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Die EU hat am Dienstag endgültig grünes Licht für eine wegweisende Überarbeitung ihrer Migrations- und Asylpolitik gegeben, die härtere Grenzen und eine Aufteilung der Verantwortung unter den Mitgliedstaaten vorsieht.

Die EU-Beamten hatten sich bemüht, die Migrationsreformen vor den für Juni angesetzten Europawahlen abzuschließen. Das Thema ist politisch umstritten, insbesondere seit dem Zustrom von Migranten im Jahr 2015, der die Schwächen des Migrationssystems aufdeckte.

Das neue Regelwerk ist das Ergebnis jahrelanger, heftiger Debatten, die im April in einer spannungsgeladenen Abstimmung im Europäischen Parlament ihren Höhepunkt fanden. 

Die Überarbeitung besteht aus zehn Gesetzestexten, die von der großen Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten unterstützt wurden. Ungarn und Polen stimmten gegen das gesamte Paket und Länder wie Österreich und die Slowakei lehnten einzelne Teile ab. Die Tschechische Republik, ebenfalls Kritiker des Paktes, enthielt sich bei allen zehn Abstimmungen. 

Nach der Bestätigung durch die EU-Länder wird der neue Pakt nun im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die Mitgliedsstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, um die am Dienstag angenommenen Regeln in die Praxis umzusetzen. Die Europäische Kommission wird bald einen gemeinsamen Umsetzungsplan vorlegen, um die Mitgliedstaaten bei diesem Prozess zu unterstützen, so die belgische EU-Ratspräsidentschaft.

Die neuen Gesetze sehen vor, dass alle 27 EU-Mitgliedstaaten einen Teil der Verantwortung für die Bearbeitung von Asylanträgen übernehmen – auch diejenigen, die gegen die Reformen gestimmt haben –, aber das Paket verschärft auch die Regeln für Antragsteller. Es sieht die Einrichtung neuer Grenzzentren vor, in denen irreguläre Migranten untergebracht werden sollen, während ihre Asylanträge geprüft werden. Die Abschiebung derjenigen, die als unzulässig eingestuft werden, soll beschleunigt werden.

„Diese neuen Regeln werden das europäische Asylsystem effektiver machen und die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten stärken,“ sagte die belgische Ministerin für Asyl und Migration, Nicole de Moor

Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, nannte die Gesetzgebung einen „Meilenstein in der Antwort der EU zur Steuerung der Migration und zur Reform des Systems“, während der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz von einer „historischen Einigung“ sprach. 

Der tschechische Premierminister Petr Fiala hingegen sagte, dass der Pakt zwar ein erster Schritt zur Bekämpfung der illegalen Migration sei, aber nicht ausreiche. Er sagte, deswegen habe die Tschechische Republik eine Gruppe mitbegründet von Ländern, die die illegale Migration stärker bekämpfen wollen.

Diese Meinung teilte auch die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, die am 6. Mai in Kopenhagen auf einer Konferenz über die Herausforderungen der Migration die aktuelle Situation der Migrantenströme nach Europa als „unhaltbar“ bezeichnete.  

Der Pakt stößt aus unterschiedlichen Gründen auf Kritik von Migrantenrechtsorganisationen, einigen nationalistischen Regierungen und Wissenschaftlern. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International argumentierte beispielsweise, dass der Pakt „zu größerem menschlichen Leid führen wird“. 

Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien erklärte in einem Interview mit der Österreichischen Presseagentur, die Reform klammere die Bekämpfung von Fluchtursachen völlig aus. 

„Auf der einen Seite wehrt man Flüchtlinge ab, auf der anderen produziert man laufend Fluchtgründe mit – siehe Folgen der Klimakrise oder Wirtschaftspolitik. Europa trägt zu Flucht und Arbeitsmigration bei“, betonte Kohlenberger.

Positiv am EU-Asyl- und Migrationspakt, der in den kommenden zwei Jahren umgesetzt werden soll, ist nach Kohlenbergers Ansicht nur, dass es die 27 Mitgliedsstaaten endlich geschafft hätten, einen Kompromiss in Sachen Migrationspolitik zu erzielen.

„Es wäre eine Bankrotterklärung der EU-Kommission gewesen, wenn es hier kein Weiterkommen gegeben hätte.“ Das würde bei der EU-Wahl im Juni den rechten Parteien in die Hände spielen.

