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Anfang Mai rief eine Freundeskreis genannte Gruppe, der neben Deutschland auch Belgien, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Slowenien und Spanien angehören, dazu auf, die Abstimmungsregeln zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU zu überarbeiten. Rumänien schloss sich der Gruppe diese Woche als jüngstes Mitglied an.

Anstelle der derzeit erforderlichen Einstimmigkeit bei wichtigen sicherheits- und außenpolitischen Entscheidungen plädiert die Gruppe für die so genannte qualifizierte Mehrheit. Dieses Abstimmungssystem erfordert die Zustimmung von 15 der 27 Mitgliedsstaaten, sofern diese mehr als 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung von rund 450 Millionen Menschen repräsentieren.

„Ziel ist es, die Wirksamkeit und Geschwindigkeit unserer außenpolitischen Entscheidungsfindung zu verbessern. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der wachsenden internationalen Herausforderungen, mit denen die EU konfrontiert ist, sind die Mitglieder der Gruppe davon überzeugt, dass die EU-Außenpolitik angepasste Prozesse und Verfahren benötigt, um die EU als außenpolitischen Akteur zu stärken“, heißt es in einem Dokument des Freundeskreises.

Dagegen hat sich eine Koalition von Ländern formiert, die für die Beibehaltung der Einstimmigkeit eintritt. Berichten zufolge gehören ihr unter anderem Polen und Ungarn an.

Geopolitischer Wandel erfordert beschleunigte Entscheidungsprozesse

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock betonte, der Freundeskreis schlage keine Revolution vor, sondern prüfe, was im Rahmen der bestehenden EU-Verträge getan werden könne, um die Außen- und Sicherheitspolitik der Union effektiver zu gestalten. Die bestehenden Verträge ermöglichen im Rahmen der so genannten Passerelle-Klauseln in bestimmten Bereichen einen Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit, unter anderem auch bei Sanktionen.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hält Änderungen an den Abstimmungsverfahren der Europäischen Union für unumgänglich. Es dürfe nicht möglich sein, dass ein einzelner Mitgliedsstaat alles aufhalte, sagte Scholz gegenüber deutschen Medien.

In einer Rede im Europäischen Parlament in Straßburg sprach Scholz auch über weiteren Reformbedarf innerhalb der EU. So seien etwa Änderungen notwendig, um zusätzliche Länder in die aus nunmehr 27 Mitgliedsstaaten bestehende Union aufzunehmen. Mehr Entscheidungen müssten mit Mehrheit statt mit Einstimmigkeit getroffen werden, erklärte er. Gleichzeitig sei das Festhalten an demokratischen Prinzipien und der Rechtsstaatlichkeit „unverzichtbar“, fügte er hinzu.

In diesem Sinne äußerte sich auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez anlässlich der offiziellen Feierlichkeiten zum Europatag am 9. Mai.  „Wir müssen uns klar für die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit entscheiden, und dabei konsequent sein. Wenn wir uns auf eine EU mit mehr als 30 Ländern zubewegen, müssen wir die Art und Weise ändern, wie wir über umzusetzende politische Maßnahmen entscheiden“, sagte Sánchez.

Mit Vorbehalt an Bord

„Um zu beobachten, was vor sich geht“, sei Slowenien vorerst Teil des Freundeskreises, sagte am Montag Samuel Žbogar, Staatssekretär im slowenischen Außenministerium. „Als kleines Land wollen wir unsere Probleme darlegen und deutlich machen, dass wir gewisse Zusicherungen brauchen, dass unsere Interessen auch zukünftig berücksichtigt werden“, fügte er hinzu.

„Ein effizienterer Entscheidungsfindungsprozess durch Anwendung der qualifizierten Mehrheit würde es der EU ermöglichen, schnell und wirksam zu handeln“, sagte der rumänische Außenminister Bogdan Aurescu. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass es für Rumänien wichtig sei, die notwendigen Mechanismen zum Schutz und zur Wahrung der nationalen Interessen zu gewährleisten.

Der italienische Minister für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit Antonio Tajani ist zwar persönlich „für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen (in der Außenpolitik, Anm. d. Red.), aber dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um dieses Thema zu behandeln“, sagte er. „Wenn überhaupt“, fügte er hinzu, könne das Thema „nach dem Ende der Ukraine-Krise und nach Abschluss der EU-Erweiterung um die westlichen Balkanstaaten“ wieder aufgegriffen werden.

Was Bosnien und Herzegowina betrifft, so ist Haris Plakalo, der Generalsekretär der dortigen Europäischen Bewegung, der Ansicht, dass die Änderung der Abstimmungsregeln das Land nicht so sehr betreffen wird. Bosnien und Herzegowina wurde im Dezember letzten Jahres der Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen, obwohl es die festgelegten Prioritäten nicht erfüllt hatte. „Wir brauchen und können uns keine Sorgen zu machen, wenn es darum geht, den Ansatz für die Entscheidungsfindung in der Außenpolitik im EU-Rat zu ändern, denn die Erweiterung der EU auf den westlichen Balkan ist in vielen Dokumenten und Strategien definiert und als eine der wichtigen Aufgaben der EU festgeschrieben“, fügte er hinzu.

