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Die Europäische Union und die Mercosur-Länder bereiten sich darauf vor, ein umstrittenes Freihandelsabkommen – das so genannte Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Staaten des Mercosur – zu ratifizieren, das seit 25 Jahren diskutiert wird.

Die Europäische Kommission scheint geneigt, das Abkommen zu unterzeichnen. Länder wie Deutschland und Spanien sprechen sich für das Abkommen aus, das insbesondere lateinamerikanischen Ländern ermöglicht, größere Mengen an Rindfleisch, Hähnchen oder Zucker zu exportieren, ohne in Europa Zölle zu zahlen.

Einige EU-Länder, allen voran Frankreich, haben sich jedoch dagegen ausgesprochen, dass das Abkommen in seiner jetzigen Form verabschiedet wird. Frankreich versucht nun, andere EU-Länder davon zu überzeugen, eine Sperrminorität zu bilden, um die Annahme des Abkommens zu verhindern.

Mit dem Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur-Block, zu dem Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gehören, soll eine der größten Freihandelszonen der Welt geschaffen werden, mit mehr als 700 Millionen Menschen. Hauptziel ist es, die Zölle zu senken und den Handel zu fördern. Bolivien, ein neues Mitglied des Mercosur, und Venezuela, das seit 2016 suspendiert ist, sind nicht Teil des EU-Mercosur Abkommens. 

Der 1999 vorgeschlagene, 2019 vereinbarte und nie ratifizierte Pakt wird von den europäischen Landwirten weiterhin abgelehnt. Sie sorgen sich um unlauteren Wettbewerb und Dumpingpreise zum Vorteil südamerikanischer Produkte. Eine weitere Kritik am Abkommen ist, dass  es keine angemessenen Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsstandards enthalte.

Die EU ist bereits ein wichtiger Markt für die Länder des Mercosur. Laut der Mercosur-Website exportierten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay im Jahr 2023 landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel im Wert von insgesamt fast 24 Milliarden Dollar (22,7 Milliarden Euro) in die EU. Dies entspricht 13,3 Prozent der Gesamtausfuhren dieser vier Länder außerhalb des Mercosur-Blocks.

Das Statistische Amt der Europäischen Union, Eurostat, schätzt die EU-Agrarimporte aus Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay auf 18,4 Milliarden Euro im Jahr 2023 (ohne Tabak und Salz). Auf diese vier Länder entfallen wertmäßig 12,6 Prozent der Einfuhren der 27 EU-Mitgliedstaaten.

Frankreich und seine Landwirte leisten Widerstand gegen das Abkommen

Die französischen Landwirte sind seit langem frustriert über sinkende Einkommen, strenge EU-Umweltvorschriften und die ihrer Meinung nach übermäßigen Forderungen der Regierung. Zu Beginn dieses Jahres kam es zu Demonstrationen mit Autobahnblockaden, woraufhin die französische Regierung breite Unterstützung zusagte.

Nach Ansicht der Landwirte würde das EU-Mercosur-Abkommen zu unlauterem Wettbewerb führen – beispielsweise durch eine Import-Flut von Fleisch aus Argentinien und Brasilien, das nicht den strengen EU-Gesundheits- und Umweltstandards unterliegen würde.

Weniger als ein Jahr nach den historischen Protesten sind die französischen Landwirte nun erneut auf die Straße gegangen.

Seit Sonntag (17. November) protestieren die Landwirte geführt von der Landwirtschaftsgewerkschaft “Fédération nationale des syndicats d’exploitants agricoles” (FNSEA). Der FNSEA-Vorsitzende Arnaud Rousseau kritisierte das Abkommen, da es nicht mit dem Pariser Klimaabkommen übereinstimme und keine gleichen Produktionsstandards garantiere.

Ein Mann fährt einen Traktor mit einem Transparent mit der Aufschrift „L’Europe, veux-tu encore de ton agriculture?“ („Europa, wollt ihr noch eure Landwirtschaft?“) während einer Demonstration im Rahmen eines nationalen Protestes gegen das EU-Mercosur-Abkommen an der Pont de l’Europe-Brücke in Straßburg. Foto: Frederick Florin/AFP

Am Dienstag (19. November) errichteten Landwirte, die von der “Coordination Rurale” (CR), einer radikalen Bauerngewerkschaft, unterstützt werden, eine Straßensperre auf der Autobahn A9 bei der südfranzösischen Stadt Le Boulou, nahe der Grenze zu Spanien,. Sie blockierten den Lkw-Verkehr, ließen aber Autos passieren, wie ein AFP-Journalist beobachtete. Die Autobahn A9 ist eine wichtige Handelsroute zwischen der iberischen Halbinsel und dem übrigen Europa.

