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Jedes Jahr Ende März ist es das gleiche Spiel: Menschen sind verwirrt darüber, ob die Uhren vor- oder zurückgestellt werden. Verschlafene Gesichter, verpasste Termine, und wie jedes Jahr fragen sich Millionen Europäerinnen und Europäer von Dänemark bis Kroatien: Brauchen wir die Sommerzeit wirklich – und was soll das Ganze eigentlich?

Die Europäische Kommission hatte 2018 vorgeschlagen, die saisonale Zeitumstellung abzuschaffen, nachdem fast vier Millionen Menschen in den damals 28 Mitgliedstaaten (noch vor dem Brexit) sich in einer öffentlichen Konsultation dafür ausgesprochen hatten. 

Das Europäische Parlament stimmte der Reform im darauffolgenden Jahr zu, doch seitdem liegt das Vorhaben auf Eis – blockiert durch den Widerstand einiger EU-Staaten.

Polen, das bis Juli die rotierende Ratspräsidentschaft der EU innehat, meint, es sei höchste Zeit, das Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Ende April sollen technische Gespräche mit den Mitgliedstaaten stattfinden, um auszuloten, ob eine Einigung über die Abschaffung der Zeitumstellung möglich ist, so EU-Quellen.

Die Idee, die Uhren im Frühjahr vorzustellen, um abends eine Stunde mehr Licht zu haben, ist nicht neu. Schon während des Ersten Weltkriegs wurde sie in einigen europäischen Ländern eingeführt – allerdings nur sporadisch. Nach dem Krieg verschwand die Sommerzeit wieder, weil sie zu sehr an Kriegszeiten erinnerte. Doch während der Ölkrise in den 1970er Jahren wurde die Zeitumstellung wiederbelebt, um Energie zu sparen – und blieb uns bis heute.

In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren führten die meisten europäischen Länder die Sommerzeit ein. Die EU griff 1980 erstmals regulierend ein, um die unterschiedlichen nationalen Regeln zu koordinieren. Ziel war es, den Binnenmarkt reibungslos funktionieren zu lassen, wie der Europäische Rat auf seiner Website erklärt.

Die aktuelle Richtlinie trat 2001 in Kraft. Sie schreibt vor, dass alle Mitgliedstaaten am letzten Sonntag im März auf Sommerzeit und am letzten Sonntag im Oktober wieder auf die sogenannte Normalzeit („Winterzeit“) umstellen.

Spart die Sommerzeit wirklich Energie?

Die ursprüngliche Idee war, Energiekosten zu sparen, indem man abends eine Stunde mehr Tageslicht „gewinnt“. Doch ob das wirklich funktioniert, ist umstritten. Das deutsche Umweltbundesamt fasst es so zusammen: „Wie viel Energie durch die Umstellung auf Sommerzeit tatsächlich eingespart wird, lässt sich nicht genau beziffern, denn: Die Umstellung führt an der einen Stelle zu einem geringeren und an der anderen zu einem höheren Verbrauch.“

So werde auf der einen Seite die Tageshelligkeit während der Sommerzeit besser genutzt und damit Strom in den Abendstunden eingespart. Auf der anderen Seite werde wegen des früheren Aufstehens in den kühleren Morgenstunden im Frühjahr und Herbst mehr Heizenergie verbraucht.

Die meisten Studien kommen zu dem Schluss, dass das Einsparpotenzial verschwindend gering ist.

Schlaflos in Europa

Zudem gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass die Zeitumstellung der Gesundheit schadet – und zwar in ganz Europa, von Nord bis Süd.

„Es gibt eine Menge Beweise dafür, dass die halbjährliche Zeitumstellung schlecht für die menschliche Gesundheit, schlecht für Tiere, schlecht für den Straßenverkehr ist und kaum Vorteile bringt. Und es ist außerdem ein riesiger Aufwand“, sagte der irische EU-Abgeordnete Seán Kelly, einer der lautstärksten Befürworter der Abschaffung der Zeitumstellung.

