Wien – Frankreich und Österreich wollen die Europäische Union auf die Aufnahme neuer Mitglieder vorbereiten. „Die wahre Frage ist jene nach dem ‚Wie‘ der Erweiterung, welche Veränderungen müssen wir anstreben bezüglich des EU-Budgets sowie bezüglich der Institutionen“, sagte die französische Europa-Staatssekretärin, Laurence Boone, nach einem Arbeitsgespräch mit Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Dienstag in Wien.
„Diese Fragen werden die Weichen für die politische Agenda nach den Wahlen zum Europäischen Parlament 2024 stellen“, so Edtstadler laut Aussendung des Bundeskanzleramts. „Wir brauchen eine neue Vision für den Erweiterungsprozess“, sagte die Europaministerin. „Angesichts der geopolitischen Gegebenheiten müssen wir den Prozess anpassen. Wichtig dabei ist, einen leistungsorientierten EU-Beitrittsansatz beizubehalten“, forderte Edtstadler.
Boone betonte, es sei ihr wichtig gewesen, sich noch vor wichtigen Treffen auf europäischer Ebene Ende 2023 und 2024 auszutauschen. „Wir sind uns darüber einig, dass wir die EU im Hinblick auf die Aufnahme neuer Mitgliedsländer vorbereiten müssen. Wir brauchen auch Antworten auf die aktuellen Herausforderungen, was sowohl die strategische Autonomie als auch die wirtschaftliche Sicherheit betrifft. Für Frankreich geht es nicht um die Frage, ob die EU erweitert werden soll, noch wann – es soll so rasch wie möglich vonstattengehen.“
Die EU verhandelt derzeit mit Serbien, Montenegro, Albanien und Nordmazedonien über einen Beitritt. Mit der Türkei sind die EU-Beitrittsverhandlungen seit Jahren blockiert, Ankara fordert eine Wiederaufnahme der Gespräche. Offiziellen EU-Beitrittskandidatenstatus haben außerdem Bosnien-Herzegowina, die Ukraine und Moldau. Kosovo und Georgien gelten als potenzielle EU-Beitrittskandidaten. (25.07.2023)
EU Blue Card soll mehr Hochqualifizierte nach Europa locken
Brüssel – Hochqualifizierte Nicht-EU-Angehörige dürfen nicht nur mit der Rot-Weiß-Rot-Karte in Österreich arbeiten. Damit auch das EU-Pendant Blue Card mehr genutzt wird, müssen bis spätestens November 2023 europaweit Erleichterungen umgesetzt werden. Österreich hat dies bereits mit Juli 2022 getan. Aktuelle Zahlen aus dem Arbeitsmarktservice zeigen eine positive Bilanz: Im ersten Halbjahr 2023 wurden um 126 Prozent mehr Anträge genehmigt als in den ersten sechs Monaten 2022.
Im ersten Halbjahr 2023 wurden somit 625 Blue Cards genehmigt, im Vergleich zu 742 im gesamten Jahr 2022. Ziel der Blue Card der EU ist, gesuchte hochqualifizierte Drittstaatsangehörige unkomplizierter auf die europäischen Arbeitsmärkte zu bringen. Um dies attraktiver zu gestalten und den immer dramatischeren Fachkräftemangel zu bekämpfen, wurde die geltende EU-Regelung aktualisiert. Die bisherige Richtlinie enthielt laut EU-Kommission zu restriktive Zugangsbedingungen und zu begrenzte Erleichterungen für die Mobilität innerhalb der EU. Dies habe zu einer sehr begrenzten Anzahl an Genehmigungen geführt.
Nach der Reform dürfen Inhaber einer Blue Card nach einer zunächst zwölfmonatigen Aufenthaltsdauer im ersten EU-Land leichter in ein weiteres EU-Land umziehen und dort arbeiten. Dies soll einen Startvorteil gegenüber rein national gültigen Bescheiden wie der RWR-Karte bringen. Deren Ziel ist die langfristigere Verankerung der Fachkräfte in Österreich und auf dem heimischen Arbeitsmarkt. Blue Card-Bewerbende müssen auch nur mehr einen Arbeitsvertrag über sechs und nicht mehr wie bisher zwölf Monate nachweisen, und werden somit schneller mobil. Auch die Regelungen der einzelnen EU-Staaten sollen angeglichen werden. Das erforderliche Mindesteinkommen wurde auf das durchschnittliche Bruttojahresgehalt gesenkt. Auch die Situation der mitreisenden Familienangehörigen soll sich durch schnellere Nachzugsverfahren und den Zugang zum Arbeitsmarkt verbessern.
In Österreich waren laut Innenministerium 2022 neben 800 blauen rund 120.000 rot-weiß-rote Karten aktiv. „Die Anforderungen der Blauen Karte sind höher als die der Rot-Weiß-Rot-Karte. Diese gibt es in verschiedenen Spielarten, die unterschiedliche Erfordernisse haben“, erklärte Rolf Gleißner, Abteilungsleiter für Sozialpolitik der Wirtschaftskammer Österreich, im Gespräch mit der APA. Die meistgenutzte Variante sei die RWR-Karte für Fachkräfte in Mangelberufen. Voraussetzung sei hier ein Job- oder Ausbildungsangebot. Für die Blue Card ist in Österreich ein Hochschulstudium mit dreijähriger Mindeststudiendauer Voraussetzung. Ausnahmen gibt es z.B. für Beschäftigte in der IT-Branche.
