Die Rechtslage für LGBTIQ+-Personen in der EU ist nach wie vor uneinheitlich, und die Rechte der betreffenden Gemeinschaften schwinden in einigen Ländern der Europäischen Union zunehmend. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesetze zu Lebenspartnerschaften und Ehen sowie neue gesetzliche Beschränkungen in einigen Ländern stellen den Gleichstellungsrahmen der EU auf die Probe.
Der jüngste Rückschlag für die Rechte von LGBTIQ+-Personen innerhalb der EU ist eine Änderung der Verfassung der Slowakischen Republik. Diese besagt, dass das Land „nur zwei Geschlechter, männlich und weiblich, anerkennt“.
Die Änderung ist am 1. November in Kraft getreten. Sie sieht auch vor, dass nur verheiratete Paare Kinder adoptieren dürfen, was gleichgeschlechtliche Paare effektiv ausschließt, da sie in dem Land nicht heiraten dürfen. Leihmutterschaft ist ausdrücklich verboten.
Die slowakische Verfassung definiert die Ehe bereits als eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. Dies gilt seit einer schon 2014 unter dem nationalistischen Premierminister Robert Fico vorgenommenen Änderung.
Durch diese weitreichende Neuerung hat nun nationales Recht Vorrang vor dem Recht der Europäischen Union. Darin heißt es, dass die „Souveränität“ der Slowakei in „kulturellen und ethischen Fragen“ Vorrang vor dem EU-Recht haben soll.
Fico, der 2023 wieder an die Macht kam, stand schon oft im Widerspruch zum 27-Staaten-Block. Kritikerinnen und Kritiker haben gewarnt, dass die Verfassungsänderung die Slowakei in Konflikt mit den Bestimmungen der EU-Verträge bringen könnte. Die Venedig-Kommission, ein Beratungsgremium für Verfassungsfragen des Europarates in Straßburg, einer Nicht-EU-Organisation, hatte Berichten zufolge im Vorfeld der Abstimmung ebenfalls Kritik geäußert.
Der slowakische Ombudsmann Róbert Dobrovodský sagte, die Änderung sei „nicht der Weg zu einem gerechteren und humaneren Land“ und dass „die mögliche Aufhebung des Vorrangs der Grundrechte und -freiheiten, die sich aus internationalen Verträgen und EU-Recht ergeben, gegenüber slowakischen Gesetzen nicht zur Rechtssicherheit der Einwohner des Landes beiträgt – insbesondere derjenigen, die Minderheiten angehören“.
LGBTIQ+ ist ein Oberbegriff, der eine Vielzahl von sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten umfasst, die über Heterosexualität und Cisgender-Identitäten hinausgehen. Er steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle, Queer/Questioning und andere, die durch das + repräsentiert werden.
Innerhalb der EU wird auch Ungarn häufig für seine Rückschritte bei den LGBTIQ+-Rechten kritisiert. Ministerpräsident Viktor Orbán hat seit Jahren im Namen des „Kinderschutzes“ die Rechte dieser Gemeinschaften eingeschränkt. In diesem Jahr hat seine Regierungskoalition Gesetzesänderungen verabschiedet, die darauf abzielen, Pride-Paraden zu verbieten.
Ungleiche Rechte für Lebenspartnerschaften und Ehen in der EU
Die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe ist ein Thema, das in der EU nach wie vor zu Kontroversen führt. Während einige Länder sie bereits vor Jahren legalisiert haben, gelten in anderen Ländern nach wie vor strenge Vorschriften und politische Blockaden.
Am 1. Oktober 1989 schlossen mehrere homosexuelle Paare in Dänemark als erste weltweit eine Lebenspartnerschaft und gaben ihrer Beziehung damit einen rechtlichen Status, der jedoch noch nicht einer vollständigen Ehe entsprach. Als erstes Land erlaubten die Niederlande im April 2001 die gleichgeschlechtliche Ehe.
Seitdem sind 21 weitere europäische Staaten, darunter 15 EU-Mitgliedstaaten, diesem Beispiel gefolgt: Andorra, Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Luxemburg, Malta, Norwegen, Österreich, Portugal, Slowenien, Spanien, Schweden, die Schweiz, das Vereinigte Königreich und das Fürstentum Liechtenstein.
Einige europäische Staaten haben gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zugelassen, ohne jedoch die Homo-Ehe zu legalisieren, darunter sind Italien, Ungarn, Kroatien, Zypern, Lettland, die Tschechische Republik und das Fürstentum Monaco.
Die Ehe bietet in der Regel die volle rechtliche Anerkennung eines Paares, einschließlich der Rechte in Bezug auf Adoption, Erbschaft und Sozialleistungen. Im Gegensatz dazu bieten Lebenspartnerschaften nur einen Teil dieser Schutzmaßnahmen und unterscheiden sich von Land zu Land erheblich.
In Polen werden Pläne zur Legalisierung von Lebenspartnerschaften seit Jahren kritisch gesehen. Dies galt nicht nur während der Amtszeit der ehemaligen Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und des früheren Präsidenten Andrzej Duda, sondern findet auch den Widerstand des derzeitigen Amtsinhabers Karol Nawrocki.
Während ihrer Regierungszeit von 2015 bis 2023 lehnte die PiS-Regierung jegliche Ideen zur Legalisierung von Lebenspartnerschaften in Polen entschieden ab, obwohl laut Daten des polnischen Statistikamtes (GUS) von 2023 fast eine Million Paare in nichtehelichen Lebensgemeinschaften leben, darunter heterosexuelle ebenso wie gleichgeschlechtliche Paare. Die PiS vertrat eine katholische Haltung und sprach sich gegen mehr Rechte für sexuelle Minderheiten aus.
