Zur Anpassung an den Klimawandel hat die Europäische Kommission bereits Anfang 2021 eine neue Strategie vorgelegt. Manche bezweifeln jedoch immer noch, dass entsprechende Maßnahmen überhaupt nötig sind. So wird in sozialen Netzwerken der Eindruck erweckt, ein Aktionsplan zum Hitzeschutz sei etwa in Deutschland unsinnig, weil es in den meisten anderen Ländern der Erde im Durchschnitt wärmer sei.

Bewertung

Der Hitzeschutz orientiert sich an den tatsächlichen und erwarteten Höchsttemperaturen, nicht an der durchschnittlichen Jahrestemperatur. Es ist also falsch, mit Durchschnittswerten gegen entsprechende Aktionspläne zu argumentieren.

Fakten

Ein Facebook-Post aus Luxemburg teilt ein Video mit einer «Liste der wärmsten Länder, sortiert nach Temperatur». In luxemburgischer Sprache heißt es dazu mit drei Lach-Emojis: «Wir werden alle sterben». In dem Video wird langsam auf einer Länder-Liste nach unten gescrollt. Dabei werden Hinweise wie «Moment noch…» oder «Kommt gleich…» eingeblendet. Schließlich erscheint auf Platz 188 der insgesamt 217 Staaten auch Deutschland im Bild. Mit einem Pfeil auf diesen Platz 188 wird (bei Sekunde 28) der Satz «Das hier macht jetzt einen Hitzeschutzplan» eingeblendet.

Liste zeigt Durchschnittstemperaturen von 217 Ländern

Auf den ersten drei Plätzen der von Wikipedia entnommenen Liste «Staaten und abhängige Gebiete nach Durchschnittstemperatur» rangieren die westafrikanischen Länder Burkina Faso, Mali und Senegal mit Durchschnittstemperaturen zwischen 30,01 und 29,63 Grad Celsius im Jahr 2021. Für Deutschland auf Platz 188 wird eine Durchschnittstemperatur von 9,49 Grad ausgewiesen. Die letzten drei Positionen 215 bis 217 werden von Russland, Kanada und Grönland mit Durchschnittstemperaturen zwischen -3,64 und -17,56 Grad ausgewiesen.

Der Verweis auf den Hitzeschutzplan bezieht sich auf die am 26. Juni 2023 vom deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mitgeteilte Ausarbeitung eines «nationalen Hitzeplans». Kommunen, Pflegeheime und Krankenhäuser sollen damit Konzepte bekommen, um beispielsweise besonders hitzeanfällige Menschen zu schützen. Dabei geht es auch um die Gestaltung von Grünanlagen, Schattenflächen oder etwa die Installation von Trinkwasserbrunnen in Städten. Einzelheiten werden erst noch ausgearbeitet. Von manchen befürchtete Lockdowns solle es aber nicht geben.

Gefährlich sind Extremtemperaturen, nicht Durchschnittswerte

Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzt die «hitzebedingte Übersterblichkeit» im vergangenen Jahr in Deutschland auf etwa 4500 Personen. Für die Frage, ob ein Hitzeschutzplan sinnvoll sein könnte, ist allerdings die mittlere Jahrestemperatur eines Landes nicht von Bedeutung. Es geht vielmehr um eine angemessene Reaktion auf tatsächliche und erwartete Höchsttemperaturen. Das deutsche Gesundheitsministerium selbst verweist auf Hitzewellen.

Die Jahresdurchschnittstemperatur wird, wie der Bundesverband Geothermie in leicht verständlicher Form erläutert, aus dem Durchschnitt der zwölf Monatsmitteltemperaturen eines Jahres errechnet. Jeder Monatsdurchschnitt wiederum wird aus dem Durchschnitt der Tagesmitteltemperaturen errechnet. Diese wiederum ergeben sich aus den zu jeder vollen Stunde gemessenen, addierten und durch 24 geteilten Temperaturwerten des Tages.

So entsteht für Deutschland – wo die Nächte kühler als die Tage und die Winter kälter als die Sommer sind – eine Jahres-Durchschnittstemperatur von 9,49 Grad. Dagegen beträgt sie 30,01 Grad in Burkina Faso – wo die Nächte nicht viel kälter als die Tage sind und die Tagestemperaturen über das Jahr hinweg nur gering schwanken.

Nicht die Durchschnittstemperaturen, sondern die Extremtemperaturen in einem Land sind bei Überlegungen zum Hitzeschutz von Bedeutung. Also die Frage, wie hoch an einzelnen Tagen Temperaturen in einem Land werden können – und wie häufig solche Extremtemperaturen auftreten können.

Auch durchschnittliche kühlere Länder kämpfen mit Rekordhitze

Im durchschnittlich so kühlen Kanada hat es im Laufe der Jahre immer wieder sommerliche Temperaturen um die 40 Grad Celsius gegeben, im Juni 2021 wurden im Ort Lytton (British Columbia) sogar 49,6 Grad gemessen. Für Deutschland liegt der Hitzerekord laut Deutschem Wetterdienst (DWD) offiziell jetzt bei 41,2 Grad, die im Juli 2019 in Duisburg und Tönisvorst gemessen wurden. Damit ist Deutschland von dem 1984 für Burkina Faso gemessenen Hitzerekord von 47,2 Grad gar nicht mehr so weit entfernt. Zur grundsätzlichen Problematik solcher Messungen nimmt der DWD in einem anderen Papier Stellung.

Nach Angaben des Umweltbundesamtes ist die durchschnittliche Jahrestemperatur in Deutschland zwischen 1881 und 2021 um 1,7 Grad gestiegen. Seit 1997 waren diesen Angaben zufolge die Sommer besonders warm. Am wärmsten war der Sommer 2003, gefolgt von den Sommern der Jahre 2018, 2019 und 2022.

Zahl der heißen Tage nimmt Messungen zufolge stetig zu

Die fünf wärmsten Jahre seit 1881 sind allesamt nach dem Jahr 2000 aufgetreten. Die Zahl der «heißen Tage» mit einer Temperatur von mehr als 30 Grad hat sich nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes seit den 1950er Jahren auf derzeit durchschnittlich neun Tage pro Jahr verdreifacht. Es wird also nicht nur wärmer in Deutschland, die Zahl der heißen Tage nimmt auch zu. Also durchaus gute Gründe, sich über Hitze Gedanken zu machen.

Links

EU-Strategie zum Klimawandel, archiviert

Postarchiviert

Videoarchiviert

Liste bei Wikipediaarchiviert

Hitzeschutzplan Gesundheitsministeriumarchiviert

dpa-Faktencheck zum Hitzeschutzplan

Plan zu Hitzewellenarchiviert

RKI zu Hitzetotenarchiviert

Berechnung Jahresdurchschnittstemperaturarchiviert

Hitzerekord Kanadaarchiviert

Hitzerekord Deutschlandarchiviert

DWD zu Mess-Problemenarchiviert

Hitzerekord Burkina Fasoarchiviert

Umweltbundesamt zu heißen Tagenarchiviert

DWD zu heißen Tagenarchiviert

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