Angesichts neuer Corona-Wellen weisen Wissenschaftler wiederholt auf die hohe Schutzwirkung der millionenfach verwendeten Impfstoffe hin. Menschen, die diese Impfungen ablehnen, heben hingegen mögliche Nebenwirkungen hervor. Diese Impfgegner berufen sich immer wieder auf Zahlen der Europäischen Arzneimittelagentur – bis hin zu einem Entschließungsantrag im Europäischen Parlament, der hartnäckig im Netz herumgeistert. Er zeigt nach Darstellung einer Bloggerin, «wie unsicher» die Impfstoffe gegen Covid-19 seien (hier archiviert). Was ist von den dort verbreiteten Angaben zu halten?

Bewertung

Der zitierte Entschließungsantrag einer einzelnen EU-Abgeordneten stellt Zahlen über vermeintliche Nebenwirkungen falsch dar, denn es handelt sich dabei um unbestätigte Verdachtsfälle. Wenn also behauptet wird, «die Verabreichung von Covid-19-Impfstoffen bedeutete für rund 5000 Personen in der Europäischen Union den Tod», ist dies schlichtweg falsch.

Fakten

Im Europäischen Parlament hatte die französische Abgeordnete Virginie Joron vom extrem rechten Rassemblement National am 23. September 2021 einen Entschließungsantrag eingereicht. Sie forderte darin die EU-Kommission auf, einen Fonds zur «Entschädigung der Opfer der Impfstoffe gegen COVID-19» einzurichten. Ein Entschließungsantrag kann von jedem Mitglied des Europäischen Parlaments eingereicht werden. Es handelt sich weder um einen konkreten Plan noch um eine Entscheidung eines europäischen Gremiums.

Die Begründung des Antrags beruhte auf falschen Annahmen. Joron begründete ihre Idee eines Ausgleichsfonds damit, «dass die Europäische Arzneimittel-Agentur bereits rund eine Million Fälle von Nebenwirkungen nach der Impfung mit COVID-19-Impfstoffen aufführt». Das ist nicht korrekt.

Die Zahlen der Arzneimittel-Agentur EMA aus dem europäischen Meldesystem EudraVigilance stellen Verdachtsfälle von vermuteten, aber nicht bestätigten Nebenwirkungen dar. Darauf weist die EMA ausdrücklich hin: «Angaben zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen dürfen nicht so verstanden werden, als hätte das Arzneimittel oder der Wirkstoff die beobachtete Wirkung verursacht oder als sei das Arzneimittel oder der Wirkstoff nicht sicher in der Anwendung.» Im Entschließungsantrag fehlte diese wichtige Information.

Entsprechend falsch ist deshalb auch die Behauptung der Bloggerin, die Corona-Impfungen hätten «rund 5000» Menschen in der EU den Tod gebracht. Bereits im August hatte eine EMA-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur (dpa) im Rahmen der Recherche für einen ähnlichen Faktencheck mitgeteilt: «Die Tatsache, dass jemand ein medizinisches Problem hatte oder nach der Impfung gestorben ist, bedeutet nicht unbedingt, dass dies durch den Impfstoff verursacht wurde. Dies kann zum Beispiel durch gesundheitliche Probleme ausgelöst worden sein, die nicht mit der Impfung zusammenhängen.»

Zudem werden in der EMA-Datenbank einzelne Fälle mitunter mehrfach aufgeführt, wenn Betroffene nach der Impfung mehrere Symptome zeigen, also mehrere mögliche Nebenwirkungen. Das ist auch der Fall, wenn sie sterben. Ein Einzelfall könne mehr als eine vermutete Nebenwirkung enthalten, erklärte die EMA-Sprecherin. Deshalb sei die Summe der gemeldeten Nebenwirkungen «immer höher als die Gesamtzahl der tödlichen Fälle». Die tatsächliche Zahl der Todesfälle ist also auf jeden Fall geringer und lässt sich nicht aus der Datenbank ableiten.

Das Missverständnis, Meldungen von Verdachtsfällen mit negativen Folgen der Impfung gleichzusetzen, ist immer wieder Gegenstand von Falschbehauptungen, die die dpa in den vergangenen Monaten widerlegt hat.

Die Impfstoffe gegen das Coronavirus sind gut wirksam und ihr Nutzen überwiegt mögliche Risiken weitaus. Häufig treten unangenehme, aber ungefährliche Impfreaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder Fieber auf. Schwere Nebenwirkungen wie starke allergische Reaktionen oder Sinusvenenthrombosen gibt es sehr selten.

Links

Entschließungsantrag der Abgeordneten Virginie Joron (archiviert)

Antrag als PDF (archiviert)

Kurzvorstellung Virginie Joron auf der Seite des EU-Parlaments (archiviert)

Regeln des Europäischen Parlaments zu Entschließungsanträgen (archiviert)

Hinweise der EMA zum Verständnis der Meldungen von Verdachtsfällen über Nebenwirkungen (archiviert)

dpa-Faktencheck «EMA-Datenbank listet lediglich vermutete Nebenwirkungen auf»

dpa-Faktencheck «Behörden sammeln Verdachtsfälle, keine bestätigten Nebenwirkungen»

dpa-Faktencheck «Verdachtsfälle werden häufiger gemeldet, nicht tatsächliche Nebenwirkungen»

dpa-Faktencheck «Keine Belege für angeblich tausende Todesopfer durch Corona-Impfungen»

EMA-Update zur Impfstoffsicherheit vom 30. September 2021 (archiviert)

Robert Koch-Institut zur Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe (archiviert)

Gesundheitsministerium zu Impfnebenwirkungen (archiviert)

Blog-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

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