„Ich denke, es ist an der Zeit, Tschüss zu sagen.“ 

EU-Abgeordneter Seán Kelly

Eine dänische Studie aus dem Jahr 2017 zeigte, dass in der Woche nach der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit 11 Prozent mehr Menschen an Depressionen leiden als in anderen Wochen des Jahres. „Es wurde direkt nachgewiesen, dass Menschen, die anfällig für Depressionen sind, den plötzlichen Einbruch der Dunkelheit als Auslöser empfinden können“, erklärte Jørgen Bak, Vorsitzender der Dänischen Vereinigung gegen die Sommerzeit.

Für Spanien wäre es der beste Kurs, sich an die Zeitzone zu halten, die dem geografischen Meridian am nächsten liegt – also die Winterzeit, sagte Gonzalo Pin, Koordinator der Schlaf- und Chronobiologie-Gruppe der Spanischen Gesellschaft für Kinderheilkunde. „Plötzliche Zeitumstellungen bringen unser neurohormonelles System – Cortisol, Melatonin, Serotonin und Cholesterin – erheblich aus dem Gleichgewicht“, betonte Pin.

Doch die Wissenschaft ist sich nicht einig: Die bulgarische Neurologin Dr. Diana Dechovska sagte 2022, dass der menschliche Körper durchaus anpassungsfähig sei und die Umstellung um eine Stunde im Allgemeinen nicht allzu belastend sei. 

Ein durchschnittlicher Mensch brauche fünf bis zehn Tage, um sich an die Zeitumstellung zu gewöhnen, sagte sie. Nur etwa fünf Prozent der Menschen hätten stärkere negative Reaktionen wie Schlafstörungen, Nervosität oder Konzentrationsprobleme. Ältere Menschen und Menschen mit chronischen Krankheiten seien anfälliger für diese negativen Auswirkungen, da ihre Körper weniger anpassungsfähig sind.

Wer hat an der Uhr gedreht?

Obwohl die Europäische Kommission bereits vor mehr als sechs Jahren vorgeschlagen hat, die Zeitumstellung abzuschaffen, gibt es unter den EU-Mitgliedstaaten noch keine Einigung.

Die Diskussion wurde durch eine Online-Umfrage im Sommer 2018 angestoßen, an der 4,6 Millionen Menschen teilnahmen. 84 Prozent sprachen sich darin für ein Ende der Zeitumstellung aus. 

Allerdings kam der Großteil der Antworten aus Deutschland (3,1 Millionen) und Österreich (260.000). In anderen Ländern war die Beteiligung eher mau. Die Deutschen stimmten mit klarer Mehrheit dafür, die Sommerzeit dauerhaft beizubehalten.

Die derzeitige polnische EU-Ratspräsidentschaft prüft informell, ob es möglich ist, den Vorschlag zur Abschaffung der Zeitumstellung voranzutreiben. Sie ist sich jedoch bewusst, dass der Vorschlag bisher nur begrenzte Unterstützung von den EU-Mitgliedstaaten erhalten hat.

Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte: „Wir glauben, dass eine koordinierte Lösung weiterhin erreichbar ist, und wir ermutigen zu erneuten Diskussionen.“

Polens Minister für Entwicklung und Technologie Krzysztof Paszyk sagte, die Position der Kommission sei das Ergebnis seines Gesprächs mit dem für Verkehr zuständigen EU-Kommissar Apostolos Tzitzikostas. „Wir sind uns einig, dass die Zeitumstellungen in Europa beendet werden sollten. Die polnische Ratspräsidentschaft hat volle Unterstützung für die Maßnahmen in dieser Angelegenheit“, versicherte der Minister.

Nach seiner Wiederwahl erklärte der US-Präsident Donald Trump, er wolle die Sommerzeit abschaffen, da sie „unpraktisch“ und „sehr kostspielig“ sei. Später ruderte er etwas zurück und bezeichnete es als ein „50/50-Thema.“

Der Tech-Milliardär und Trump-Verbündete Elon Musk sprang im vergangenen Monat auf diesen Zug auf und fragte seine Follower auf X, ob sie bei einer Abschaffung der Zeitumstellung eine frühere oder spätere Uhrzeit bevorzugen würden. Eine Mehrheit sprach sich für einen späteren Sonnenaufgang und Sonnenuntergang das ganze Jahr über aus.