Bei den EU-Wahlen wird mit einem starken Zulauf rechter Parteien gerechnet, die im Wahlkampf mit Forderungen nach einem harten Vorgehens gegen irreguläre Migration betonen. Die rechten Schwedendemokraten – auch Mitglied der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR) im Europäischen Parlament – wählten beispielsweise „Mein Europa baut Mauern“ als ihren Hauptslogan für die bevorstehenden Europawahlen.

Petar Volgin, ein Kandidat der rechten bulgarischen Vazrazhdane-Partei für das Europäische Parlament, sagte in einem Interview am Dienstag, dass die „Überschwemmung“ des Landes mit Migranten oder alternativ die „Zahlung exorbitanter Summen, um sie davon abzuhalten, hierher zu kommen, im Namen [des Beitritts Bulgariens zum Schengen-Raum für den Luft- und Seeverkehr]“, beendet werden müsse. Nur dann könne Bulgarien seine nationale Souveränität wiederherstellen und seine Wirtschaft stärken

Fabrice Leggeri, ehemaliger Frontex-Geschäftsführer und Dritter auf der Liste der rechten französischen Partei Rassemblement National für die Europawahlen, sagte, er betrachte die Abstimmung im Juni als „ein Referendum“. Frontex ist die für die Grenzen zuständige EU-Agentur. In einem Interview mit der portugiesischen Nachrichtenagentur LUSA wies Leggeri auch die Vorstellung zurück, Frontex sei eine „super humanitäre NGO“, und plädierte stattdessen für „Pragmatismus“ bei der Migrationssteuerung. 

Eurostat: Zahl der Asylanträge in Europa steigt 

Die Zahl der Asylanträge in Europa steigt laut der Zahlen von Eurostat. Im Jahr 2023 wurden 1.048.900 erstmalige Asylanträge verzeichnet, was einem Anstieg von 20 Prozent gegenüber 2022 (873.700) entspricht und fast die Höchstwerte von 2015 und 2016 erreicht. 

Die höchste Zahl von Asyl-Erstantragstellern im Jahr 2023 im Vergleich zur Bevölkerung der einzelnen Mitgliedstaaten wurde in Zypern verzeichnet (13 Antragsteller pro 1.000 Einwohner), gefolgt von Griechenland und Österreich (jeweils sechs Antragsteller pro 1.000 Einwohner). 

Die tunesische Küstenwache fängt kleine Boote mit Migranten ab, die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren, und schleppt sie zurück an die Küste der südtunesischen Stadt Sfax. (zu dpa «Ärger um Migrationspakt: Tunesien lehnt EU-Finanzhilfen ab»)
Die tunesische Küstenwache fängt kleine Boote mit Migranten ab, die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren, und schleppt sie zurück an die Küste der südtunesischen Stadt Sfax. Foto: Khaled Nasraoui/dpa

Mechanismus der Solidarität: Menschen aufnehmen oder zahlen 

Der Mechanismus soll die Länder entlasten, in denen viele Flüchtlinge ankommen – zum Beispiel Italien, Griechenland oder Spanien. Geplant ist, dass jährlich mindestens 30.000 Flüchtlinge aus diesen Ländern auf andere EU-Staaten umverteilt werden. Wenn die Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, müssen sie die unter Druck stehenden Länder unterstützen, zum Beispiel in Form von Geldzahlungen.

Für Slowenien zum Beispiel könnte dies bedeuten, dass das Land wahrscheinlich 126 Personen aufnehmen oder 2,8 Millionen Euro jährlich beisteuern müsste.

Die Slowakei hat ihre Unzufriedenheit mit dem neuen Mechanismus durch ihr Votum zum Ausdruck gebracht: Das Land stimmte gegen zwei Vorschläge des Zehn-Punkte-Reformpakets – gegen die Zahlung von 20.000 Euro für jeden nicht aufgenommenen Migranten und gegen die Einhaltung bestimmter Asylverpflichtungen – und enthielt sich bei acht weniger grundlegenden Vorschlägen.

„Insbesondere waren wir uns nicht einig über Dinge wie die Tatsache, dass wir 20.000 Euro zahlen müssen, wenn wir uns weigern, Migranten aufzunehmen. Aus der Sicht der Slowakei ist die Situation heute noch gut. Bei etwa 30.000 umzuverteilenden Migranten würden die Auswirkungen auf die Slowakei bei etwa sechs Millionen Euro liegen, bei einer Massenmigration wären es aber zweistellige Millionenbeträge,“ erklärte der slowakische Finanzminister Ladislav Kamenický nach der Abstimmung. 