Das Vetorecht beibehalten

Polens Außenminister Zbigniew Rau äußerte gegenüber polnischen Medien, dass „es eine starke Tendenz seitens der deutschen Nachbarn (…) gibt, dass diejenigen Angelegenheiten, die nach der derzeitigen Rechtslage einstimmige Entscheidungen erfordern, wie Steuerfragen und – was für uns am wichtigsten ist – Fragen der Sicherheits- und Außenpolitik, durch eine Mehrheit entschieden werden sollten. Dem können wir als Polen nicht zustimmen“.

Auch Bulgarien hält bislang an der Einstimmigkeitsregelung fest. Der amtierende Außenminister Ivan Kondov äußerte, dass es seiner Meinung nach diesbezüglich keine Änderungen geben sollte, fügte jedoch hinzu, dass sich die nächste Regierung in Sofia dieser Angelegenheit annehmen müsse. Es wird erwartet, dass Bulgarien bald eine neue rotierende Regierung bekommt, in der die ehemalige EU-Kommissarin Mariya Gabriel den Ko-Vorsitz übernehmen wird.

Sofia hat seit dem EU-Beitritt 2007 nur einmal von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht, und zwar – angesichts bestehender Meinungsverschiedenheiten mit Skopje – im Zusammenhang mit der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Bulgarien und die EU fordern, dass vor der Eröffnung der ersten Verhandlungsrunden die Verfassung Nordmazedoniens geändert wird und die bulgarische Minderheit in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik die offizielle Anerkennung erhält.

Laut Nemanja Todorović Štiplija von European Western Balkans, eine auf die Westbalkanstaaten spezialisierte Denkfabrik mit Sitz in Belgrad, wird die Debatte über die Einstimmigkeit „schon seit Jahren geführt, aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie in naher Zukunft zu einem Ergebnis kommt. Es ist wahr, dass sie eine Rolle beim Thema der Erweiterung spielt (…), aber noch größer ist ihre Bedeutung in der Situation, die wir aktuell erleben: Ungarns Widerstand gegen bestimmte Entscheidungen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“.

Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó äußerte sich „besorgt über die Debatte zur qualifizierten Mehrheitsentscheidung in der EU-Außenpolitik“ und wies darauf hin, „wie wichtig die Beibehaltung des Einstimmigkeitserfordernisses zum Schutz der nationalen Interessen ist“. Auf einer Pressekonferenz berichtete Szijjártó, dass es ein Treffen auf Botschafterebene für diejenigen Mitgliedstaaten gebe, die auch weiterhin die Möglichkeit haben wollten, ihre eigenen Interessen im Entscheidungsprozess in Brüssel zu verteidigen.

Auf die Frage, ob Kroatien an diesem Treffen teilnehme, erwiderte der kroatische Minister für Auswärtige und Europäische Angelegenheiten Gordan Grlić Radman, dass ihm diese Initiative nicht bekannt sei.

Grlić Radman erklärte, Kroatien unterstütze den Vorschlag nicht, die Beschlussfassung im Konsens in einigen Bereichen der EU-Außenpolitik durch eine qualifizierte Mehrheit zu ersetzen, da die Einstimmigkeit der einzige Mechanismus sei, der die Gleichberechtigung der kleineren Staaten sicherstelle. Er betonte jedoch: „Das bedeutet nicht, dass Kroatien nicht für die Einheit der EU ist. Im Gegenteil, wir haben bisher noch nie eine Entscheidung blockiert und waren immer ein konstruktives Mitglied“.

Vielfalt als Stärke?

Karl Nehammer, Bundeskanzler von Österreich. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer sprach sich gegen Zentralismus und für Vielfalt innerhalb der Union aus – und damit gegen mehr EU-Mehrheitsentscheidungen. Das Ringen um einen Konsens in der EU sei schwierig, aber das sichere Demokratie und Vielfalt.

Das österreichische Außenministerium äußerte sich ebenfalls skeptisch zu dem Vorschlag und erklärte, dass die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit kein Allheilmittel sei. „Allein der politische Wille ist der Schlüssel zum Erfolg. Das Ringen um Kompromisse ist das Wesen der EU. Und wenn so eine Vereinbarung einmal getroffen wurde, wird sie auch von allen getragen. Das ist ein besonderer Wert, besonders in unbeständigen Zeiten wie diesen”.

In der Vergangenheit hatten sich österreichische Spitzenpolitiker allerdings auch schon für Mehrheitsentscheidungen ausgesprochen.

Der Freundeskreis erklärte, man wolle sich mit den EU-Institutionen abstimmen und eng mit allen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, und lud andere Länder ein, sich den Reformbemühungen anzuschließen. Sollte eine einfache Mehrheit der EU-Länder – 14 von 27 Mitgliedstaaten – für die Einleitung eines Prozesses zur Reform der EU-Verträge stimmen, könnten die Verhandlungen beginnen.

Dieser Artikel wird freitags veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf Nachrichten der teilnehmenden Agenturen im enr.