In seltener Einstimmigkeit haben sich französische Parteien zu der breiten Opposition gegen das EU-Mercosur-Abkommen bekannt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekräftigte während seiner Südamerikareise zum Zeitpunkt der Proteste seine Ablehnung des Abkommens in derjetzigen Form.

Am Mittwoch (20. November) hob CR die Blockade an der spanischen Grenze auf, nachdem auch der französische Premierminister Michel Barnier seine Unterstützung zum Ausdruck gebracht hatte. „Ihr Premierminister kennt und respektiert die Landwirte. Ich werde alles tun, was ich kann […] um die vielen Verpflichtungen einzuhalten, die wir eingegangen sind“, so der ehemalige Landwirtschaftsminister.

Macron sagt, Frankreich ist nicht allein

Bei seiner Teilnahme am G20-Gipfel in Brasilien am 18. und 19. November erklärte Macron, dass Frankreich mit seiner Ablehnung des Abkommens nicht allein dastehe. „Im Gegensatz zu dem, was viele Leute denken, ist Frankreich nicht isoliert und mehrere Länder schließen sich uns an“, sagte der französische Präsident.

Die EU-freundliche Regierung des polnischen Premierministers Donald Tusk verabschiedete am Dienstag (26. November) eine Resolution gegen den aktuellen Entwurf des Mercosur-Abkommens. Er erklärte, Warschau werde das von der Europäischen Union und dem Mercosur-Block ausgehandelte Freihandelsabkommen „in dieser Form“ nicht akzeptieren und sich damit der von Frankreich angeführten Opposition anschließen.

Anfang November hatte das polnische Landwirtschaftsministerium „ernste Vorbehalte“ gegenüber dem aktuellen Entwurf des EU-Mercosur-Abkommens geäußert. Das Ministerium warnte, dass polnische und europäische Erzeuger „vom EU-Markt verdrängt“ werden könnten, sollte das Abkommen unterzeichnet werden. Weiterhin hieß es, dass das Abkommen die polnischen Geflügel- und Rindfleischproduzenten sowie die Zucker- und Ethanolhersteller am meisten treffen könnte.

In Rumänien hat die Allianz für Landwirtschaft und Zusammenarbeit (AAC) die Behörden des Landes aufgefordert, die Unterzeichnung des Handelsabkommens zu blockieren. AAC ist überzeugt, dass es sich negativ auf die rumänische und europäische Landwirtschaft und Landwirte auswirken werde, die die EU-Standards für die Land- und Viehwirtschaft sowie die Umweltvorschriften einhalten und Lebensmittel mit höchsten Ernährungs- und Qualitätsstandards produzieren.

Innerhalb der italienischen Regierung sind die Positionen zumAbkommen geteilt. Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, ein enger Verbündeter von Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, sagte: „Der EU-Mercosur-Vertrag ist in seiner jetzigen Form nicht akzeptabel“ und fügte hinzu: „Wir müssen überprüfen, ob die Mercosur-Staaten die gleichen Verpflichtungen einhalten, die wir unseren Landwirten in Bezug auf Umwelt und Arbeitnehmerrechte auferlegen.“

Der italienische Außenminister Antonio Tajani, dessen konservative Partei Forza Italia ebenfalls Teil von Melonis Regierungskoalition ist, äußerte sich hingegen positiver. „Wir sind grundsätzlich für das Abkommen mit dem Mercosur-Block, das bestätige ich, aber es gibt Punkte, die gelöst werden müssen, weil sie für Italien nicht ganz zufriedenstellend sind“, sagte er.

Pro-Abkommen-Länder betonen wirtschaftlichen und strategischen Wert

Während es  entschiedenen Widerstand gegen das Handelsabkommen gibt, befürworten einige EU-Länder das Abkommen mit dem Mercosur-Block.