Zwei Drittel der rund 29.000 ausgestellten EU Blue Cards kamen 2021 laut EU-Statistikamt Eurostat von Deutschland: 19.500 Drittstaatsangehörige erhielten die Blaue von Berlin. Weit dahinter auf Platz 2 folgten Polen mit 2.980 Karten (10,2 Prozent) und Frankreich mit 1.300 Karten (4,5 Prozent). Schlusslicht waren Ungarn und die Slowakei mit nur jeweils zehn. „Das Fachkräfte-Einwanderungssystem nach Deutschland ist zwar in kontinuierlicher Weiterentwicklung und zählt zu den fortschrittlichsten in Europa. Es ist allerdings zersplittert und teilweise unübersichtlich. Hier ist die EU-Karte eine transparente und einfach gestaltete Zuwanderungsschiene“, so WKÖ-Experte Gleißner zum Erfolg der Karte in Deutschland.
Ein Fünftel aller in der EU ausgestellten Blue Cards ging laut Eurostat 2021 an indische Staatsangehörige. Dahinter folgten Russen (9 Prozent), Weißrussen (6,2 Prozent) und Ukrainer (6 Prozent). Laut Angaben des Innenministeriums erhielten die Inder 2022 mit rund 18 Prozent auch in Österreich die meisten Bewilligungen. Dahinter lagen mit knapp 14 Prozent aller positiven Bescheide Angehörige der russischen Föderation, gefolgt von der Türkei mit 7 Prozent. (27.07.2023)
Klimaresistentes Saatgut soll Ernährungssicherheit garantieren
Brüssel – Ganz oben auf der Agenda beim Treffen der EU-Agrarminister am Dienstag in Brüssel stehen nicht nur die Auswirkungen der extremen Wetterereignisse auf die Landwirtschaft. Diskutiert werden dazu auch die Reformpläne der EU-Kommission für das EU-Saatgutrecht, die mehr Saatgut-Vielfalt und damit Ernährungssicherheit bringen sollen: Während zahlreiche Vertreter der Agrarindustrie dies begrüßen, befürchten viele Umweltschützer und kleinere Landwirte das genaue Gegenteil.
Mit den neuen Vorschriften „erhalten Landwirte Zugang zu vielfältigem, hochwertigem und klimaresistentem Saatgut“, betonte der für den Green Deal zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, bei der Vorstellung der Pläne Anfang Juli in Brüssel. Der Vorschlag zur Reform des EU-Saatgutrechts behält die Grundpfeiler der bisherigen Regelung bei. Neue Saatgut-Sorten müssen registriert und zertifiziert werden, bevor sie auf den Markt kommen. Die Reform soll laut EU-Kommission aber für mehr Saatgut-Vielfalt auf dem Markt und auf den Feldern sorgen. Diese Steigerung der „Agrarbiodiversität“ soll durch vereinfachte Regeln für Erhaltungssorten sowie Ausnahmeregelungen für Saatgutschutznetzwerke und den Austausch zwischen Landwirten erreicht werden.
„Es ist an der Zeit, dass die veraltete EU-Saatgutverordnung an unsere aktuellen Gegebenheiten und den Stand der Wissenschaft angepasst wird. Die aktualisierten Vorschriften sollen sicherstellen, dass Saatgut für stabile Erträge sorgt, indem neue Pflanzensorten zukunftsfähig gemacht werden“, erklärte Alexander Bernhuber, ÖVP-Umweltsprecher im Europaparlament, gegenüber der APA. Neue Sorten sollen in Zukunft gezielt auf Eigenschaften geprüft werden, die zu einer nachhaltigeren landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion beitragen.
Für alte Sorten fordert Bernhuber, der selbst Landwirt ist, aber Sonderregelungen: „Gerade mit seltenen, alten Sorten von kleinen Züchtern erhalten wir eine große genetische Vielfalt.“ Dies dürfe nicht durch aufwändige Zulassungsprozesse oder Gebühren gefährdet werden. „Regionale Sorten, die an klimatische Bedingungen angepasst sind, sind in Zeiten der Klimakrise wichtiger denn je“, so auch Andreas Waitz, grüner EU-Abgeordneter und selbst Biobauer. „Saatgut und Sortenvielfalt sind entscheidend für eine nachhaltige, unabhängige und krisenresistente Landwirtschaft. Nur so können wir unsere Ernährungssicherheit langfristig gewährleisten.“
Die Reformpläne spielen laut Waitz aber weiterhin den großen Agrarindustrie-Konzernen wie Bayer-Monsanto und Corteva in die Hände. Bäuerinnen und Bauern dürfen ihr eigenes Saatgut laut Vorschlag nur in kleinen Mengen und unter bestimmten Voraussetzungen tauschen. ARCHE NOAH, die Gesellschaft zur Erhaltung und Verbreitung der Kulturpflanzenvielfalt, fordert, die Verbreitung und nachhaltige Nutzung der Kulturpflanzen-Vielfalt explizit zu erlauben.
