäische Stromnetz angeschlossen sind. Sie stellten in Frage, warum sie sich überhaupt an den europäischen Reduktionsbemühungen beteiligen sollten – selbst mit minimalen Prozentsätzen. Irland und Malta bestätigten aber, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um das Ziel zu erreichen.
Eine weitere Ausnahmeregelung gilt für die baltischen Länder, die immer noch an das russische Stromnetz angeschlossen sind: Würde Moskau Estland, Litauen und Lettland den „Strom abdrehen“, wären die drei Länder gezwungen, Gas zur Stabilisierung ihres Stroms zu verwenden, und könnten es sich nicht leisten, am Verbrauch zu sparen.
Slowenien und EU-Kommission loben Solidarität
Laut dem slowenischen Infrastrukturminister Bojan Kumer haben sich die EU-Mitgliedstaaten ganz klar dazu verpflichtet, auf freiwilliger Basis mehr zu tun und Solidarität zu zeigen. Slowenien ist sehr gut mit seinen Nachbarländern verbunden und hat aufgrund seiner geringen Größe einen sehr niedrigen Gasverbrauch. Für Slowenien ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, dass dies nicht dazu führt, dass die slowenische Wirtschaft durch die Senkung des Gasverbrauchs weniger wettbewerbsfähig wird.
Das Risiko, dass die vielen Ausnahmen verhindern, dass der Block genug Gas einspart, schmälere den Plan nicht, sagte EU-Energiekommissar Kadri Simson.
Die EU-Solidarität „funktioniert am besten, wenn wir anerkennen, dass die Umstände der Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich sind“,
sagte Simson und wischte die Bedenken bei Seite.
Initiative Offener Balkan
Die Energiekrise hat auch die westlichen Balkanländer nicht verschont. Um künftige Probleme zu vermeiden, unternehmen die Länder gemeinsame Schritte im Rahmen der Initiative Offener Balkan, einer Kooperationsplattform zwischen Albanien, Nordmazedonien und Serbien.
Serbien kündigte an, dass es mit dem Bau einer Gasverbindungsleitung zu Nordmazedonien begonnen hat, und erklärte sich bereit, dasselbe mit Albanien zu tun, wo ein LNG-Terminal im Bau sei, sagte die serbische Energieministerin Zorana Mihajlovic. Serbien wolle ein Transitland für die Region werden und Verbindungen zu Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Rumänien aufbauen.
Dieser Artikel wird freitags veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf Nachrichten der teilnehmenden Agenturen im enr.