Eine weit verbreitete Falschbehauptung zum Krieg in der Ukraine geht beim europäischen Publikum um: Angeblich sollen US-Firmen große Agrarflächen des Landes aufgekauft haben. Demnach hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vermeintlich 17 Millionen Hektar an die US-Konzerne Cargill, Dupont und Monsanto veräußert.
Der Vorwurf wird über Blogbeiträge, Facebook-Posts und in Videos bei Tiktok und Whatsapp verbreitet. Laut diesen Beiträgen sind solche Käufe «innerhalb der vergangenen zwölf Monate» vollzogen worden. Teilweise heißt es auch, sie bezögen sich auf ein Gesetz zur «Deregulierung des ukrainischen Bodenmarktes».
Bewertung
Es gibt keine Hinweise darauf, dass die erwähnten Firmen Ackerland in der Ukraine gekauft haben. Der Verkauf von Agrarflächen an ausländische Investoren ist nach einer Reform des ukrainischen Bodenmarktes aus dem Jahr 2021 rechtlich gar nicht möglich. Um auch ausländische Investoren in der Ukraine den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen zu erlauben, müssten die Bürgerinnen und Bürger einer solchen Änderung der Gesetzeslage per Referendum zustimmen.
Fakten
Am 1. Juli 2021 ist der Ukraine ein neues Gesetz in Kraft getreten, dass sich auf den Verkauf von Agrarland bezieht. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat die Reformprozesse in einem Artikel beleuchtet. Zuvor war die Veräußerung von landwirtschaftlichen Flächen in der Ukraine ganz verboten – egal ob in staatlichem oder privatem Besitz. Auch eine Änderung der Nutzungsart der Fläche war untersagt.
Mit dem neuen Gesetz wurde demnach eine schrittweise Öffnung des Bodenmarktes für landwirtschaftliche Flächen beschlossen. Diese bezieht sich jedoch nur auf jene Flächen in privatem Besitz. So kann seit dem 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2023 der Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen nur zwischen ukrainischen Bürgern erfolgen. Pro Person können maximal 100 Hektar Fläche erworben werden.
Ein zweiter Schritt erfolgt ab dem 1. Januar 2024: Dann können zusätzlich auch sogenannte juristische Personen wie etwa Unternehmen Land erwerben, sofern diese nach ukrainischem Recht gegründet und registriert sind und deren Teilnehmer (Aktionäre, Mitglieder) nur Bürger der Ukraine sind. Maximal können dann 10 000 Hektar Fläche gekauft werden.
Umfrage: 84,1 Prozent der Befragten lehnen Flächenverkauf an Ausländer ab
Für eine dritte Öffnungsphase, die den Erwerb von Grundstücken auch für ausländische Investoren ermöglichen würde, müssen die Ukrainer per Referendum einer entsprechenden Gesetzesänderung zustimmen. Ob und wann ein solches Referendum stattfinden soll, ist unklar. In einer im Juni 2021 durchgeführten Umfrage sprachen sich jedoch bereits 84,1 Prozent der Befragten gegen einen Verkauf an Ausländer aus.
Aus rechtlicher Sicht ist es daher aktuell gar nicht möglich, dass US-Firmen Agrarflächen in der Ukraine aufgekauft haben. Auch auf den Webseiten sowie in den jüngsten Geschäftsberichten von Cargill, DuPont und dem deutschen Konzern Bayer (der 2018 Monsanto übernahm), lassen sich keine Hinweise auf eine Übernahme ukrainischer Ackerflächen finden.
Links
Gesetzesänderung zum Verkauf landwirtschaftlicher Flächen in der Ukraine (archiviert)
bpb-Artikel über die Gesetzesänderung zum Bodenmarkt (archiviert)
Umfrage in der Ukraine vom Juni 2021 (archiviert)
«Cargill»-Geschäftsbericht 2022 (archiviert)
«DuPont»-Geschäftsbericht 2021 (archiviert)
«Bayer»-Geschäftsbericht 2021 (archiviert)
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