Wien – Die EU-Datenschutzverordnung lässt eine Nutzung der Social-Media-App TikTok eigentlich nicht zu. Dies betonte der österreichische Datenschutzexperte Max Schrems im APA-Gespräch. Schrems verwies darauf, dass von China auf die TikTok-Nutzerdaten zugegriffen werden könne und das dortige Datenschutzniveau nicht dem europäischen entspreche. Politiker, die ein TikTok-Verbot forderten, müssten somit „nur lesen, was im Gesetz steht. Dann darf man das einfach nicht am Handy haben.“
Schrems kritisierte in diesem Zusammenhang das „massive Vollzugsdefizit“ in Sachen Datenschutz. So habe etwa der Europäische Gerichtshof in der Frage der Datenweitergabe an die USA schon zwei Mal abschlägig entschieden, doch habe dies keine Konsequenzen gehabt und es gebe auch keine proaktive Durchsetzung der EU-Datenschutzregeln durch die Mitgliedsstaaten. Schon seit dem Jahr 1995 gebe es die Regel, dass Daten nicht aus der EU weitergeschickt werden dürfen, „außer es gibt Garantien, dass sie sicher sind“. Im Fall Chinas sei das nicht anzunehmen. „Neu ist, dass die USA das Problem haben, dass Daten abgehen“, sagte Schrems mit Blick auf die TikTok-Debatte.
Die Forderungen nach einem TikTok-Verbot schrieb Schrems einem „Hype“ zu. Während er von den Behörden eine Einhaltung der Datenschutzbestimmungen erwartet, will er privaten Nutzern nicht direkt von TikTok abraten. „Die Datenschutzverordnung erlaubt es auch, sich nackt auf den Hauptplatz zu stellen und ein Foto zu machen“, zog der mit Klagen gegen den Social-Media-Riesen Facebook bekannt gewordene Wiener Jurist einen plastischen Vergleich.
Gleichwohl sieht Schrems einen Unterschied zwischen Washington und Peking. Während man nämlich bei China kaum wisse, was es tue, seien die Datenspionage-Aktivitäten der USA bekannt. Die US-Behörden würden dabei sogar Datenbanken zukaufen, etwa von Koran-Händlern, um gezielte Tötungen mit Drohnenangriffen durchzuführen. Entsprechend sind auch die Beteuerungen von TikTok und der chinesischen Regierung zu bewerten, man greife nicht auf Nutzerdaten zu. „Presseaussendungen sind geduldig“, so Schrems unter Verweis auf ähnliche Aussagen von US-Seite.
Langfristig brauche es daher ein „No-Spy-Abkommen zumindest in den demokratischen Ländern“, so Schrems. Er kritisierte, dass das US-Datenschutzrecht nur für amerikanische Bürger gelte, nicht aber für Ausländer. Grundsätzlich müsse Europa daran arbeiten, die Souveränität über ihre digitale Infrastruktur zu erlangen. Das sei ein größeres Thema als Schutzstandards einzelner Apps, so Schrems, der selbst kein TikTok-Nutzer ist, weil er mittlerweile „zu alt“ für solche Anwendungen sei.
Technische Lösungen zum Schutz von TikTok-Nutzerdaten im Westen hält Schrems für machbar. Es sei nämlich durchaus möglich, einen Zugriff aus China technisch auszuschließen, selbst wenn weiterhin die vom chinesischen Unternehmen ByteDance programmierte App benutzt wird. Allerdings sei dies etwas anderes als der von TikTok betonte Speicherplatz. Im Konflikt mit den US-Behörden weist das Unternehmen nämlich darauf hin, dass US-Nutzerdaten auch in US-Clouds gespeichert werden. Hier werde es „haarig“, so Schrems. Schließlich sage der Speicherort nichts darüber aus, von wo auf die Daten zugegriffen werden könne. Tatsächlich ermöglichen die TikTok-Geschäftsbedingungen aber einen Zugriff aus China, so Schrems.