Das größte Problem für die Slowakei sei, dass der neue Pakt keine finanzielle Obergrenze für solche Zahlungen vorsieht.

Deals mit Drittstaaten nehmen zu: 15 EU-Staaten fordern weitere Verschärfung der Regeln

Parallel zu den umfassenden Reformen intensiviert die EU ihre Vereinbarungen mit den Transit- und Herkunftsländern, um die Zahl der Ankommenden einzudämmen.

So wurden in den letzten Monaten Abkommen mit Tunesien, Mauretanien und Ägypten geschlossen. Weitere Beispiele für den Trend zur Auslagerung der Migrationspolitik in Europa sind das britische Ruanda-Modell oder das bilaterale Abkommen zwischen Italien und Albanien. Es sieht vor, dass in italienischen Gewässern gerettete Migranten nach Albanien geschickt werden, während ihre Asylanträge bearbeitet werden. Im Februar billigte das albanische Parlament einen Gesetzentwurf über eine engere Zusammenarbeit mit Italien im Bereich der Migration.  

In einem gemeinsamen Schreiben vom 15. Mai an die Europäische Kommission haben fünfzehn EU-Staaten eine weitere Verschärfung der Asylpolitik der EU gefordert, um die Überstellung von Migranten ohne Papiere in Drittländer zu erleichtern, auch wenn sie auf See gerettet werden. In dem Schreiben wird das Beispiel der 2016 mit der Türkei getroffenen Vereinbarung zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge vor dem Krieg in ihrem Heimatland angeführt. 

Die Länderkoalition wurde von der Tschechischen Republik zusammen mit Dänemark und Österreich ins Leben gerufen. Der Brief, der von 15 Innenministern unterzeichnet wurde, wurde am Mittwochabend an Brüssel überstellt, wie eine Sprecherin der Europäischen Kommission am Donnerstag bestätigte. 

Ihr zufolge wird sich die Exekutive der Union nun mit dessen Inhalt befassen. Darüber hinaus wird sie sich auch mit der Umsetzung derjenigen Rechtsvorschriften befassen, die in dem kürzlich verabschiedeten Migrationspaket enthalten sind.

Zu den Unterzeichnern gehören Bulgarien, die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Griechenland, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien und Finnland. 

Italien und Griechenland nehmen einen Großteil der Menschen auf, die die gefährliche Reise über das Mittelmeer in die EU antreten – viele von ihnen auf der Flucht vor Armut, Krieg oder Verfolgung, so die Internationale Organisation für Migration.

Experten: Outsourcing bedarf Klärung

Die Vorschläge für neue Migrations- und Asylpakte, wie zum Beispiel Drittstaatenpakte, fallen in die Zuständigkeit der nächsten EU-Exekutive, die ihr Amt nach den Europawahlen antreten wird.

Camille Le Coz, eine Expertin des Migration Policy Institute Europe, sagte, dass es „viele Fragen“ darüber gebe, wie solche Initiativen funktionieren könnten. 

Nach EU-Recht können Einwanderer nur in ein Land außerhalb der EU geschickt werden, in dem sie einen Asylantrag hätten stellen können, sofern sie eine ausreichende Verbindung zu diesem Land haben. Das schließt – vorerst – Programme wie die Vereinbarung des Vereinigten Königreichs mit Ruanda aus, die darauf abzielt, Neuankömmlinge in das afrikanische Land zu schicken. 

Le Coz sagte, es müsse noch „geklärt werden“, wie die Vorschläge für eventuelle EU-Outsourcing-Vereinbarungen funktionieren würden und „mit wem die europäischen Behörden zusammenarbeiten und welche Drittländer sie wahrscheinlich akzeptieren werden“.

Henrik Emilsson, Migrationsforscher an der Universität Malmö, stuft die Idee, das Asylverfahren außerhalb der EU abzuwickeln, ebenfalls als „politische Parole“ ein und nicht als etwas, das umgesetzt werden kann, zumindest nicht kurzfristig. Seiner Meinung nach könnten Asylzentren außerhalb der EU sogar eine Vertragsänderung erfordern.

Dieser Artikel wird wöchentlich veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf Nachrichten der teilnehmenden Agenturen im enr.