Polen wird am 1. Januar 2025 die rotierende Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union übernehmen. Bis Juni 2025 wird das Land den Rat unter dem Motto „Sicherheit, Europa!“ leiten.
Die Schwerpunkte, die Warschau in seinem Mandat setzen möchte, drehen sich alle um das Konzept der Sicherheit, und zwar in jedem Sinne des Wortes: äußere, innere, Informations-, Wirtschafts-, Energie-, Lebensmittel- und Gesundheitssicherheit.
Der polnische Ministerpräsident und ehemalige Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk erklärte, dass Warschau den 27 EU-Mitgliedstaaten in einer schwierigen Zeit vorstehen werde. In diesem Zusammenhang erinnerte er insbesondere an die Krisen in der Ukraine, im Nahen Osten und an die Entwicklungen in Georgien.
Bei der Vorstellung der Schwerpunkte des Ratsvorsitzes in der vergangenen Woche erklärte die Leiterin der Ständigen Vertretung Polens bei der EU, Agnieszka Bartol, dass sich der Ratsvorsitz auch auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen konzentrieren wolle. Dies gelte insbesondere für Bereiche wie die Energiepreise, wobei der Fokus auf Energiesicherheit und Bürokratieabbau liege.
Der Leiter der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, sagte Anfang des Monats, dass die EU drei Fehler in Bezug auf Wirtschaft und Energie gemacht habe: Sie habe sich von Russland abhängig gemacht, die Atomkraft aufgegeben und sich von China im Bereich der grünen Technologien überholen lassen.
Birol verwies auf die von der Europäischen Kommission vorbereitete Strategie für eine saubere Industrie, die innerhalb der ersten 100 Tage ihrer neuen Amtszeit vorgelegt werden soll. Die Diskussion darüber wird folglich während der polnischen Präsidentschaft stattfinden.
In Bezug auf die EU-Erweiterung erklärte Botschafterin Bartol, dass die polnische Ratspräsidentschaft einen ausgewogenen Ansatz verfolgen wolle – insbesondere in Bezug auf den westlichen Balkan – und betonte, dass dies eine geopolitische Priorität für Polen darstelle.
Tusk macht Ukraine-Friedensgespräche zum Thema
In Vorbereitung auf die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft, hat Warschau die Situation in der Ukraine mit verschiedenen ausländischen Amtsträgern erörtert.
Premierminister Tusk sagte am Donnerstag (12. Dezember), dass er mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron die Möglichkeit der Stationierung ausländischer Truppen in der Ukraine im Falle eines Waffenstillstands besprochen habe, dass Warschau aber derzeit „keine derartigen Aktionen“ plane.
Tusk sagte Ende letzter Woche, dass die Friedensgespräche zur Beendigung des Ukraine-Kriegs „im Winter dieses Jahres“ beginnen könnten. „Unsere (EU-)Präsidentschaft wird vor allem mitverantwortlich dafür sein, wie die politische Landschaft aussehen wird, vielleicht auch, wie die Situation während der (Friedens-)Verhandlungen aussehen wird“, sagte er.
Als Mitglied des 32 Nationen umfassenden Militärbündnisses NATO (North Atlantic Treaty Organization) ist Polen ein überzeugter Unterstützer der benachbarten Ukraine und dient als wichtiges logistisches Drehkreuz für westliche Militärhilfe für Kiew.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte kürzlich, „wir brauchen Frieden in der Ukraine, um friedenserhaltende Missionen durchführen zu können“, und fügte hinzu: „Dafür muss Russland den Beschuss einstellen, was es nicht tut.” Die ehemalige estnische Ministerpräsidentin ergänzte: „Vorher haben wir nichts, worüber wir reden können. Und natürlich ist es Sache jedes einzelnen europäischen Landes zu entscheiden, ob und in welchen Prozessen es seine Truppen einsetzt.“
Es wird erwartet, dass Polen bei den Ereignissen um die Ukraine eine wichtige Rolle spielen könnte. Im Februar jährt sich der Beginn der russischen Aggression zum dritten Mal. Zu diesem Zeitpunkt ist geplant, das sechzehnte Sanktionspaket zu verabschieden, das Russland erheblich treffen dürfte.