Optimistisch äußerte sich Schrems, was die Anfang Jänner vom Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) verfügte Mega-Strafe gegen die Facebook-Mutter Meta betrifft. Das Verfahren werde zwar „noch relativ lange dauern“, weil Meta versuchen dürfte, die Klage „mit 19 Verfahren in Rechtsstreiten zu ertränken“. „Langfristig sind die Chancen aber null“, betonte der Gründer der Datenschutz-NGO noyb. Der Nutzen für Meta liege darin, dass es angesichts der derzeitigen Inflation durch jedes Jahr Rechtsstreit „zehn Prozent“ gewinne. noyb werde aber nicht die Luft ausgehen, versicherte Schrems. EDSA hatte Meta zu einer Strafe von 320 Millionen Euro verdonnert, weil es die Einwilligung zur DSGVO umgangen hat. Laut der Entscheidung muss Meta künftig eine „Ja/Nein“-Option für personalisierte Werbung anbieten. (23. März 2023)
Van der Bellen warb in Nordmazedonien für Verfassungsänderungen
Skopje – Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei einem Besuch in Nordmazedonien für weitere Anstrengungen im EU-Beitrittsprozess geworben. Damit der Erweiterungsprozess fortschreiten könne, sei „jetzt ein sichtbares Zeichen“ in Form der mit Bulgarien vereinbarten Verfassungsänderung notwendig, sagte Van der Bellen bei einem Treffen mit Präsident Stevo Pendarovski in Skopje. Nordmazedonien sei „auf dem richtigen Weg“ und Österreich werde das Land dabei voll unterstützen.
Pendarovski zeigte sich zuversichtlich, dass die Verfassungsänderung in den kommenden Monaten umgesetzt werde. Die bulgarische Minderheit sei keine Gefahr für den europäischen Weg Nordmazedoniens, sagte er bei der gemeinsamen Pressekonferenz, „der Staat wird sicher nicht auseinanderfallen“.
Die Sorgen im Land, dass nach der Erfüllung der geforderten Reform im EU-Beitrittsprozess weitere Bedingungen von Bulgarien oder einem andere EU-Mitgliedstaat gestellt werden könnten, konnte er jedoch nicht zerstreuen. Vor der Namensänderung habe Konsens geherrscht, dass es keine weiteren Bedingungen geben werde, so Pendarovski. „Die EU darf nicht zulassen, dass weitere Fragen von Mitgliedstaaten problematisiert werden und dadurch unsere Annäherung blockiert wird“, forderte er. Die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union stehe dabei auf dem Spiel.
Die um sich greifende Frustration über schwierigen Weg des Landes Richtung EU sei verständlich. „Aber verlieren Sie das Ziel nicht aus den Augen“, mahnte Van der Bellen. Es sei wichtig, „jetzt nach vorne zu sehen – und nicht, wie manche, zurück – in eine gemeinsame europäische Zukunft.“ Österreich wisse aus eigener Erfahrung, „dass der Umgang mit nationalen Minderheiten oft politisch heikel ist und für Spannungen sorgen kann“, so der Bundespräsident und lobte Nordmazedonien als „Vorbild in der Region betreffend Minderheitenschutz“.
Die Verfassungsänderung zur Anerkennung der bulgarischen Minderheit im Land ist eine von Bulgarien durch eine Blockade erzwungene Voraussetzung für Fortschritte Nordmazedoniens im EU-Beitrittsprozess. Bisher fehlt der von den Sozialdemokraten (SDSM) geführten Regierung in Skopje jedoch die dafür notwendige Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Die nationalkonservative Oppositionspartei VMRO-DPMNE lehnt die Änderung ab und verlangt vorgezogene Neuwahlen. Im kommenden Jahr stehen turnusgemäß Parlamentswahlen an.
Bei einer Rede im Parlament in Skopje appellierte Van der Bellen daher am Mittwoch auch an die Abgeordneten „die entsprechenden Schritte zu setzen“, um die Wegstrecke Richtung EU schnellstmöglich zurückzulegen. An die Opposition gewandt warnte Van der Bellen vor der „Verlockung“, alle Mittel einzusetzen, damit die gewählte Mehrheit ihre Vorstellungen nicht umsetzen kann. „Und ich möchte hier deutlich sagen, ich glaube nicht, dass es realistisch ist, die Vereinbarung von 2021 noch einmal zu verhandeln“.
In Bezug auf Sorgen um den Erhalt der eigenen mazedonischen Sprache und Identität verwies Van der Bellen auf ähnlich Bedenken Österreichs bei seinem EU-Beitritt 1995. „Seien Sie unbesorgt: Mazedonisch ist und bleibt weiterhin Ihre Sprache“, betonte er.
Angesichts der geopolitischen Lage sei es „gerade jetzt besonders wichtig, die Länder der Region noch rascher eng an die EU anzubinden“, betonte Van der Bellen und begrüßte es, dass sich Nordmazedonien den Russland-Sanktionen der EU angeschlossen hat. Der Bundespräsident lobte auch die „wichtige Rolle“ des Landes für den weiteren Ausbau der regionalen Zusammenarbeit, wie bei den Verhandlungen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien.