In den EU-Mitgliedstaaten scheint jedoch eine ähnliche Begeisterung zu fehlen. Dänemark und Zypern, die nach Polen die Ratspräsidentschaft übernehmen werden, sollen dem Vernehmen nach ebenfalls kein Interesse daran haben, das Thema voranzutreiben.

In Dänemark hofft Jørgen Bak, dass Trump Europa dazu bewegen könnte, die Sommerzeit abzuschaffen.

„Ich bin überzeugt, dass, wenn die Sommerzeit in den USA abgeschafft wird, dies einen großen Einfluss darauf haben wird, ob die Menschen hier in Europa wirklich darüber nachdenken, dasselbe zu tun.“

Jørgen Bak, Vorsitzender der Dänischen Vereinigung gegen die Sommerzeit

Für eine Abschaffung müssten sich die EU-Staaten jedoch zunächst darauf einigen, ob sie die dauerhafte Sommerzeit oder die Normalzeit (Winterzeit) einführen wollen.

In Bulgarien gab es Forderungen von politischen Parteien, die Sommerzeit abzuschaffen. Die Bürgerinnen und Bürger schienen dem zuzustimmen. Daten aus einer EU-Umfrage von 2018 zeigten, dass 80 Prozent der bulgarischen Befragten ihre Erfahrungen mit der Zeitumstellung als entweder sehr negativ oder negativ bewerteten, während weniger als 20 Prozent eine positive oder sehr positive Erfahrung angaben.

In Italien hingegen gab es kürzlich eine Petition mit 350.000 Unterschriften, die forderte, die Sommerzeit dauerhaft beizubehalten. Laut der Italienischen Gesellschaft für Umweltmedizin (SIMA), einer der Organisatoren, habe die Einführung der Sommerzeit in den vergangenen zehn Jahren Einsparungen von 11,7 Milliarden kWh ermöglicht, was die Energiekosten für die Italienerinnen und Italiener um 2,2 Milliarden Euro senkte. Zudem habe es eine signifikante Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen gegeben.

In Albanien befürwortet man die Zeitumstellung, teilweise aufgrund der Tatsache, dass das kleine Balkanland rund 300 Sonnentage im Jahr genießt, was vor allem zu Einsparungen beim Stromverbrauch führt.

Andere Länder sind eher neutral: In Rumänien, das seine Umstellung auf die Sommerzeit 1997 regulierte, gibt es keine Debatte oder offizielle Initiativen, die eine Änderung fordern.

Eine Frage von Geografie und Astronomie

Während oft das Problem der mangelnden politischen Einheit innerhalb der EU im Vordergrund steht, hat diese Frage auch eine unübersehbare geografische Dimension.

Es gibt drei Zeitzonen in der Europäischen Union, von denen die größte Mitteleuropa umfasst – von Polen im Osten bis Spanien im Westen.

Würden alle Länder in dieser Zeitzone beispielsweise dauerhaft die Sommerzeit einführen, würde die Sonne im Winter in Belgien, den Niederlanden und Dänemark erst spät am Morgen  aufgehen, und in Nordwestspanien erst gegen 10 Uhr.

Würden sie hingegen die Winterzeit als permanente Zeit einführen, würde die Sonne im Osten Polens im Sommer bereits um 3 Uhr morgens aufgehen, in Berlin um 3:44 Uhr.

Andererseits würden neue Komplikationen entstehen, wenn Länder im Westen und Norden des Kontinents in die Westeuropäische Zeitzone wechseln würden, was eigentlich natürlicher wäre. In diesem Fall würden Frankreich und Deutschland in zwei verschiedene Zeitzonen fallen.

Für den Moment scheint es, dass die halbjährliche Zeitumstellung trotz aller Nachteile der beste Kompromiss bleibt.

Dieser Artikel wird zweimal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf den Nachrichten der am European Newsroom beteiligten Agenturen.