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Nur wenige Tage vor der Frist am 1. August gaben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump am Sonntag eine Einigung über ein Handelsabkommen bekannt, um Zölle von 30 Prozent auf EU-Exporte nach Amerika zu verhindern. Hat von der Leyen damit ein schlimmeres Szenario abgewendet, oder hat Trump sie „zum Frühstück verspeist“, wie Ungarns stets kritischer Ministerpräsident Viktor Orbán unkte?

Was ist klar – und was noch nicht?

EU-Exporte werden künftig mit einem einheitlichen Zollsatz von 15 Prozent auf die meisten Produkte belegt – höher als die Zölle vor Trumps Rückkehr ins Weiße Haus, aber deutlich niedriger als die angedrohten 30 Prozent. Die Zölle sollen einer von Trump am Donnerstag unterzeichneten Verordnung zufolge am 7. August in Kraft treten – eine Woche später als ursprünglich vorgesehen.

„Die EU wird bedeutende Zölle abschaffen, einschließlich der vollständigen Aufhebung aller EU-Zölle auf US-Industriegüter, wodurch enorme Möglichkeiten für amerikanische Produkte geschaffen werden, in Europa zu konkurrieren und zu gewinnen,“ hieß es in einer Erklärung des Weißen Hauses zum Zollabkommen.

Die EU-Kommission betonte hingegen in einem nach dem Treffen veröffentlichten erklärenden Dokument, dass die vereinbarten Details lediglich „Schlüsselparameter“ und ein „erster Schritt in einem Prozess“ seien.

Laut der Kommission gelten die 15-Prozent-Zölle für nahezu alle derzeit mit Gegenzöllen belegten EU-Exporte, einschließlich Autos und Autoteilen, die derzeit mit 25 Prozent besteuert werden. Sie gelten auch für potenzielle zukünftige Zölle auf pharmazeutische Produkte und Halbleiter.

Zölle auf Flugzeuge (und Teile), einige Chemikalien, Medikamente und Rohstoffe werden jedoch auf das Niveau vor Trumps Amtsantritt im Januar zurückgesetzt. Die EU versprach zudem einen besseren Zugang für US-Fischereiprodukte und bestimmte landwirtschaftliche Exporte auf den EU-Markt. Ketchup und Kekse werden hier etwa erwähnt.

Einige Details bleiben weiterhin unklar. Laut einer Erklärung des Weißen Hauses hat sich die EU auch zum umfangreichen Erwerb von amerikanischer Energie und militärischer Ausrüstung verpflichtet. Bisher ist jedoch nur Ersteres von der Europäischen Kommission bestätigt worden.

Die EU erklärte, sie beabsichtige, in den nächsten drei Jahren Flüssigerdgas oder Öl im Wert von 700 Milliarden Euro (750 Milliarden Dollar) zu kaufen und Investitionen europäischer Unternehmen im Wert von rund 550 Milliarden Euro (600 Milliarden Dollar) zu fördern.

Während das Weiße Haus darauf besteht, dass Zölle auf Stahl, Aluminium und Kupfer bei 50 Prozent bleiben, widerspricht die EU: „Die EU und die USA werden Zollkontingente für EU-Exporte auf historischen Niveaus einführen, wodurch die derzeitigen 50-Prozent-Zölle gesenkt werden,“ so die Kommission.

Die Kommission betonte, dass das Abkommen rechtlich nicht bindend sei und weitere Verhandlungen folgen würden.

Wie schlimm ist es?

EU-Spitzenpolitikerinnen und -politiker äußerten sich nicht begeistert über das Abkommen, räumten jedoch mehrheitlich ein, dass es wahrscheinlich das bestmögliche Ergebnis unter den gegebenen Umständen sei.

„Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass dieses Abkommen besser ist als ein Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten,“ sagte EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte am Mittwoch, die Europäische Union sei in den Verhandlungen nicht „gefürchtet“ genug gewesen und versprach, in den weiteren Gesprächen „standhaft“ zu bleiben.

„Das ist noch nicht das Ende.“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

„Europa sieht sich selbst noch nicht genug als Macht. Um frei zu sein, muss man gefürchtet werden. Wir wurden nicht genug gefürchtet,“ sagte Macron Teilnehmenden zufolge während einer Kabinettssitzung, räumte jedoch ein, dass das Abkommen französische und europäische Interessen in wichtigen Exportsektoren gewahrt habe.

