Nachdem US-Präsident Donald Trump Zölle auf europäische Importe verhängt und mit weiteren Gebühren gedroht hat, versucht Brüssel, ein neues Handelskonzept aufzusetzen. Die EU ist derzeit dringend auf der Suche nach neuen Märkten und Verbündeten, die noch an einen fairen Handel und klare Regeln glauben.
Die Wiederwahl Trumps im November hatte die EU bereits dazu veranlasst, sich in verschiedene Richtungen umzusehen, zur Stärkung ihrer Handelsbeziehungen. Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben die EU und ihre Mitgliedstaaten dazu veranlasst, diese Bemühungen jetzt zu intensivieren.
Seit Januar ist der EU-Kalender mit Terminen zum Thema Handelsbeziehungen gut gefüllt. Wenige Tage vor Trumps Vereidigung einigte sich der Block auf eine Stärkung der Handelsbeziehungen mit Mexiko, am Tag seiner Amtseinführung nahm die EU die Verhandlungen mit Malaysia wieder auf.
Im Februar und März trafen EU-Spitzenbeamte mit den Staats- und Regierungschefs Indiens und Südafrikas zusammen, um unter anderem über Handelsthemen zu sprechen. Sie bemühten sich aktiv um engere Beziehungen zu Kanada.
Anfang April hatte die EU Gespräche über ein Handelsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgenommen. „In einer instabilen Welt sind Partnerschaften mit vertrauenswürdigen Verbündeten auf der ganzen Welt mit klar definierten Regeln zum gegenseitigen Nutzen wertvoller denn je,“ sagte ein EU-Sprecher.
Diese Ansicht hat überall in Europa an Gewicht gewonnen, seit Donald Trump Zölle auf EU-Waren angekündigt hat. Der US-Präsident sprach zunächst einen 20-prozentigen Zoll auf Einfuhren aus der EU aus und pausierte ihn dann jedoch wieder für 90 Tage. In der Zwischenzeit gelten für die meisten EU-Importe jedoch immer noch Zölle in Höhe von 10 Prozent.
Der spanische Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo schlug auf dem jüngsten Treffen von Handelsvertretern in Luxemburg vor, der Zollkrieg mit den USA solle als „Ansporn“ für die Diversifizierung der Beziehungen der EU mit anderen Partnern dienen.
Auch der tschechische Premierminister Petr Fiala betonte die Notwendigkeit, nach alternativen Märkten zu suchen. Er erwähnte den raschen Abschluss eines Freihandelsabkommens mit dem Mercosur, einem Handelsblock südamerikanischer Länder wie Brasilien, Bolivien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, oder Abkommen mit Indien oder den Ländern Südostasiens.
„Wir wollen, dass die EU dort Mauern einreißt, wo andere sie errichten,“ erklärte der schwedische Handelsminister Benjamin Dousa bereits im März gegenüber der Nachrichtenagentur TT.
Werden sich die EU und China annähern?
Auch der spanische Premierminister Pedro Sánchez sieht Chancen, insbesondere in Asien. Bei einem Besuch in China am 11. April sprach er sich für eine „Stärkung und Ausgewogenheit der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen“ zwischen China und Spanien aus. Er betonte, dass er immer deutlich gemacht habe, dass sein Land diese Beziehungen „auf der Grundlage von Balance und Gegenseitigkeit weiterentwickeln“ wolle.
„Wir wollen zu einer positiven Beziehung zwischen den USA und der EU beitragen, aber eine solide Beziehung zwischen China und der EU und zwischen China und Spanien ist notwendig,“ fügte er hinzu und sagte, es müsse ein neues Gleichgewicht im Handel geben.
Die EU hatte im Jahr 2024 ein Handelsdefizit von 304,5 Milliarden Euro mit China.
Der chinesische Präsident Xi Jinping sagte während des Besuchs, dass es in einem Handelskrieg keine Gewinner gebe und dass ein Vorgehen gegen die Welt nur zur Selbstisolierung führe.
In Brüssel erklärten EU-Quellen gegenüber der italienischen Agentur ANSA, sie bemerkten eine leichte Veränderung in Pekings Haltung. Die Kanäle zur Verbesserung der Handelsbeziehungen wurden wieder geöffnet, und für Juli wurde ein hochrangiger EU-China-Gipfel angekündigt.
Die fehlende Gleichbehandlung der Unternehmen in beiden Blöcken und die Möglichkeit einer Überschwemmung des europäischen Marktes mit chinesischen Produkten angesichts neuer Hindernisse für den Zugang zum US-Markt lassen Brüssel jedoch am Glauben zweifeln, dass Peking in naher Zukunft ein wohlwollender Partner werden könne.
EU-Länder streben verstärkten Handel mit Indien an
Auch Belgien sieht im derzeitigen Handelsklima Chancen und hält – ebenso wie die Europäische Kommission und mehrere andere Mitgliedstaaten – Indien für einen attraktiven Partner. Anfang März leitete Prinzessin Astrid von Belgien eine große Handelsmission nach Delhi und Mumbai. Pharmazeutika, Verteidigung, Diamanten, Logistik, Luft- und Raumfahrt und grüne Energie standen als Themen ganz oben auf der Tagesordnung.
„Mir scheint, dass dies der perfekte Zeitpunkt für Europa ist, um selbstbewusst Freihandelsabkommen mit neuen Partnern in der ganzen Welt zu schließen, die mehr denn je auf uns schauen,“ sagte der belgische Premierminister Bart De Wever, als die Zölle erstmals angekündigt wurden.