Nachdem mehrere Versuche, Lebenspartnerschaften in Polen zu formalisieren, darunter auch für LGBTIQ+-Paare, in den vergangenen 20 Jahren gescheitert waren, hat sich die Zentrumspartei des derzeitigen Ministerpräsidenten Donald Tusk verpflichtet, Lebenspartnerschaften zu legalisieren, und das in einer traditionell katholischen Gesellschaft, die derzeit nur die Ehe zwischen Mann und Frau anerkennt.
Die Regierung legte im Oktober einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von Lebenspartnerschaften, einschließlich solcher zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, vor, den sie als „Fortschritt” für die Rechte von LGBTIQ+ bezeichnete. Nach dem Entwurf des „Gesetzes über die nächsten Angehörigen” würden unverheiratete Paare Rechte in Bereichen wie Erbschaft, Wohnen und medizinische Informationen bekommen – allerdings würde es Paaren in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht erlaubt sein, Kinder zu adoptieren.
Auch in der benachbarten Tschechischen Republik können gleichgeschlechtliche Paare eine Lebenspartnerschaft eingehen, aber keine Ehe. Eingetragene Partnerschaften sind in diesem Land seit Juli 2006 möglich. Die Menschen in den LGBTIQ+-Gemeinschaften haben jedoch immer noch nicht die gleichen Rechte wie die Mehrheit der Gesellschaft in der Tschechischen Republik, sagten Teilnehmer der Prague Pride Parade gegenüber der Nachrichtenagentur CTK.
Im bulgarischen Recht wird die gleichgeschlechtliche Ehen ebenfalls nicht anerkannt, selbst wenn sie im Ausland rechtmäßig geschlossen wurden. Zwar ist Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in Bulgarien verboten, doch die fehlende rechtliche Anerkennung führt zu ernsthaften Problemen, wann immer es um elterliche Rechte und Erbschaften geht. Stirbt ein rechtlich anerkannter Elternteil, können der überlebende Partner und das Kind ohne rechtliche Bindungen oder Vertretung zurückbleiben, was zu komplexen Fragen bezüglich Vormundschaft, Erbschaft und dem Wohl des Kindes führt.
In Kroatien können gleichgeschlechtliche Paare eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, die ihnen fast alle Rechte heterosexueller Paare gewährt, einschließlich des Rechts, Kinder zu adoptieren. Das Antidiskriminierungsgesetz verbietet Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. Gleichgeschlechtliche Ehen wurden jedoch nach einem Referendum im Jahr 2013, bei dem die Bürger dafür stimmten, die Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau zu definieren, verfassungsrechtlich verboten.
EU will Rechte und Sicherheit von LGBTIQ+-Menschen stärken
Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte warnte in einem Bericht im September, dass die LGBTIQ+-Gemeinschaft in einem „Klima zunehmender oder anhaltender Intoleranz und Bigotterie sowie intensiver Online-Hasskampagnen über soziale Plattformen und im öffentlichen Raum“ „instrumentalisiert“ werde.
Im Mai 2024 unterzeichneten neun EU-Mitgliedstaaten – darunter Italien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Litauen, Lettland, die Tschechische Republik und die Slowakei – eine Erklärung zur Förderung europäischer Maßnahmen zugunsten von LGBTIQ+-Gemeinschaften nicht. Die Erklärung war anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie ausgearbeitet und von der belgischen Ratspräsidentschaft vorgelegt worden.
Im vergangenen Monat erklärte die Europäische Kommission, dass zwar die gesellschaftliche Akzeptanz von LGBTIQ+-Personen in den letzten fünf Jahren in der gesamten EU zugenommen habe, sie aber weiterhin unverhältnismäßigem und inakzeptablem Hass, Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt seien. In der Folge verabschiedete sie ihre LGBTIQ+-Gleichstellungsstrategie für 2026-2030, die darauf abzielt, Hass zu bekämpfen und Freiheit und Vielfalt in der EU und darüber hinaus zu fördern.
Um Mitglieder der LGBTIQ+-Gemeinschaften vor Diskriminierung zu schützen, erwägt die EU außerdem, einen Vorschlag zur Bekämpfung von Hassreden im Internet vorzulegen.
In einer Pressemitteilung erklärte die Kommission darüber hinaus, sie wolle gegen „Konversionstherapien” vorgehen, bei denen in pseudowissenschaftlicher Weise versucht wird, die sexuelle und/oder romantische Orientierung, die Geschlechtsidentität oder den Geschlechtsausdruck einer Person zu ändern, um sie an heterosexuelle und cisgeschlechtliche Normen anzupassen. Mehr als eine Million Menschen unterzeichneten im Mai eine Petition, in der sie die EU dazu aufforderten, „Konversionspraktiken” zu verbieten.
Dennoch erklärte die Gleichstellungsbeauftragte der EU gegenüber der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP), dass Brüssel davon Abstand nehmen wolle, ein Verbot solcher Praktiken einzuführen. „Wir können das nicht (verbieten), weil das einen Eingriff in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten darstellen würde,” sagte die für Gleichstellungsfragen zuständige EU-Kommissarin Hadja Lahbib.
Lahbib machte aber auch ihre Haltung deutlich: „Natürlich müssen alle 27 Mitgliedstaaten sie verbieten,” sagte sie.
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