In Deutschland warnte Bundeskanzler Friedrich Merz, dass der erzielte Kompromiss die exportorientierte deutsche Wirtschaft schwer belasten werde. „Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle,“ sagte Merz am Montag. Obwohl er unzufrieden sei, verteidigte er die Kommission und erklärte: „Mehr war offensichtlich nicht zu erreichen.“

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni begrüßte das Abkommen. „Ich habe immer gedacht und denke weiterhin, dass eine Eskalation im Handel zwischen Europa und den Vereinigten Staaten unvorhersehbare und potenziell verheerende Folgen gehabt hätte,“ sagte sie, betonte aber, dass die Details noch geprüft werden müssten. Vizepremier und Außenminister Antonio Tajani versprach unterdessen, dass die Regierung von den Zöllen betroffene Unternehmen unterstützen werde.

Der portugiesische Ministerpräsident Luís Montenegro erklärte, das Abkommen bringe „Vorhersehbarkeit und Stabilität, die für portugiesische Unternehmen und die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sind“.

Slowenien reagierte zurückhaltend. Das Wirtschaftsministerium steckt noch in der Analyse,  betonte jedoch ebenfalls die Bedeutung von Vorhersehbarkeit und Stabilität, insbesondere für wichtige Sektoren wie die Automobil- und Pharmaindustrie.

Gewinner, Verlierer und alle dazwischen

Analystinnen und Analysten sind sich einig, dass die USA größtenteils als Gewinner hervorgehen, da beispielsweise US-Autohersteller beim Verkauf in die EU keine Zölle zahlen müssen. Auf US-Verbraucherinnen und -Verbraucher könnten jedoch höhere Preise für importierte Waren zukommen, wenn Unternehmen die zusätzlichen Kosten an sie weitergeben.

Merz warnte, dass auch die USA nicht ungeschoren davonkommen würden. „Wir werden auch in Amerika die Folgen dieser Handelspolitik sehen.“ Es werde nicht nur zu höherer Inflation, sondern auch zu allgemeinen Beeinträchtigungen im transatlantischen Handel kommen, fügte der Kanzler hinzu.

„Diese Zölle sind auch nach meiner festen Überzeugung nicht im Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika.“

Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz

Die Zeit werde das zeigen, fügte er hinzu.

Deutschland ist mit Abstand der größte Exporteur von Waren in die USA, die ein wichtiger Absatzmarkt für Autos, Stahl und Werkzeugmaschinen sind. Diese Warenausfuhren beliefen sich 2024 auf insgesamt 161,2 Milliarden Euro.

An zweiter Stelle stehen Irland und Italien, deren Exporte im vergangenen Jahr laut der EU-Statistikbehörde Eurostat einen Wert von 72 Milliarden Euro bzw. 64 Milliarden Euro erreichten.

Frankreich ist weniger stark betroffen, auch wenn die Schwergewichte in Bereichen wie Luftfahrt, Agrar- und Lebensmittelindustrie, Wein und Luxusgüter Marktanteile verlieren könnten. Laut Eurostat exportiert die EU insgesamt 20 Prozent ihrer Waren in die Vereinigten Staaten.

Die Auswirkungen der US-Zölle variieren stark je nach Abhängigkeit vom US-Markt:

An einem Ende der Skala steht beispielsweise Portugal. Die meisten Exporte des Landes konzentrieren sich auf die Europäische Union, insbesondere Spanien. Exporte in die USA machen nur 5 Prozent des Gesamtvolumens aus. Dennoch sagte die portugiesische Regierung volle Unterstützung für Unternehmen zu, um die negativen Auswirkungen des Abkommens abzumildern, insbesondere in den Bereichen Textilien, Schuhe, Wein und Metallverarbeitung.

Deutschland und insbesondere seine riesige Automobilindustrie stehen als größter EU-Exporteur in die USA am anderen Ende des Spektrums. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erklärte,  selbst ein Zollsatz von 15 Prozent habe immense negative Auswirkungen auf die Exportindustrie. Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) belaufen sich die jährlichen Kosten für Unternehmen in der deutschen Automobilindustrie allein auf Milliardenbeträge.

