Brüssel (enr) – Wenn sich Menschen oft einsam fühlen, kann das negative Auswirkungen auch auf die Gesellschaft haben. Der Kampf gegen Einsamkeit müsse deshalb innerhalb der EU stärker priorisiert werden, forderten Expertinnen und Politiker beim „Einsamkeitsforum“, zu dem die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen am Mittwoch in ihre EU-Vertretung in Brüssel geladen hatte.
Vorgestellt wurde das Forschungsprojekt „The Social Isolation and Loneliness in Europe Network: Evidence-Based Policy Recommendations on its Causes, Consequences, and Monitoring“ (LONELY-EU), das seit Februar 2025 läuft und von der EU mit rund drei Millionen Euro gefördert wird.
Maike Luhmann, Psychologie-Professorin an der Ruhr-Universität Bochum, fasste die negativen Folgen von Einsamkeit für einzelne Betroffene und das Gemeinwesen zusammen. So seien Menschen, die sich einsam fühlen, häufiger krank, weniger produktiv und weniger kreativ, weshalb sie weniger zur Wirtschaftsleistung beitrügen. Zugleich hätten Einsame eine stärkere Tendenz sich politisch zu radikalisieren oder aber sich aus der Mitwirkung an der Demokratie komplett zu verabschieden.
Die Forschung zu diesem Thema sei noch recht jung, sagte Luhmann. Das Projekt LONELY-EU verfolge daher das Ziel, ein EU-weites Netzwerk von Menschen und Organisationen aufzubauen, die sich mit dem Thema Einsamkeit beschäftigen und gemeinsam Lösungen dafür entwickeln wollen. Beteiligt seien bisher Forschende aus Polen, den Niederlanden, Italien, Frankreich und Deutschland. Man wolle unter anderem Einsamkeit stärker messen: „Wir brauchen mehr Daten und wollen vorhandene Daten besser verstehen“, sagte Prof. Luhmann.
Luhmann verwies auf Umfrageergebnisse aus den Jahren 2022 und 2024 zur Verbreitung von Einsamkeit innerhalb der EU. Demnach fühlten sich 13 Prozent der Menschen immer oder meistens einsam, 35 Prozent zumindest manchmal. Zugleich gebe es regionale Unterschiede: In Irland etwa sei Einsamkeit stärker verbreitet als zum Beispiel in Spanien oder den Niederlanden.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst erläuterte, warum er sein Bundesland als Vorreiter in der Einsamkeitsbekämpfung sieht und das Thema zur Chefsache erklärt hat. Er sei während der Corona-Pandemie ins Amt gekommen, sagte Wüst, und an deren Ende sei klar gewesen, dass Einsamkeit selbst eine „stille Pandemie“ sei. Wüst bezeichnete den Kampf gegen Einsamkeit als „die neue soziale Frage unserer Zeit“. Er verwies auf einen Aktionsplan in seinem Bundesland, in dem ressortübergreifend mehr als 100 Maßnahmen zusammengetragen wurden, sowie auf eine Online-Plattform, die mehr als 800 Aktionen gegen Einsamkeit zusammenfasse. Gelöst sei das Problem damit aber keinesfalls: „Wir brauchen einen langen Atem. Umso wichtiger ist es daher, dass wir anfangen.“

Auch der EU-Kommissar für Generationengerechtigkeit, Jugend, Kultur und Sport, Glenn Micallef aus Malta, verwies auf die gesellschaftlichen Herausforderungen durch Einsamkeit. Stark betroffen seien zwar oft jüngere Menschen, und gerade Über-80-Jährige litten besonders unter den Folgen ihrer Einsamkeit. Letztlich betreffe das Problem aber alle Altersgruppen. Es sei deshalb wichtig, gerade in der Kultur und im Sport möglichst viele Angebote zu haben, die Menschen zusammenbringen.
Vorgestellt werden sollen die Forschungsergebnisse und Vorschläge von LONELY-EU im November 2027. (1.Oktober)
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