Garlich von Essen, Generalsekretär von Euroseeds, dem EU-Verband der Saatgutindustrie, sieht „auch ein gesamtgesellschaftliches Ziel. Wenn es uns ernst ist mit mehr Nachhaltigkeit und weniger Pestiziden, dann dürfen wir am Anfang der Kette keine Fehler machen und keine Kompromisse bei der Qualität dulden.“ Herbizidtolerante Sorten sind einer der umstrittensten Aspekte dieser Reform. Saatgut, das auf Resistenz gegen chemische Pflanzenschutzmittel gezüchtet oder manipuliert wurde, kann zu einem erhöhten Einsatz von Pestiziden führen.
Euroseeds vertritt 35 Verbände und 79 Unternehmen der Saatgut-Branche. „Unsere Mitglieder sind sich einig: das erfolgreiche europäische System der Sortenprüfung und -zulassung ist die Grundlage für Europas weltweit führende Stellung und unseren Erfolg im Saatgutexport“, bekräftigte von Essen im Gespräch mit der APA. Die EU hält nach Angaben der EU-Kommission einen Anteil von etwa 20 Prozent am Weltmarkt mit einem geschätzten Wert von sieben bis zehn Milliarden Euro. Die European Landowners‘ Organisation (ELO) begrüßte den Vorschlag als „besonders wichtig, um den Sektor in die Lage zu versetzen, sich zu modernisieren und effektiv auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren“.
Der Kommissionsvorschlag enthält auch angepasste Regeln für ökologische Sorten. Ein Ziel des europäischen Green Deal ist, bis 2030 mindestens 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in der EU ökologisch zu bewirtschaften. „Derzeit haben wir die Saatgut-Infrastruktur für eine nachhaltige Landwirtschaft noch nicht“, kritisierte Magdalena Prieler, EU-Referentin der ARCHE NOAH in Brüssel. Sie appellierte im Vorfeld des Agrarrates an die Ministerinnen und Minister, die Kulturpflanzenvielfalt vor Überregulierung und Patenten zu schützen: „Die Vielfalt ist unsere Versicherung gegen die Herausforderungen von morgen.“ (25.07.2023)
Finanzministerium soll Europäische Datenstrategie umsetzen
Wien – Das Finanzministerium soll die Europäische Datenstrategie in Österreich umsetzen und koordinieren. Das wurde im Rahmen des Sommerministerrats am Dienstag beschlossen. Die Strategie soll einen einfachen und sicheren Datenaustausch über Landesgrenzen hinweg ermöglichen. „Unser generelles Ziel ist eine hochwertige Datenqualität für die Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft“, wird Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) zitiert.
Die EU schaffe mit dem Data Act (DA), dem Data Governance Act und der Open Data Richtlinie eine Grundlage für einen standardisierten europäischen Datenaustausch. Zur Bündelung der Ressourcen werde die Zuständigkeit für die bundesweite Datenstrategie und die Umsetzung des Data Governance Act (DGA) der EU in das Finanzministerium übergeführt, heißt es in einer Aussendung. Dort soll ein Team für Datenwirtschaft und Datenpolitik aufgebaut und strukturell verankert werden.
Der Data Governance Act soll die Einrichtung und Entwicklung gemeinsamer europäischer Datenräume in strategischen Bereichen unterstützen. Das gelte für private wie öffentliche Akteure in Bereichen wie Gesundheit, Umwelt, Energie, Landwirtschaft, Mobilität, Finanzen, verarbeitende Industrie und öffentliche Verwaltung. Er ist seit rund einem Jahr in Kraft und muss bis 24. September in allen EU-Staaten umgesetzt werden.
„Mit der Umsetzung der europaweit gültigen Datenstrategie gehen wir einen Schritt weiter in eine bequemere, einfachere und sicherere Digitalisierung, ohne auf Datenschutz und Privatsphäre zu verzichten“, meinte Tursky. Im Ministerrat habe man nun die rechtliche Grundlage dafür geschaffen. Damit werde man das Vertrauen in die Digitalisierung weiter stärken.
NEOS-Digitalisierungssprecher Douglas Hoyos kritisierte das „Schneckentempo“ der Regierung und merkte an, dass Österreich Deutschland hier um zwei Jahre hinterherhinke, denn dort sei bereits 2021 eine Datenstrategie mit 240 Maßnahmen vorgelegt worden. „Staatssekretär Tursky hat nach einem Jahr im Amt endlich die nötigen Kompetenzen bekommen, der Data Government Act muss aber schon im September 2023 umgesetzt werden.“ Hoyos appellierte für ein „professionelleres“ und transparentes Vorgehen bei der Umsetzung und der Wahl der nationalen zentralen Informationsstelle. (26.07.2023)
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