US-Präsident Donald Trump hat in seinem globalen Handelskrieg einen ersten Waffenstillstand erreicht und vergangene Woche einen „historischen“ Kompromiss mit dem Vereinigten Königreich (UK) erzielt. Am Montag einigte er sich zudem mit China auf eine Senkung der Zölle. Die Europäische Union verhandelt jedoch weiterhin, um einen transatlantischen Kompromiss zu erreichen.
Nach seiner Amtseinführung im Januar führte Trump – ein überzeugter Protektionist – sektorale Zölle von 25 Prozent auf Stahl, Aluminium und Automobile sowie universelle Zölle von 10 Prozent auf die meisten anderen US-Importe ein.
Im April setzte er Sonderabgaben auf Importe von den meisten Handelspartnern, einschließlich der Europäischen Union, für 90 Tage aus. Dies veranlasste den Block dazu , geplante Gegenzölle auszusetzen, um weitere Gespräche zu ermöglichen.
Die Europäische Kommission stellte am vergangenen Donnerstag jedoch Pläne vor, zusätzliche Zölle auf US-Importe im Wert von bis zu 95 Milliarden Euro zu erheben, falls die Verhandlungen mit Washington nicht zu einer Lösung des Handelskonflikts führen.
Eine am Donnerstag veröffentlichte Liste der betroffenen Produkte umfasst Industrie- und Agrarerzeugnisse, darunter Autos und Autoteile, Flugzeugteile, Maschinen und Treibstoffe sowie Vieh, Fleisch, frische Produkte, Schokolade, Wein und andere alkoholische Getränke.
„Die EU bleibt voll und ganz dem Ziel verpflichtet, mit den USA verhandelte Lösungen zu finden“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Europäische Automobilhersteller in der Krise
Die Autohersteller sind eine der Branchen, die am stärksten von Trumps Angriffen auf den Freihandel betroffen sind. Große Marken – insbesondere in Europas größter Volkswirtschaft, Deutschland – kämpfen mit Umsatz- und Gewinneinbußen.
Laut dem Jahresbericht des Europäischen Automobilherstellerverbands (ACEA) exportierte die EU im Jahr 2024 rund 750.000 Fahrzeuge im Wert von 39 Milliarden Euro in die USA.
Ende April schlossen sich Mercedes-Benz und die US-europäische Gruppe Stellantis, zu deren 14 Marken zum Beispiel Jeep, Peugeot, Fiat, Maserati und Opel gehören, anderen Automobilherstellern an und setzten ihre jährlichen Finanzprognosen aufgrund der Unsicherheiten über die US-Zölle aus.
Oft als „Earnings Guidance“ bezeichnet, veröffentlichen Automobilhersteller regelmäßig Informationen. Diese dienen als Anhaltspunkte oder zur Schätzung ihrer zukünftigen Einnahmen. Die Unsicherheit über die wirtschaftlichen Auswirkungen der US-Zölle führte jedoch dazu, dass sie ihre Finanzprognosen für dieses Jahr nicht veröffentlichten. Dies ist ein Beispiel für das wirtschaftliche Chaos, das durch Trumps sich schnell ändernde Handelstaktiken verursacht wurde.
Mercedes verwies auf „Volatilität in Bezug auf Zollpolitik“, die eine zuverlässige Prognose der Geschäftsentwicklung unmöglich mache.
Mercedes-Benz und Volkswagen, Europas größte Automobilhersteller, meldeten große Rückgänge ihrer Nettogewinne im Zeitraum Januar bis März – noch vor Inkrafttreten der US-Zölle. Der Nettogewinn von Mercedes sank in den ersten drei Monaten des Jahres um fast 43 Prozent auf 1,73 Milliarden Euro.
Stellantis meldete einen Rückgang seines Umsatzes im ersten Quartal um 14 Prozent auf 35,8 Milliarden Euro.
In Spanien sticht der Fall von Seat, einem der größten Unternehmen im Automobilsektor des Landes, hervor. Seat ist allerdings nicht wegen der US-Zölle unter Druck, sondern wegen der bestehenden EU-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge (EV).
Um der starken Konkurrenz aus dem chinesischen EV-Markt entgegenzuwirken, belegte die EU China mit Zöllen von bis zu 45,3 Prozent.
Im Februar erklärte Seat, dass rund 1500 Arbeitsplätze im Unternehmen und weitere 10.000 Arbeitsplätze indirekt gefährdet seien, falls die EU die Zölle auf den Cupra Tavascan, Seats in China hergestelltes Elektrofahrzeug, nicht senkt.
Der Rückgang bei der Nachfrage in ganz Europa, vor allem in Deutschland, wirkt sich auch auf Hersteller und Zulieferer von Autoteilen auf dem gesamten Kontinent aus.
Bulgarien stellt zwar keine Autos her, doch viele bulgarische Unternehmen produzieren Autoteile. Der im Frühjahr veröffentlichte Makroökonomiebericht der DSK Bank warnte vor negativen Auswirkungen im Zusammenhang mit Handelspartnern in Deutschland und Italien, die direkt von den Zöllen betroffen sind. Dies könnte zu einem Rückgang der Bestellungen für Autoteile führen.
