London (dpa) – Seit dem Brexit verweigert das Vereinigte Königreich deutlich mehr Bürgern aus Deutschland und den EU-Staaten die Einreise. Wurden bis 2020 zwischen 20 und 110 Deutsche pro Jahr zunächst an britischen Grenzen abgewiesen, schnellte die Zahl nach Londons Austritt aus der EU-Zollunion und dem Binnenmarkt in die Höhe. 2021 traf es 251 Deutsche und 2022 sogar 805 – zehn Mal so viele wie 2019, dem letzten normalen Reisejahr vor der Pandemie. Das geht aus Daten des britischen Innenministeriums hervor, die die Deutsche Presse-Agentur ausgewertet hat.
Die gleiche Entwicklung ist für die gesamte EU zu beobachten. 2021 wurden etwa 16 500 EU-Bürger abgewiesen und 2022 sogar knapp 17 000 – das ist fast eine Versechsfachung im Vergleich zu 2019. Gründe für eine Ablehnung werden in den Daten nicht genannt. Aus dem britischen Innenministerium wurde aber nahegelegt, dass die Betroffenen nicht die notwendigen Dokumente vorgelegt hätten. Deutsche brauchen auch als Touristen für die Einreise ins Vereinigte Königreich mittlerweile einen Reisepass, ein Personalausweis reicht nicht aus.
Die Zahlen fassen sowohl Vorkontrollen, etwa an Häfen oder den Eurostar-Terminals in der EU, als auch Kontrollen nach Ankunft im Vereinigten Königreich zusammen. Die Statistik gibt keine Hinweise darüber, ob die zunächst abgelehnten Reisenden zu einem späteren Zeitpunkt nach Großbritannien einreisen durften.
2016 hatte eine knappe Mehrheit der Menschen im Vereinigten Königreich für den Brexit gestimmt. Ende Januar 2020 trat das Land dann aus der EU aus. Bis Ende des Jahres galt noch eine Übergangsfrist, aber seit dem 1. Januar 2021 ist Großbritannien nicht mehr Mitglied in der EU-Zollunion oder dem Binnenmarkt. Seitdem benötigen auch EU-Bürger ein Visu m, wenn sie im Land leben und arbeiten wollen. Das gilt nicht für diejenigen, die bis zum 31. Dezember 2020 eingereist waren.(21. Juli)
Baerbock: Türkei-Beziehungen nach Wahl überdenken
Brüssel – Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat bei einem EU-Treffen in Brüssel für neue Gespräche über die Beziehungen zur Türkei geworben. Nach den jüngsten Wahlen in dem Land sei es wichtig, noch einmal zu reflektieren, wie man mit einem «nicht einfachen Nachbarn, aber einem globalen, strategisch wichtigen Akteur in unserer direkten Nachbarschaft» zusammenarbeiten werde, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag. «Jetzt nach den Wahlen ist ein Moment für eine strategische Reflexion.»
Deutschland hatte bereits beim jüngsten EU-Gipfel für den Versuch einer Wiederannäherung geworben. Daraufhin war vereinbart worden, dass nun ein Bericht über den Stand der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei erarbeitet werden soll, der «auf ein strategisches und vorausschauendes Vorgehen abstellt».
Baerbock betonte bei dem Außenministertreffen, dass man nicht naiv sei und es keine Geschenke gebe, weil man sich gerade in schwierigen Zeiten befinde. Die von dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geforderte EU-Beitrittsperspektive liege «tief im Eisfach». Grund dafür seien Defizite bei wesentlichen Themen wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, nach dem Beschluss für EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Jahr 2004 habe es zunächst richtige Verhandlungen auch über die Menschenrechte gegeben. Aber seit 2011 sei es dann «in die falsche Richtung» gegangen. Zyperns Außenminister Constantinos Kombos machte eine Wiederannäherung zwischen Türkei und EU von Fortschritten bei den Gesprächen über den Zypernkonflikt abhängig. «Wir erwarten die rasche Wiederaufnahme substanzieller Verhandlungen, die zu einer Lösung des Zypernproblems führen», sagte er.
Zypern ist seit 2004 Mitglied der EU und seit 1974 nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention geteilt. Im Norden gibt es die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern (KKTC). Die Regierung der Republik Zypern lenkt den Südteil. Zahlreiche Vermittlungen der UN zur Überwindung der Teilung sind bislang gescheitert. (20. Juli)
Habeck betont Notwendigkeit eines Freihandelsabkommens mit Indien
Neu Delhi – Der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Notwendigkeit eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und Indien betont – erwartet aber komplizierte Verhandlungen. Der Grünen-Politiker sagte am Donnerstag bei seinem Indien-Besuch in Neu Delhi, das Abkommen mit Indien sei sicherlich eines der schwierigsten – die EU verhandelt nicht nur mit Indien über Freihandelsabkommen. «Das muss man sagen, weil Indien eine Tradition hat, seinen Markt zu schützen», so Habeck. «Das müsste dann eben überwunden werden.» Umgekehrt fordere Indien von Europa auch viel, beispielsweise leichteren Zugang zu Patenten.
«Die Interessen laufen jetzt nicht im Detail automatisch synchron», sagte Habeck. Das Handelsabkommen sei kompliziert. «Deswegen hat es auch so lange gedauert und man ist nicht vorangekommen. Gleichwohl muss man sehen, welche Chancen sich damit jetzt verbinden, auch welche Notwendigkeiten. Und deswegen werbe ich sehr dafür, da jetzt mehr Kraft dahinterzusetzen.»
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bei seinem Indien-Besuch im Februar gesagt, dass er in den Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien Tempo machen will. «Ich bin dafür, dass wir jetzt mehr Druck entwickeln, dass wir einen großen Willen entwickeln», sagte er damals nach Gesprächen mit dem indischen Premierminister Narendra Modi in Neu Delhi.
Seit Jahren versuchen die EU und Indien ein Freihandelsabkommen zu vereinbaren. Verhandlungen gab es von 2007 bis 2013. Damals scheiterten die Gespräche aber. Hürden waren aus deutscher Sicht etwa Schutzmaßnahmen für den indischen Autosektor. Im vergangenen Jahr wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. (20. Juli)
Diese Zusammenstellung ist eine redaktionelle Auswahl auf der Grundlage der Europa-Berichterstattung der dpa. Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der dpa. Der EU Digest erscheint jeweils montags und donnerstags.