Mehr Stromgewinnung aus Windkraft strebt die Europäische Kommission mit ihrem neuesten Aktionsplan zur Windenergie an. Die Nutzung des Windes sei von zentraler Bedeutung für eine saubere, erschwingliche und sichere Stromversorgung mit weniger Kohlendioxidausstoß, argumentiert die Brüsseler Behörde. Deshalb will sie die europäischen Hersteller von Windkraftanlagen unterstützen. Doch ist Windkraft wirklich so umweltfreundlich wie versprochen? In einem Facebook-Post wird behauptet, Windenergie rentiere sich kaum, weil der Bau der Anlagen viel CO2-Ausstoss verursache. Als Beleg wird ein Video angeführt, in dem ein Mann vorrechnet, wie viel Zement für den Sockel einer Windenergieanlage benötigt wird.
Bewertung
Für den Bau von Windenergieanlagen wird tatsächlich viel Zement benötigt. Bei ihrem Betrieb fallen hingegen kaum klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen an, sodass die Windenergie eine deutlich bessere CO2-Bilanz hat als andere Energieträger wie Gas, Öl oder Kohle. Der Bau einer Windenergieanlage amortisiert sich meist schon nach kurzer Zeit.
Fakten
Windenergieanlagen sind große Bauwerke, die auf einem Betonfundament stehen. Ihre Gesamthöhe (Turm, Turbine und Rotor) kann nach Angaben des Bundesverbands Windenergie 200 Meter überschreiten. Der Betonbedarf ist relevant, weil die Herstellung des darin enthaltenen Bindemittels Zement mit hohen CO2-Emissionen verbunden ist.
In dem verbreiteten Video wird angenommen, dass für das Fundament 1 500 Kubikmeter Beton benötigt werden. Das PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft gibt 1 300 Kubikmeter an, der Betonhersteller Dyckerhoff rechnet mit etwa 1 000 Kubikmetern. Die Betonmenge für das im Video thematisierte Projekt im Altdorfer Wald in Deutschland ist demnach realistisch, da dort große Anlagen in Planung sind.
Windrad produziert etwa 40-mal mehr Strom als Bau und Betrieb an Energie kosten
Ob sich Windenergie rentiert, wie im Facebook-Post infrage gestellt wird, kann allein mit den Angaben aus dem Video nicht beurteilt werden. Dazu muss verglichen werden, wie viel Strom eine Windenergieanlage produziert und wie viel sogenannte graue Energie für Bau, Unterhalt und Entsorgung der Anlage anfällt. Solche Berechnungen sind aufwendig, wie das Europäische Statistikamt Eurostat erläutert.
Eine durchschnittliche Windenergieanlage produziert nach Angaben von EnergieSchweiz während der typischen Betriebsdauer von 20 bis 25 Jahren mindestens 40-mal so viel Energie, wie an grauer Energie verbraucht wird. Bereits nach etwa einem halben Jahr hat eine Windenergieanlage so viel Energie produziert, wie für Bau, Unterhalt und Entsorgung notwendig sind. Je nach Größe und Standort von Anlagen gibt es Unterschiede. Für die Windenergie lässt sich sagen, dass große Anlagen tendenziell effizienter sind als kleinere und die Umwelt somit weniger beeinträchtigen.
Windkraft ist viel klimafreundlicher als die Nutzung fossiler Energieträger
Wie schneidet die Windenergie beim Treibhausgasausstoß im Vergleich mit anderen Energieträgern ab? Für diesen Vergleich wird in der Wissenschaft gemessen, wie viel Treibhausgase für die Produktion einer bestimmten Menge Energie ausgestoßen werden. Dazu wird die Energieproduktion in Kilowattstunden (kWh), dem Treibhausgasausstoß in CO2-Äquivalenten gegenübergestellt. CO2-Äquivalente sind eine Messeinheit, die verschiedene Treibhausgase und deren Auswirkungen auf das Klima berücksichtigt.
Bei Windenergieanlagen fallen einer Studie von 2018 zufolge 17,3 Gramm CO2-Äquivalente (g CO2e) für die Produktion von einer kWh Strom an. Darin enthalten ist wiederum die graue Energie, denn bei der eigentlich Stromproduktion gibt es bei der Windenergie keine direkten Emissionen, wie beispielsweise auch bei der Wasserkraft. Beim Treibhausgasausstoß ist die Windenergie im Vergleich mit anderen erneuerbaren Energieträgern im Mittelfeld. Die Wasserkraft ist mit 3,8 g CO2e pro kWh am nachhaltigsten, wenn der Strom direkt in Laufwasserwerken produziert und nicht zuvor in einen Speichersee gepumpt wird. Die Sonnenergie schneidet mit 41,7 g CO2e pro kWh etwas schlechter ab als die Windenergie.
Bei den nicht erneuerbaren Energieträgern schneidet die Kernenergie mit rund 15 g CO2e pro kWh ähnlich gut ab wie die Windenergie. Mit weitaus mehr Treibhausgasausstoß verbunden sind die Energieträger Erdöl (771,3 g CO2e pro kWh), Erdgas (613,7 g CO2e pro kWh) und Steinkohle (771,3 g CO2e pro kWh). Das ist wenig überraschend, da hier neben der grauen Energie die Energiegewinnung an sich – also das Verbrennen dieser fossilen Energieträger – mit Treibhausgasausstoß verbunden ist. Andere Berechnungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen.
Links
EU-Aktionsplan zur Windkraft (archiviert)
F&A der EU-Kommission (archiviert)
Facebook-Post (archiviert, Video archiviert)
Windenergie: Turm und Mast (archiviert)
Windenergiepark Altdorfer Wald (archiviert)
PT-Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft: Windkraft und Beton, 2023 (archiviert)
Dyckerhoff: Beton für den Windenergieanlagenbau 2018 (archiviert)
Berechnungsmethode Eurostat (archiviert)
Swissinfo: Zement soll grüner werden, 2021 (archiviert)
Bundesamt für Energie – Energie Schweiz: Winterstrom für die Schweiz (archiviert)
Bundesamt für Umwelt: Umweltbilanz Strommixe Schweiz 2018, 27.04.2021 (archiviert)
Deutsches Umweltbundesamt: Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger (archiviert)
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