Europa hat seine Abhängigkeit von russischer Energie zwar erheblich reduziert, dennoch fließen jedes Jahr weiterhin Milliarden Euro nach Russland. Eine strengere Abgrenzung ist in Aussicht. Viele Mitgliedstaaten haben ihre Energiequellen bereits diversifiziert, während andere weiterhin auf russische Pipelines und Flüssigerdgas (LNG) angewiesen sind.
Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat aus dem vergangenen Monat zeigen, dass die Europäische Union im ersten Halbjahr 2025 russisches Flüssigerdgas im Wert von rund 4,48 Milliarden Euro importierte – ein Anstieg gegenüber 3,47 Milliarden Euro im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Gleichzeitig sind diplomatische Bemühungen im Gange, Russland zu Friedensverhandlungen zu bewegen.
Die EU drängt seit der Invasion der Ukraine im Februar 2022 darauf, ihre Energieabhängigkeit von Russland zu beenden, damit der Kreml den Krieg nicht aus Einnahmen aus Energieexporten finanzieren kann.
Im Gegensatz zu den Regeln bei russischem Öl und in Sachen Kohle verhängte die EU jedoch kein vollständiges Verbot für Gas, da einige Mitgliedstaaten weiterhin darauf angewiesen sind. LNG und Öl via Pipelines, einschließlich dem TurkStream-Netz via der Türkei, fließen weiterhin in den Block, wenn auch in deutlich geringeren Mengen als vor 2022.
Die Europäische Kommission hat jedoch Pläne ausgearbeitet, um alle Importe von russischem Gas und Öl bis 2028 schrittweise einzustellen. Nach dem Vorschlag sollen neue Verträge ab dem 1. Januar 2026 verboten werden. Bestehende kurzfristige Verträge sollen bis zum 17. Juni 2026 auslaufen, und langfristige Verträge wären ab dem 1. Januar 2028 untersagt.
Diese Maßnahmen bedürfen jedoch noch der Zustimmung des Europäischen Parlaments und dort von mindestens 15 der 27 EU-Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung der EU repräsentieren.
Ungarn und die Slowakei stark von russischen Importen abhängig
Es gibt bereits bedeutende Fortschritte. Der Anteil der Erdölimporte aus Russland sank laut Eurostat von 29 Prozent im ersten Quartal 2021 auf nur noch 2 Prozent im zweiten Quartal 2025.
Ungarn und die Slowakei bleiben jedoch Ausnahmen innerhalb der EU, sie importieren weiterhin große Mengen russischen Öls. Die beiden Länder, wie auch die Tschechische Republik, erhielten eine Ausnahmegenehmigung vom EU-Embargo gegen russisches Öl. Während die Tschechische Republik seit April 2025 dank der Fertigstellung der Erweiterung der westlichen TAL-Ölpipeline kein russisches Öl mehr importiert, haben Ungarn und die Slowakei keine vergleichbaren Schritte unternommen, um sich von russischer Energie zu lösen.
Jüngste Angriffe der Ukraine auf die Druschba-Pipeline unterstreichen ihre Abhängigkeit und die damit verbundene Instabilität der Versorgung. Seit Beginn der russischen Invasion greift die Ukraine als Reaktion auf Angriffe auf ihr eigenes Territorium regelmäßig die russische Öl- und Gasinfrastruktur an.
Es gibt eine mögliche Alternative – doch beide Länder zögern, ihr Öl über die Adria zu beziehen.
„Da die Kapazität der kroatischen Pipeline kleiner ist als der Ölbedarf Ungarns und der Slowakei, wird die Ölversorgung dieser Länder unmöglich, falls die Lieferungen über die Druschba-Pipeline langfristig ausfallen“, sagte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó vergangene Woche.
Dies seien keine politischen Gründe, sondern die Realität vor Ort, fügte er hinzu. „Energieversorgung ist keine politische oder ideologische Frage, man braucht die Pipeline und das Öl darin.“
Kroatien widerspricht dieser Darstellung. Ministerpräsident Andrej Plenković und Wirtschaftsminister Ante Šušnjar sagten, die Adria-Pipeline verfüge über ausreichende Kapazitäten und die gesamte kroatische Infrastruktur stehe für den Öl- und Gastransport zur Verfügung. Sie fügten hinzu, dass die Transportkosten bei höheren Volumina sinken würden. Trotz dieser Zusicherungen bleiben Ungarn und die Slowakei zögerlich, sich stärker auf die Adria-Pipeline zu verlassen.
Die Slowakei hat angekündigt, rechtliche Schritte zu prüfen, falls sie keine Ausnahmegenehmigung oder Entschädigung für das Beenden der Erdgasimporte aus Russland erhält.
Weniger Abhängigkeit von russischer Energie in Osteuropa
Bulgarien erlaubt weiterhin den Transit von russischem Gas durch sein Territorium über die Balkan-Stream-Pipeline, eine Erweiterung der TurkStream-Pipeline, die von der Türkei nach Serbien führt. Dieser Transit ist gemäß EU-Regeln erlaubt, da er EU-Grenzen auf dem Weg in Drittländer überschreitet. Ein Großteil dieses Gases erreicht jedoch letztlich das EU-Mitglied Ungarn.
Bulgarien selbst stellte im April 2022 den Import von russischem Erdgas ein, nachdem die Regierung sich geweigert hatte, Gazproms Forderung nach Zahlung in Rubel nachzukommen. Bei russischem Rohöl erhielt das Land eine vorübergehende Ausnahmegenehmigung bis Ende 2024, stellte die Importe jedoch offiziell bereits im März desselben Jahres ein.
Frankreich treibt Importe von russischem LNG voran
Bei russischem Flüssigerdgas (LNG) sind einige europäische Länder stärker abhängig als andere. Im Jahr 2024 entfielen 85 Prozent der russischen LNG-Importe Europas auf Frankreich, Spanien und Belgien. Frankreich und die Niederlande erhöhten ihre Importe von russischem LNG im Vergleich zu 2023 um 81 Prozent, so das Institut für Energieökonomie und Finanzanalyse (IEEFA).
Im Gegensatz dazu ist die Abhängigkeit anderer Länder von russischem Gas insgesamt deutlich geringer. Weniger als 2 Prozent der gesamten Gasimporte Italiens stammen aus Russland, während Slowenien keine direkten Lieferverträge mit Russland hat. Der Großteil des slowenischen Gases wird über die Erdgasdrehscheibe Baumgarten in Österreich importiert. In den vergangenen drei Jahren sicherte sich das Land zudem mehrere alternative Quellen und Lieferwege.
Mit dem geplanten Ausstieg aus russischen Energieimporten bis 2028 steht die EU vor einer komplexen Aufgabe: Sie muss die Versorgungssicherheit, die Marktstabilität und den politischen Konsens wahren – und gleichzeitig die Diversifizierung von Quellen und Infrastruktur vorantreiben.
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