Der Präsident von Singapur stattete Belgien noch im selben Monat einen Staatsbesuch ab, dies war ein weiterer Beweis für Belgiens breiter aufgestellte Strategie zur Vertiefung der Beziehungen zu Asien.
Der designierte deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz schlägt ähnliche Töne an. Das globale Gleichgewicht verschiebe sich, und „wir Europäer” bräuchten sehr schnell neue Handelspartner, sagte er am Anfang des Monats.
Ein Abkommen mit Südamerika ist in Sicht
In der EU hofft man, dass die Ratifizierung des Handelsabkommens mit den südamerikanischen Ländern schnell voranschreitet und der Prozess noch dieses Jahr abgeschlossen werden kann. Eine Einigung wurde bereits im Dezember 2024 erzielt, aber um in Kraft treten zu können, müssen das Europäische Parlament sowie mindestens 15 der 27 EU-Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, zustimmen.
Noch ist ungewiss, ob es dazu kommt. Umweltgruppen haben das Abkommen heftig kritisiert, weil sie befürchten, dass es den Umweltschutz beeinträchtigen und die Abholzung der Wälder verstärken werde. Auch Landwirte haben gegen das Abkommen protestiert. Sie fürchten eine Benachteiligung, da die Produktion in den Mercosur-Ländern weniger strengen Vorschriften unterliege und daher billiger produziert werden könne.
Mehrere EU-Länder, darunter Frankreich, Polen und Österreich, haben ihre Unzufriedenheit mit dem Abkommen geäußert. Die Dringlichkeit, neue Handelspartner zu gewinnen, könnte ihre Haltung allerdings aufweichen und die Ratifizierung des Paktes erleichtern.
Brüssel befindet sich „im Dialog“ mit den zögernden Mitgliedsstaaten. Die Europäische Kommission strebt an, die rechtliche Überprüfung des Textes vor dem Ende des Sommers abzuschließen. Das würde den Weg für die Ratifizierung ebnen und die EU-Länder und das Europäische Parlament, in dem es ebenfalls viele kritische Stimmen im Blick auf den Vertragstext gibt, dazu zwingen, sich zu äußern.
Kleinere europäische Länder wollen mehr Freihandel
In einigen kleineren europäischen Ländern ist man besorgt über die Auswirkungen, die die Zölle auf die Volkswirtschaften größerer Länder wie Deutschland haben könnten, von denen sie im Handel stark abhängig sind.
Slowenien ist mit seiner eher kleinen und exportorientierten Wirtschaft traditionell hauptsächlich an die europäischen Märkte gebunden, während die USA nur der zwölftgrößte Handelspartner des Landes sind. Die slowenischen Unternehmen suchen daher nach geschäftlichen Möglichkeiten auf Drittmärkten, insbesondere im Nahen Osten und in Asien. Nach Angaben des slowenischen Statistikamtes stieg der Wert der Exporte in Nicht-EU-Länder im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent, während der Wert der Importe aus diesen Ländern um 47 Prozent zunahm.
Zdenko Lucić, Staatssekretär im kroatischen Außenministerium, sagte, dass die USA etwa 2 Prozent des kroatischen Warenhandels ausmachten. „Wir haben schon größere Krisen erlebt, wie die COVID-19-Pandemie und den Krieg in der Ukraine, und unsere Wirtschaft hat sich davon relativ schnell erholt.“
Nach Angaben des bulgarischen Ministeriums für Wirtschaft und Industrie entfällt auf die USA ein relativ kleiner, aber stetiger Anteil am Außenhandel: Es seien etwa 2,5 Prozent der Ausfuhren und 1,2 Prozent der Einfuhren.
Die Regierung des EU-Kandidaten Landes Nordmazedonien ist der Ansicht, dass jetzt ein guter Zeitpunkt sein könnte, um die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Die für Nordmazedonien eingeführten Zölle sollten kein Grund zur Panik sein und nicht negativ interpretiert werden, sagte die Finanzministerin des Landes, Gordana Dimitrieska-Kochoska, der Nachrichtenagentur MIA.
„Wir könnten dies als Chance für die mazedonische Wirtschaft nutzen, da die Regierung eine gute Kommunikation mit Washington aufgebaut hat, was sehr wichtig ist. Obwohl unser Handel mit den Vereinigten Staaten derzeit unter einem Prozent liegt, könnte dies in der kommenden Zeit als Vorteil angesehen werden.”
Bosnien-Herzegowina nimmt eine ähnliche Perspektive ein. Das Land, das ebenfalls zu den EU-Beitrittskandidaten gehört, ist im Handel stark von der EU abhängig, denn über 70 Prozent seiner Exporte und 66 Prozent seiner Importe sind an die EU gebunden. Die USA sind zwar ein kleinerer Handelspartner, vor allem bei Rüstungsgütern, aber die neuen US-Zölle haben diesem Sektor geschadet. Das hat das Land dazu veranlasst, die Aufhebung seiner eigenen Zölle zu erwägen, um den Handel zu erleichtern und sich möglicherweise um ein Freihandelsabkommen zu bemühen.
Im Fall von Irland könnten die Zölle erhebliche negative Auswirkungen haben. Im Jahr 2024 exportierte das Land Waren im Wert von 72 Milliarden Euro in die USA. Ein Großteil davon entfiel auf Arzneimittel – eine Branche, die bisher von den Zöllen ausgenommen war. US-Präsident Trump hat allerdings seine Absicht bekundet, dies ändern zu wollen.
Dieser Artikel wird zwei Mal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf den Nachrichten der am European Newsroom beteiligten Agenturen.