Die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Nordmazedonien lobte Van der Bellen als „exzellent“. Auch die wirtschaftlichen Kontakte seien „ausgezeichnet“, so der Bundespräsident und verwies darauf, dass Österreich bei den Auslandsinvestitionen in Nordmazedonien an erster Stelle liege. „Aber auch das kann man natürlich immer noch weiter ausbauen“, sagte Van der Bellen, der mit einer Wirtschaftsdelegation von rund 25 heimischen Unternehmen angereist war.
Begleitet wurde Van der Bellen bei seinem Besuch auch von Justizministerin Alma Zadić (Grüne), die bei der Gelegenheit am Mittwoch mit ihrem Amtskollegen Krenar Lloga eine Erklärung zur verstärkten Zusammenarbeit im Justizbereich unterzeichnete. Eine ähnliche Vereinbarung zur Kooperation bei der Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit hatte sie am Montag bereits mit Albanien unterzeichnet.
Am Nachmittag stand noch ein Gespräch des Bundespräsidenten mit Regierungschef Dimitar Kovačevski sowie die Eröffnung eines Wirtschaftsforums am Programm.
Die EU-Annäherung Nordmazedoniens stockt seit fast zwei Jahrzehnten aufgrund von Blockaden durch EU-Mitgliedstaaten. Das Balkanland ist bereits seit 2005 EU-Beitrittskandidat. Jedoch blockierte zunächst Griechenland jahrelang eine Annäherung wegen eines Streit über den Staatsnamen. Um diesen beizulegen, änderte das frühere Mazedonien 2019 sogar seinen Staatsnamen.
Nachdem auch Bedenken anderer EU-Staaten wie von Frankreich und den Niederlanden ausgeräumt waren, legte sich Bulgarien quer. Die Vereinbarung im vergangenen Jahr ermöglichte im Juli endlich die offizielle Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU. Konkrete Beitrittskapitel werden erst nach der Anerkennung der bulgarischen Minderheit in der nordmazedonischen Verfassung eröffnet. (29. März 2023)
Nehammer begann Besuchsreigen im Norden Europas
Stockholm – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Donnerstag seinen Besuchsreigen im europäischen Norden begonnen. Am Vormittag trifft er seinen schwedischen Amtskollegen, Ministerpräsident Ulf Kristersson von der konservativen Moderaten Sammlungspartei, in Stockholm. Auf der Agenda stehen neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auch der Umgang mit Flüchtlingen in Europa. Tags darauf reist der Kanzler weiter nach Dänemark, um sich dort speziell das Sozialleistungssystem anzuschauen.
Nehammer erhofft sich durch die Reise in den Norden, sich auch Inspirationen für seine eigene Politik zu holen. In seiner Kanzlerrede hatte er angekündigt, für Österreich ein Modell zu erarbeiten, in dem voller Anspruch auf Sozialleistungen erst ab fünf Jahren Aufenthaltsdauer möglich sein soll. Wie dieses Vorhaben konkret ausgestaltet werden soll, ist aber noch offen. Konkret geht es um die Frage, welche Sozialleistungen überhaupt davon betroffen sein sollen. Eine politische Hürde für die Pläne wird wohl der Koalitionspartner der ÖVP, die Grünen, darstellen.
Dies wird vor allem Thema beim Treffen mit der dänischen Premierministerin Mette Frederiksen, einer Sozialdemokratin, am Freitag sein. In Dänemark muss man in den letzten zehn Jahren mindestens neun Jahre legal im Land gelebt haben, um Sozialleistungen in voller Höhe in Anspruch nehmen zu können. Ansonsten gibt es nur die Hälfte. Aber auch in Migrationsfragen will Österreich mit Dänemark enger zusammenarbeiten. So hatte sich der nördliche EU-Staat zuletzt auch für einen Ausbau des Grenzschutzes an den Außengrenzen der Union stark gemacht und das europäische Asylsystem als „kaputt“ bezeichnet. Dänemark führt ebenfalls – seit 2016 – bilaterale Grenzkontrollen durch.
In Schweden wird der Bundeskanzler am Donnerstag auch Wirtschaftstermine wahrnehmen. Er besucht unter anderem das Energieunternehmen Stockholm Exergi. Dabei handelt es sich um eines der ersten Unternehmen, das ein Modell für den Übergang von reduzierten Kohlendioxid-Emissionen zu negativen Emissionen entwickelt hat. Weiters wird sich der Bundeskanzler mit dem Präsidenten von „Business Europa“ sowie einer Gruppe hochrangiger CEOs austauschen. Unter den skandinavischen Ländern ist Schweden der wichtigste Handelspartner. (30. März 2023)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl der APA-Europaberichterstattung. Die redaktionelle Verantwortung für die Veröffentlichung liegt bei der APA. Sie wird montags und donnerstags veröffentlicht.