Mitarbeiter arbeiten im VW Stammwerk im Karosseriebau an Neuwagen Volkswagen Tayron und Tiguan. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Irland nimmt eine Sonderstellung ein: Die Insel hat den größten Handelsüberschuss unter den EU-27 und exportiert mehr als ein Viertel ihrer Waren in die USA. Das liegt vor allem daran, dass große US-Pharmaunternehmen dort ansässig sind. Irland ist auch europäischer Hauptsitz der meisten US-Technologieriesen wie Apple, Google und Meta, die von dem vorteilhaften irischen Steuersystem angezogen werden.

Insgesamt sind einige Sektoren in Europa stärker betroffen, insbesondere die Lebensmittel- und Weinindustrie, wie im Fall Spaniens, Frankreichs Luftfahrt- und Luxusgüterunternehmen sowie Italiens Automobilsektor. Der französisch-italienische Konzern Stellantis, Hersteller der Marken Fiat und Peugeot, setzte im April aufgrund dieser Unsicherheiten seine Prognosen für das Jahr aus.

Während die EU daran arbeitet, die Bedingungen des Zollabkommens zu klären, spüren bulgarische Exporteure bereits die Auswirkungen – und reagieren mit einer Diversifizierungsstrategie. Zum Beispiel bei Kaviar: Das Land ist mittlerweile einer der führenden Produzenten von schwarzem Kaviar in Europa.

Laut Emil Arabadjiev, Verbandsvorsitzender der Kaviarproduzenten, exportiert das Land jährlich mehr als 15 Tonnen. Er sagte, er glaube, dass höhere Preise die Nachfrage jenseits des Atlantiks nicht verändern würden, da das Produkt Mangelware sei. Diversifizierung in neue Märkte wie Australien, Kanada und Spanien bringe jedoch Ruhe in die Branche.

Schlimmer geht immer

Für das EU-Beitrittskandidatenland Bosnien und Herzegowina (BiH) gelten ab dem 7. August Zölle von 30 Prozent auf alle Produkte. Die Außenhandelskammer von BiH schätzte, dass die neuen Zölle die Verteidigungsindustrie des Landes am härtesten treffen werden. 60 Prozent ihrer Exporte gehen in die USA.

Obwohl die US-Exporte nur etwa 1 Prozent des gesamten Außenhandels von Bosnien und Herzegowina ausmachen, könnten die indirekten Auswirkungen erheblich sein. Besonders gefährdet sind Unternehmen, deren Produkte über europäische Unternehmen in die USA gelangen, wo erhöhte Preise die Nachfrage möglicherweise verringern könnten. Die am stärksten betroffenen Sektoren dürften die Metall- und Automobilindustrie sein, mit potenziellen Folgen für Beschäftigung, Kosten und Inflation.

In der Regierung gibt es Initiativen, die Zölle auf amerikanische Produkte vollständig abzuschaffen, vor allem als Versuch, sich bei der Trump-Administration beliebt zu machen.

Wo verhandelt die EU noch?

Die USA mögen der größte Handelspartner der EU sein, aber Brüssel verfolgt auch eine Reihe anderer Abkommen. Diese in Gang zu bringen, dauert jedoch.

  • Die EU verhandelt derzeit Abkommen oder aktualisierte Abkommen mit (unter anderem) Indien, Indonesien, Malaysia, den Philippinen, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Australien, Singapur oder Thailand.
  • Wirtschaftspartnerschafts- oder Assoziierungsabkommen sind im Verabschiedungs- oder Ratifizierungsprozess mit dem südamerikanischen Handelsblock Mercosur, Mexiko und mehr als einem Dutzend afrikanischer Staaten.
  • Ein Interimsabkommen mit Chile trat am 1. Februar in Kraft.

Das Abkommen mit Mercosur, zu dem Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gehören, ist eines der größten. Besonders Spanien drängt auf die Annahme, trotz Befürchtungen des europäischen Agrarsektors. „Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen unbedingt eine Einigung zwischen beiden Handelsblöcken erzielen,“ sagte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez während eines Besuchs in Uruguay im Juli.

Und dann ist da noch China: Trotz der Tatsache, dass die EU und China füreinander die zweitgrößten Handelspartner im Warenverkehr sind, haben sich die Beziehungen zunehmend verschlechtert. Brüssel ist alarmiert wegen eines Rekord-Handelsdefizits von über 300 Milliarden Euro im vergangenen Jahr sowie  Chinas Exportkontrollen für kritische Seltene Erden, die in Elektromotoren und Sensoren verwendet werden.

Dieser Artikel ist eine Key Story des enr. Der Inhalt basiert auf der Berichterstattung der teilnehmenden Nachrichtenagenturen.