Als der Ätna jüngst ausbrach, ergoss sich ein Strom der Desinformation über das Internet. Die alte Behauptung, Vulkane stießen viel mehr Kohlendioxid (CO2) aus als menschliche Aktivitäten, verbreitete sich wieder in vielen Sprachen und zahlreichen Kanälen. Angeblich soll der Vulkan in wenigen Stunden mehr CO2 in die Erdatmosphäre freigesetzt haben als alle Menschen, die jemals gelebt haben. Dieser Versuch, die menschengemachte Erderwärmung klein zu reden, entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als großer Unsinn.

Bewertung

Die Weltbevölkerung verursacht an einem Tag mehr CO2, als der Ätna in einem ganzen Jahr ausstößt.

Fakten

Schon vor vier Jahren fand diese Behauptung mit fast demselben Wortlaut viele Fans in sozialen Medien. Laut einem Faktencheck von USA Today lässt sich der Vergleich sogar bis ins Jahr 2015 zurückverfolgen.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Behauptung jedoch nicht haltbar. Während das Mauna Loa Observatorium auf einem Vulkan auf Hawaii die steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre seit Mitte des 20. Jahrhunderts dokumentiert hat, wurde in derselben Zeit weltweit keine gesteigerte vulkanische Aktivität gemessen.

Vulkane emittieren generell bei weitem nicht so viel CO2 in die Erdatmosphäre, wie die Menschheit derzeit verursacht.

Das deutsche Umweltbundesamt schlussfolgerte 2019, dass in den 10 000 Jahren vor Beginn des Industriezeitalters die atmosphärische ⁠CO2⁠-Konzentration in etwa konstant geblieben ist, während sie danach stark zunahm. Demzufolge müsse der «vulkanische CO2-Ausstoß gegenüber dem des Menschen unbedeutend sein». Der vulkanische CO2-Ausstoß entspreche demzufolge laut Daten aus 2018 zwischen 0,7 und 1,5 Prozent der menschlichen Emissionen von mehr als 41 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr.

Auf den Ätna entfallen je nach Studie bis zu 25 Millionen Tonnen pro Jahr. Das entspricht rund 0,6 Promille des menschlichen CO2-Ausstoßes. Anders ausgedrückt: Der jährliche CO2-Ausstoß des Ätna macht weniger als ein Viertel der menschengemachten Emissionen pro Tag aus.

Auch die Klimawissenschaftlerin Cathy Clerbaux von der Université libre in Brüssel (ULB), bestätigte in einem französischspraschigen Faktencheck der dpa, dass vulkanische Emissionen je nach Jahr bis zu 100 Mal geringer seien als der Kohlendioxid-Ausstoß menschlicher Aktivitäten auf der Erde. Der Vulkanologe Alain Bernard, der ebenfalls an der ULB forscht, teilt diese Einschätzung.

Bei einem der größten Vulkanausbrüche in jüngerer Zeit stieß der Mount St. Helens im Jahr 1980 binnen neun Stunden etwa 10 Millionen Tonnen CO2 aus. Auch das war noch deutlich weniger als die menschengemachten Emissionen, stellt ein Faktencheck auf Niederländisch fest: Die Menschheit produziere eine entsprechende Menge des Treibhausgases innerhalb von zweieinhalb Stunden.

Die Maßnahmen der Europäischen Union zur Eindämmung der CO2-Emissionen sind also keineswegs überflüssig, nur weil auf Sizilien ein mächtiger Vulkan ausbricht.

Foto zeigt Ätna im Jahr 2021

Das Foto aus dem aktuellen Posting zeigt übrigens nicht den jüngsten Ausbruch des Ätna. Denn am 21. Mai, als der Vulkan begann, Asche zu spucken, herrschte laut der italienischen Tageszeitung La Repubblica schlechtes Wetter. Das deckt sich mit den Wetterdaten der Stadt Bronte am Fuße des Ätna. Das verwendete Bild stammt aus einem Video aus dem Februar 2021, wie eine Bilder-Rückwärtssuche bei Google ergab.

Links

Facebook-Posting (archiviert)

Posting aus 2019 (nur archiviert)

Faktencheck USA Today (archiviert)

Artikel La Repubblica (archiviert)

Wetter in Bronte im Mai 2023 (archiviert)

BBC-Artikel aus 2021 (archiviert)

Mauna-Loa-Daten seit 1958 (archiviert)

Entwicklung vulkanischer Aktivität (archiviert)

Paper aus dem Jahr 2011 (archiviert)

Einschätzung des deutschen Umweltbundesamts (archiviert)

dpa-Faktencheck aus 2019

dpa-Faktenchecks auf Französisch und Niederländisch

Rat der EU zu Maßnahmen gegen den Klimawandel (archiviert)

Europäisches Parlament zur Bekämpfung des Klimawandels (archiviert)

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