Berlin – Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, Sozialdemokraten) hat sich beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für eine verstärkte Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern in die Türkei stark gemacht. Der Kanzler habe betont, dass es dafür «einen belastbaren Mechanismus» geben müsse, hieß es am Freitagabend nach dem etwa zweistündigen Abendessen im Kanzleramt aus deutschen Regierungskreisen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe solle nun bald Ergebnisse dazu vorlegen.
Der Migrationsforscher Gerald Knaus, der als Architekt der EU-Türkei-Vereinbarung aus dem Jahr 2016 gilt, plädiert derweil für ein erneuertes Migrationsabkommen der Europäischen Union mit der Türkei. «Deutschland ist das Hauptzielland jener, die aus der Türkei die EU erreichen», schrieb er in einem am Samstag auf der Online-Seite des Magazins «Focus» veröffentlichten Gastbeitrag. Das Versprechen der deutschen Regierung, irreguläre Migration ohne Menschenrechtsverletzungen zu reduzieren, lasse sich ohne Kooperation mit der Türkei nicht erreichen.
Knaus schlug vor, die Türkei solle «sich erneut bereit erklären offiziell ab einem neuen Stichtag schnell jeden aus Griechenland und Bulgarien zurückzunehmen, der in der Türkei ein faires Asylverfahren oder als Syrer Schutz erhalten könne, um diese irreguläre Migration legal und schnell zu reduzieren». Im Gegenzug sollten Griechenland, Deutschland und andere Staaten der Türkei wie schon 2016 die legale Aufnahme von Flüchtlingen in geordneten Verfahren zusagen. Dazu müsse die EU erneut Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen in der Türkei zur Verfügung stellen und Visaerleichterungen für türkische Bürger auf den Weg bringen. (19. November)
AfD scheitert in Karlsruhe mit Klage zu EU-Corona-Fonds
Karlsruhe – Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat eine Klage der rechtspopulistischen AfD-Bundestagsfraktion gegen die Mitwirkung von Bundesregierung und Bundestag am milliardenschweren Corona-Aufbaufonds der EU als unzulässig verworfen. Das höchste deutsche Gericht hatte vor knapp einem Jahr grünes Licht gegeben, dass Deutschland sich daran beteilige. Die AfD habe unter anderem nicht ausreichend dargelegt, inwiefern ihre Antragsbefugnis trotz dieses Urteils fortbesteht, teilte das Gericht am Freitag in Karlsruhe mit.
Es geht um das Aufbauprogramm «Next Generation EU», das EU-Staaten helfen soll, nach der Pandemie wieder auf die Beine zu kommen. Dafür macht die EU-Kommission erstmals im großen Stil Schulden. Es geht bis zum Jahr 2026 um ein Volumen von 750 Milliarden Euro zu Preisen von 2018. Einen Teil des Geldes bekommen die Länder als Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen, den Rest als Darlehen. Ende 2058 sollen die Schulden spätestens beglichen sein. Die größten Summen gehen an besonders hart getroffene Länder wie Italien und Spanien.
Gegen die Beteiligung Deutschlands hatte unter anderem ein Bündnis um AfD-Gründer Bernd Lucke geklagt. Am 6. Dezember 2022 verkündete der Zweite Senat, dass er keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken habe. Der sogenannte Eigenmittelbeschluss 2020 stelle jedenfalls keine offensichtliche Überschreitung des geltenden Integrationsprogramms der Europäischen Union dar. Auch beeinträchtige er nicht die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages. (17. November)
EU-Hilfen für Ukraine: Bauindustrie fürchtet Nachteile für EU-Firmen
Brüssel – Ohne Auflagen für die milliardenschweren Ukraine-Hilfen der EU befürchtet die heimische Bauindustrie Nachteile für europäische Unternehmen. Die deutsche und europäische Bauindustrie fordert, dass aus Ukraine-Hilfen finanzierte Ausschreibungen für Wiederaufbauprojekte nur für Unternehmen aus der EU sowie aus Staaten, die ebenfalls Hilfen bereitstellen, zugänglich sind, wie Alexander Tesche vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sagte.
Der Verband teilte mit, dass etwa türkische oder indische Unternehmen beim Wiederaufbau der Ukraine Zuschläge bekommen könnten, weil sie in der Lage seien, deutlich günstigere Angebote abzugeben. Das liege etwa daran, dass sie nicht die Sozial- und Umweltstandards der EU umsetzten. Es sei wichtig, dass Gelder etwa nach Aspekten wie Qualität oder sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit vergeben würden.
Die EU-Kommission hatte im Sommer vorgeschlagen, für die Unterstützung der Ukraine in den kommenden Jahren weitere Milliarden unter anderem für den Wiederaufbau des Landes bereitzustellen. Konkret sollen für den Zeitraum 2024 bis 2027 mit bis zu 50 Milliarden Euro für Zuschüsse und Darlehen zusammenkommen. (17. November)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl der dpa-Europaberichterstattung. Die redaktionelle Verantwortung für die Veröffentlichung liegt bei der dpa.