Kiew – Wenige Tage vor der Veröffentlichung eines EU-Fortschrittsberichts zur Ukraine hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch in Kiew die Reformen des Landes demonstrativ gelobt. «Ich muss sagen, Sie haben ausgezeichnete Fortschritte gemacht. Das ist beeindruckend, das zu sehen», sagte sie nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew. «Sie führen einen existenziellen Krieg, und gleichzeitig sind Sie dabei, Ihr Land tiefgreifend zu reformieren.»
Die Ukraine habe viele Etappenziele auf dem Weg zu dem von Kiew angestrebten Beitritt zur Europäischen Union erreicht. Von der Leyen nannte die Reform des Justizsystems, die Eindämmung des Einflusses der Oligarchen und die Bekämpfung der Geldwäsche. «Dies ist das Ergebnis harter Arbeit, und ich weiß, dass Sie dabei sind, die noch ausstehenden Reformen zu vollenden.»
Von der Leyen war am Samstagmorgen zu ihrem sechsten Besuch in der Ukraine seit dem russischen Angriff vor gut 20 Monaten eingetroffen. Am kommenden Mittwoch legt sie in Brüssel den Bericht zu den Reformfortschritten der Ukraine vor. Auf dieser Grundlage wollen dann im Dezember die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union entscheiden, ob die Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Kiew gestartet werden sollen. Die Vorstellung des Berichts sind Anlass der Reise.
Selenskyj sagte, der Besuch finde in einem «historischen Moment» statt. «Diese Entscheidung wird nicht nur für die Ukraine, sondern auch für ganz Europa eine Schlüsselrolle in der Geschichte spielen.» (4. November)
Zehntausende Geflüchtete haben zuvor in einem EU-Staat Asyl beantragt
Berlin – Ein nicht unerheblicher Teil der Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, hat zuvor bereits in einem anderen Staat der Europäischen Union einen Asylantrag gestellt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage des AfD-Abgeordneten Leif-Erik Holm hervor. Darin heißt es, 44 744 Menschen, die in den ersten neun Monaten dieses Jahres in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, hätten dies zuvor auch schon in einem anderen EU-Mitgliedstaat getan.
Im gleichen Zeitraum waren rund 251 000 Menschen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vorstellig geworden. Knapp 234 000 der von ihnen gestellten Schutzersuchen waren Erstanträge. Nach der sogenannten Dublin-Verordnung sollen Asylbewerber da registriert werden, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben. Dieses Land ist in der Regel auch für den Asylantrag zuständig. In der Praxis funktioniert das System aber nur begrenzt.
So sperrt sich beispielsweise aktuell Italien, auch unter Verweis auf die hohe Zahl der neu ankommenden Bootsmigranten, gegen die Umsetzung der Dublin-Regeln. Im ersten Halbjahr dieses Jahres gab es laut Bundesregierung lediglich neun Dublin-Überstellungen nach Italien. Gegen Abschiebungen nach Griechenland – ebenfalls ein Land mit EU-Außengrenze, in dem viele Asylbewerber ankommen – gibt es Urteile von Oberverwaltungsgerichten. Diese hatten argumentiert, dort bestehe für anerkannte Flüchtlinge das Risiko, obdachlos zu werden und in eine Situation extremer materieller Not zu geraten. Zwischen Anfang Januar und Ende September wurden insgesamt laut Bundesinnenministerium knapp 3800 Menschen nach den Dublin-Regeln in einen anderen EU-Mitgliedstaat zurückgeschickt.
