Für viele Menschen sind heiße Tage und wenig Abkühlung nachts nicht nur unangenehm: Solche Wetterbedingungen können auch ernsthaft krank machen oder das Leben kosten. Eine im Sommer 2023 veröffentlichte Studie geht von mehr als 60 000 Hitzetoten in Europa im Jahr 2022 aus. Das halten manche Nutzer sozialer Netzwerke für weit übertrieben: 2022 seien bloß 16 Hitzetode im bevölkerungsreichsten EU-Land Deutschland gezählt worden, behaupten sie. Sie berufen sich dabei auf eine Sendung eines rechtsalternativen Senders. Doch Fachleute rechnen anders.

Bewertung

Nicht nur Menschen, die unmittelbar an den Folgen eines Sonnenstichs oder Hitzschlags sterben, zählen als Hitzetote. Die Kombination aus Hitze und Vorerkrankungen erhöht das Sterberisiko, es kommt zu einer sogenannten Übersterblichkeit in heißen Phasen. Für 2022 gibt es bisher keine konkrete Todesursachenstatistik aus Deutschland.

Fakten

Tatsächlich sterben Menschen nur in seltenen Fällen ursächlich aufgrund der direkten Hitzeeinwirkung. «Die meisten „Hitzetoten“ sterben nicht akut, sondern während einer längeren Phase mit sehr hohen Umgebungstemperaturen. Meist an einer Krankheit, die durch die lang andauernde Hitze forciert wurde (wie z.B. Herz-Kreislauferkrankungen bei älteren Personen)», teilte die österreichische Behörde Statistik Austria dem dpa-Faktencheck mit. Als Todesursache werde dann nicht Hitze angegeben, sondern die Vorerkrankung.

Das deutsche Robert Koch Institut (RKI) nennt ebenfalls eine Vielzahl von Gründen für hitzebedingte Todesfälle: Sie reichten «von Todesfällen durch Hitzeschlag bis hin zu komplexeren Konstellationen, etwa bei Menschen mit vorbestehenden Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen». Deshalb müsse die Anzahl der mit Hitze im Zusammenhang stehenden Todesfälle geschätzt werden, erklärt das österreichische Statistikamt. Es werde abgeschätzt, wie viele Personen in einer Hitzewelle mehr stürben, als erwartbar wäre. «Dies setzt eine komplexe Modellrechnung voraus (welche laufend weiterentwickelt wird)», heißt es dazu.

Das Video im Posting bezieht sich auf Berechnungen, deren Ergebnisse jüngst bei Nature Medicine veröffentlicht wurden. Die Forscher arbeiteten dafür mit Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat aus 35 europäischen Ländern aus dem Sommer (30. Mai bis 4. September) des Jahres 2022. Auf dieser Basis errechneten sie die Schätzung von 61 672 Hitzetoten. Das ist ein Mittelwert, die Zahl liegt demnach mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 37 643 und 86 807, also deutlich im fünfstelligen Bereich.

Für die angeblich exakt 16 Hitzetoten in Deutschland im Jahr 2022 findet sich keine Quelle. Das deutsche Statistische Bundesamt erklärte dem dpa-Faktencheck auf Nachfrage, dass die Todesursachenstatistik 2022 voraussichtlich erst Ende 2023 vorliegen werde. Einer Pressemitteilung des Amts vom 28. Juni zufolge ließ sich im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2021 in 19 Fällen Hitze als direkte Todesursache feststellen. Die Zahl der Sterbefälle habe in den hitzegeprägten Sommermonaten 2022 jedoch deutlich über den mittleren Werten der Vorjahre gelegen, hebt die Behörde hervor.

Diese hitzebedingte Übersterblichkeit gibt das RKI für die Zeit von Mitte April bis Mitte September 2022 mit 4500 an. Diese Hitzeopfer in Deutschland wären ein Teil der gut 61 000 Leidensgenossen, auf die die Studie für ganz Europa kam. Um zu einer aussagekräftigen Bewertung zu kommen, hatte das Statistische Bundesamt für seine Angaben die Zahl der Sterbefälle mit der Krankenhausstatistik und Daten des Deutschen Wetterdienstes kombiniert.

Links

Facebook-Posting (archiviert)  

Artikel “PULS24” zur Studie (archiviert

Sendung AUF1 (archiviert

RKI zur hitzebedingten Übersterblichkeit 2022 (archiviert)

Ballester-Paper in “Nature Medicine” (archiviert

Mitteilung des Statistischen Bundesamts zu Hitze als Todesursache (archiviert)

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