Bei einem Treffen der EU-Handelsminister in Brüssel in der vergangenen Woche zeigte sich die spanische Handelsministerin María Amparo López Senovilla zuversichtlich, dass die bevorstehende technische Verhandlungsrunde für das Abkommen die letzte sein werde und dass bis Dezember „wesentliche Fortschritte“ erzielt werden könnten.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz forderte, das Abkommen nach jahrelangen Verhandlungen „endlich“ zu besiegeln. „Wir müssen das Mercosur-Freihandelsabkommen nach mehr als 20 Jahren endlich unter Dach und Fach bringen“, sagte er am Rande des G20-Gipfels in Brasilien.

Der portugiesische Landwirtschaftsminister José Manuel Fernandes erklärte, dass das Handelsabkommen dazu beitragen dürfte, das Handelsdefizit Portugals mit Brasilien zu verringern. Er sagte: „Ohne Mercosur haben wir ein jährliches Defizit von 500 Millionen Euro, und ich bin überzeugt, dass dieses Defizit im Agrar- und Forstsektor durch das Abkommen verringert werden kann und wird.“

Der stellvertretende bulgarische Minister für Wirtschaft und Industrie, Nikolay Pavlov, betonte, dass es für die EU besonders wichtig sei, ihre Bemühungen fortzusetzen, um die Verhandlungen mit Australien, Mexiko und dem Mercosur sowie mit den Ländern des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) abzuschließen. Nach seinen Worten sollte die EU bei den Handelsverhandlungen einen individuellen Ansatz verfolgen, der auf den wirtschaftlichen Entwicklungsstand der einzelnen Partnerländer zugeschnitten ist.

Was den Mercosur betrifft, so würde Bulgarien ein ausgewogenes Abkommen unterstützen, das die Interessen der EU-Unternehmen, insbesondere der Landwirte, schützt.

In Schweden unterstützen sowohl die rechte Regierung als auch die meisten Oppositionsparteien das Mercosur-Abkommen nachdrücklich. Der schwedische Landwirtschaftsminister Peter Kullgren ist der Ansicht, dass das Abkommen dem europäischen Agrarsektor zugute käme, da es mehr Exporte zuließe.

„Schweden wird bei diesem Treffen und in den kommenden Monaten die klarste Stimme für den Freihandel sein. Wir hoffen, dass wir weitere Länder dazu bewegen können, unseren Weg mitzugehen“, sagte der schwedische Handelsminister Benjamin Dousa vor dem Treffen der EU-Handelsminister in Brüssel letzte Woche.

Wie geht es weiter mit der EU und dem Mercosur?

Der für Handel zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis, erklärte letzte Woche, dass die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit Mercosur „Fortschritte“ machen, wollte aber keine Frist für den Abschluss des Abkommens nennen.

Die EU-Unterhändler und ihre Mercosur-Partner werden die Verhandlungen über die finalen Details des Textes im Hinblick auf das Gipfeltreffen der Mercosur-Regierungschefs am 5. und 6. Dezember in Montevideo, Uruguay, fortsetzen.


Faktencheck: Weltbank drängt darauf, Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft zu eliminieren

Eines der Hauptanliegen der Landwirte in der Europäischen Union in Bezug auf das Handelsabkommen zwischen der EU und Mercosur ist die Tatsache, dass sie strenge Umweltstandards einhalten müssen, während dies für die Länder des Mercosur-Blocks nicht gilt. Daher argumentieren die europäischen Landwirte, dass sie gegenüber den südamerikanischen Landwirten benachteiligt werden, wenn das Abkommen unterzeichnet wird.

Anfang dieses Jahres gab die Weltbank eine Pressemitteilung heraus, in der es hieß, dass bis 2030 fast ein Drittel der Treibhausgasemissionen in der globalen Landwirtschaft und im Lebensmittelsystem reduziert werden könnten. Im Mai dieses Jahres kursierten in den sozialen Medien Falschmeldungen, die behaupteten, die Weltbank habe mit den westlichen Staaten ein Abkommen zur Abschaffung der Landwirtschaft bis 2030 unterzeichnet.

Das Faktencheck-Team der Deutschen Presse-Agentur dpa hat diese Behauptungen entlarvt und erklärt, dass es bei dem Abkommen nicht um die Abschaffung der Landwirtschaft geht, sondern darum, landwirtschaftliche Prozesse zu verändern, um Emissionen zu reduzieren.

Lesen Sie den vollständigen Faktencheck auf Deutsch: https://dpa-factchecking.com/germany/240531-99-225799/ 

Dieser Artikel wird zweimal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf Nachrichten von Agenturen, die an der enr.