Die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) müsse «endlich mehr Druck bei den Dublin-Rücküberstellungen machen», forderte Holm. Das würde weitaus mehr Entlastung schaffen als die derzeitige Diskussion über einige zusätzliche Abschiebungen pro Jahr. Die Probleme bei der Umsetzung des Dublin-Systems sind ein Grund für die aktuell laufenden Verhandlungen über eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. (4. November)
Kuss für Baerbock: Kroatiens Außenminister entschuldigt sich
Zagreb/Baku – Nach einem vom Publikum als unpassend gewerteten Kuss für die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat sich Kroatiens Außenminister Gordan Grlic Radman entschuldigt. Er sei sich nicht gleich bewusst gewesen, seine deutsche Amtskollegin mit der freundlich gemeinten Geste bei einem Europa-Kongress im Auswärtigen Amt am Donnerstag in Berlin möglicherweise in Verlegenheit gebracht zu haben. «Vielleicht war es ein unangenehmer Moment», sagte Radman nach Angaben kroatischer Medien vom Samstag am Vortag. «Wenn jemand darin etwas Schlimmes gesehen hat, dann entschuldige ich mich bei demjenigen, der das so aufgefasst hat.»
Wegen der Verspätung seines Flugzeugs habe er Baerbock erst beim «Familienfoto» mit allen EU-Kollegen gesehen, sagte Radman weiter. «Ich weiß nicht, was das Problem war. Ich habe es nicht gesehen; ich war mir dessen nicht bewusst. Wir begrüßen uns immer herzlich. Es ist ein herzlicher menschlicher Umgang unter Kollegen.» Videoaufnahmen von dem Vorfall hatten gezeigt, wie Radman versucht, Baerbock während der Aufnahme des «Familienfotos» zu küssen und wie diese sich schnell zur Seite wegdreht. Die «Bild»-Zeitung hatte zuerst darüber berichtet. Aus Baerbocks Umfeld hieß es laut «Bild», es sei ein ungelenker Versuch gewesen, sich schnell noch zu begrüßen.
Baerbock selbst wollte die Vorgänge bei einer Pressekonferenz mit ihrem Kollegen Jeyhun Bayramov in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku am Samstagabend nicht kommentieren. Auf eine entsprechende Frage einer Reporterin sagte sie nur: «Über Küssen haben wir uns heute nicht ausgetauscht.» Dem Kroaten wird unter anderem in sozialen Netzwerken vorgehalten, dass er eine deutsche Regierungspolitikerin öffentlich in Verlegenheit gebracht und sein Land beschämt habe. «Frauen gewaltsam zu küssen, nennt man doch auch Gewalt, oder?» schrieb Kroatiens frühere Ministerpräsidentin Jadranka Kosor (2009-2011) auf der Plattform X (vormals Twitter). (4. November)
Habeck will Brexit-Zölle für E-Autos aufschieben
London – Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich im Handel zwischen der EU und Großbritannien dafür ausgesprochen, Elektroautos länger von Zöllen auszunehmen. Der Grünen-Politiker sagte am Freitag nach Gesprächen mit britischen Regierungsvertretern, die nach dem Brexit vereinbarte Zollbefreiung für E-Autos laufe Ende des Jahres aus. Es sei aber noch nicht gelungen, eine eigene Batterieproduktion in der EU hochzufahren. Deswegen setze er sich genau wie die britische Seite für eine Verlängerung der Zollbefreiung um drei Jahre ein.
Er habe dies auch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen intensiv besprochen. Habeck und von der Leyen hatten am Donnerstag an einem Gipfel zur Künstlichen Intelligenz im englischen Milton Keynes teilgenommen. «Die Entscheidung muss europäisch gefällt werden. Aber ich werbe dafür, dass auch die anderen europäischen Partner sie unterstützen», sagte Habeck.
Hintergrund ist, dass wegen des britischen EU-Austritts eigentlich zum 1. Januar 2024 neue Zollregeln in Kraft treten sollen. Fahrzeuge, deren Wertschöpfung zu weniger als 45 Prozent in der EU oder Großbritannien stattgefunden hat, sollen mit einem Zoll von 10 Prozent belegt werden. Das ist mangels eigener Akku-Produktion in Großbritannien sowie der EU auf absehbare Zeit bei E-Autos aber nicht zu umgehen. Daher fürchten britische Autohersteller, auf dem wichtigen Exportmarkt EU nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. Auch die deutschen Autobauer müssen befürchten, dass beim Export nach Großbritannien künftig Zölle anfallen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hatte gefordert, die geltenden Regeln bis Ende 2026 zu verlängern. (3. November)
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