Einzelne EU-Mitgliedstaaten bemühen sich ebenfalls, die Ukraine zu unterstützen – allerdings nicht ohne interne politische Schwierigkeiten.
Der geschäftsführende bulgarische Premierminister Dimitar Glavchev bat die bulgarische Nationalversammlung um ein ausdrückliches Mandat für seine Regierung, ein Abkommen über die Sicherheitskooperation mit der Ukraine unterzeichnen zu können, wie es der bulgarische Ministerrat am 4. Oktober beschlossen hatte.
Die Reaktionen im Parlament am 18. Dezember waren jedoch größtenteils negativ, da einige Parteien das Verfahren zur Beantragung des Mandats ablehnten, während andere sich dagegen aussprachen, dass Bulgarien Rüstungsgüter und Ressourcen mit der Ukraine teilt.
Glavchev sagte am 18. Dezember, dass er ein Abkommen über eine Sicherheitskooperation mit der Ukraine nur unterzeichnen werde, wenn die Nationalversammlung zustimmt.
EU-Mitgliedschaft der Ukraine in Sicht?
Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 gewannen die Erweiterungsbemühungen der EU an Dynamik, und die Ukraine hat seitdem deutliche Fortschritte gemacht.
Unter der belgischen EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2024 einigte sich die EU auf die offizielle Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine. Anschließend begann das so genannte Screening, ein Prozess zwischen der Europäischen Kommission und dem jeweiligen Kandidatenland, bei dem die nationale Gesetzgebung bewertet und Bereiche der Konvergenz mit der EU-Gesetzgebung – dem sogenannten Acquis – ermittelt werden.
Das Screening ist eine notwendige Voraussetzung für die Eröffnung der sogenannten Cluster, die immer mehrere Beitrittskapitel umfassen. Es ist möglich, dass dieses Screening während der polnischen Präsidentschaft abgeschlossen wird.
Die nächsten Schritte für Polen an der Spitze des Rates
Das Logo der polnischen EU-Ratspräsidentschaft, die polnische Flagge in Kombination mit den Buchstaben „E“ und „U“, steht für das Bekenntnis Polens zur Europäischen Union, seine 20-jährige Mitgliedschaft, sein Engagement in europäischen Angelegenheiten und seinen Ehrgeiz, neue Akzente in der EU-Politik zu setzen – insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit des Kontinents.
Das Logo wurde von dem berühmten polnischen Künstler Jerzy Janiszewski entworfen, der auch das Logo der 1980 gegründeten Gewerkschaftsbewegung Solidarność (Solidarität) entwarf.
Der Rat der Europäischen Union, oft auch als Rat bezeichnet, ist eines der wichtigsten Entscheidungsgremien der EU. Er vertritt die Regierungen der 27 EU-Mitgliedstaaten und setzt sich aus den Ministern der einzelnen Länder zusammen, die je nach dem zu behandelnden Politikbereich in unterschiedlichen Zusammensetzungen tagen.
Der Rat der EU ist nicht mit dem Europäischen Rat zu verwechseln, in dem die Staats- und Regierungschefs der EU zusammenkommen, um die allgemeine politische Richtung und die Prioritäten der EU festzulegen.
Alle sechs Monate übernimmt ein EU-Mitgliedstaat den Vorsitz im Rat und leitet die politischen Diskussionen. Während 2024 Belgien und Ungarn den Vorsitz innehatten, werden dies 2025 Polen und Dänemark übernehmen.
Die polnische Präsidentschaft wird am 3. Januar 2025 mit einem Konzert in Warschau eingeleitet. Auch die Treffen der Minister im Rat werden in der Hauptstadt stattfinden – 23 informelle Treffen sind in der Warschauer Zitadelle geplant. Der zweite Ort für offizielle Treffen wird das Nationalstadion sein.
Dieser Artikel wird zweimal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf den Nachrichten der am European Newsroom beteiligten Agenturen.