Lyubomir Dorosiev vom bulgarischen Verband der Autoimporteure erklärte Anfang April im Gespräch mit der bulgarischen Nachrichtenagentur BTA allerdings, dass die Zölle auf in der EU hergestellte Autos gute Nachrichten für europäische Verbraucher seien. Seiner Meinung nach würden europäische Hersteller, wenn sie nicht mehr günstig in die USA exportieren könnten, nach und nach die Preise für Neuwagen in Europa senken, auch in Bulgarien.
In Nordmazedonien, einem EU-Beitrittskandidaten, zeigten sich Autozulieferer bereits besorgt über sinkende Bestellungen, wobei einige Firmen Rückgänge von bis zu 30 Prozent verzeichnen. Laut ihren Angaben erreichen die negativen Auswirkungen die lokalen Zulieferer großer Automobilhersteller mit einer leichten Verzögerung. Sie befürchten noch schwerwiegendere Folgen für die Wirtschaft des Landes, wenn die wirtschaftlichen Herausforderungen in Deutschlands Automobilindustrie anhalten.
Emissionen und Klimaziele
Die EU steht weiterhin vor einem Dilemma: Einerseits will sie Schlüsselindustrien wie den Automobilsektor angesichts des harten Wettbewerbs mit den USA und China stärken, andererseits aber auch ihre langfristigen Klimaziele erreichen.
In der vergangenen Woche gaben EU-Gesetzgeber grünes Licht für eine Verzögerung bei der Umsetzung neuer Emissionsziele für europäische Automobilhersteller. Der Block versucht so, seine Klimaziele mit der Unterstützung der angeschlagenen Industrie in Einklang zu bringen.
Ein Teil dieser Bemühungen sind gelockerte Vorschriften, um den Unternehmen mehr Spielraum zu geben. Dazu zählt eine Erleichterung, die von den EU-Abgeordneten in Straßburg mit einer Mehrheit von 458 zu 101 Stimmen genehmigt wurde:Ab diesem Jahr senkt die EU die durchschnittlich zugelassenen Kohlenstoffemissionen für Neufahrzeuge, die in der EU verkauft werden. Bei Nichteinhaltung drohen hohe Geldstrafen. Nach dem im März von Ursula von der Leyen vorgelegten Plan können Unternehmen die neuen Ziele aber auch einhalten, indem sie ihre Emissionen über drei Jahre hinweg von 2025 bis 2027 mitteln, anstatt jedes einzelne Jahr einzuhalten.
Das bedeutet, dass sie nicht bestraft werden, wenn sie das Ziel für 2025 bis zum 31. Dezember dieses Jahres nicht erreichen.
Das Vereinigte Königreich setzt mit erster Einigung ein Zeichen
Während die EU und andere von den US-Zöllen betroffene Länder weiterhin versuchen, einen Handelskompromiss mit den USA zu erzielen, ist dies Großbritannien bereits gelungen. Die USA und das Vereinigte Königreich erzielten letzte Woche einen als „historisch“ bezeichneten Kompromiss, der als gegenseitig vorteilhaftes Abkommen gefeiert wird. Demnach werden Zölle auf britische Fahrzeugimporte gesenkt und Zölle auf Stahl und Aluminium auf null reduziert.
Im Rahmen der Vereinbarung, die am Freitag von Trump und dem britischen Premierminister Keir Starmer angekündigt wurde, werden die Zölle auf 100.000 in Großbritannien hergestellte Fahrzeuge, die in die USA importiert werden, von 25 Prozent auf 10 Prozent gesenkt.
Das Abkommen stößt jedoch auf Kritik der US-Autoindustrie. Sie befürchtet, dass es inländische Hersteller benachteiligen könnte.Das American Automotive Policy Council (AAPC) warnte davor, dass die Maßnahme britischen Produzenten einen unfairen Vorteil gegenüber in den USA ansässigen Unternehmen verschaffen könnte. Das AAPC vertritt die drei größten US Autohersteller Ford, General Motors und Stellantis.
US-Autohersteller sind auf Teile aus und Produktionsstätten in Mexiko und Kanada angewiesen, die derzeit größtenteils von Zöllen im Rahmen des US-Mexiko-Kanada-Abkommens (USMCA) ausgenommen sind.
Diese Ausnahmen dürften jedoch mit der Zeit schrumpfen. Das AAPC argumentiert, dass es unter dem neuen Abkommen bald günstiger sein könnte, ein britisches Fahrzeug zu importieren als eines aus Mexiko oder Kanada. Letztere enthielten einen erheblichen Anteil an US-Teilen. Dies könnte zu Nachteilen für US-Hersteller, Zulieferer und Arbeiter führen.
Dieser Artikel wird zwei Mal pro Woche veröffentlicht. Der Inhalt basiert auf den Nachrichten der am European Newsroom beteiligten Agenturen.
