Wien/Alpbach – Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat Montagnachmittag bei der Eröffnung des „Europäischen Forum Alpbach“ klar gestellt, dass die Sanktionen gegen Russland aufrecht zu erhalten sind. Dies sei eine wichtige Frage und er gebe eine klare Antwort: „Wir haben das zu tun.“ In den vergangenen Tagen hatten führende Landespolitiker der ÖVP die Sanktionen in Frage gestellt.
Berechtigt ist nach Ansicht des Regierungschefs die Frage, ob die Sanktionen Russland auch mehr treffen als die EU. Dass es aber entsprechende Maßnahmen brauche, stehe für ihn außer Diskussion, so Nehammer.
Die russische Aggression in der Ukraine dominierte schon die Eröffnung des Forum, das sich unter dem Titel „New Europe“ über rund zwei Wochen erstreckt und neben 600 Stipendiaten Experten aus unterschiedlichsten Themenfeldern sowie auch Spitzenpolitiker aus dem In- und Ausland in die Tiroler Berge bringt.
Gast bei der Eröffnung war die Präsidentin der Republik Moldau, die als Nachbarstaat besonders von einer großen Menge Vertriebener aus der Ukraine gefordert war. Maia Sandus Botschaft war, ganz Europa müsse der Ukraine helfen, denn die Ukrainer verteidigten ganz Europa.
Angesprochen auf die Gefahr, die für ihr Land durch Russland ausgehe, deutete Sandu eine gewisse Machtlosigkeit an. Natürlich seien die Risiken hoch, niemand könne sich sicher fühlen. Moldau sei eine fragile Demokratie ohne starke Verteidigung. Umso mehr appellierte die Präsidentin, ihrem Land ebenso wie der Ukraine eine echte Beitrittsperspektive zur EU zu bieten. Mehrfach dankte sie dafür, dass es möglich geworden sei, zuletzt den Kandidatenstatus zu erhalten.
Nehammer betonte in dem Zusammenhang auch, wie wichtig es sei, eine entsprechende Perspektive auch dem gesamten West-Balkan zu bieten. Der Kanzler verwies auf die Spannungen in Bosnien-Herzegowina sowie im Kosovo. Nun gelte es alles zu tun, damit der Krieg sich nicht von den östlichen Grenzen Europas in das Zentrum des Kontinents ausbreite. Einmal mehr warb Nehammer dafür, Verhandlungen weiter zu führen, auch im Ukraine-Konflikt. Zwar werde es kein baldiges Kriegsende geben, aber man müsse auch den Kontakt zu Russland aufrecht erhalten.
Sandu forderte von der EU zudem stärkere Anstrengungen gegen Desinformationen. Diese sei zu einer der größten Bedrohungen geworden. Ebenfalls hervorgehoben wurde von der Präsidentin, dass Europa seine Energiesicherheit flotter vorantreiben müsse.
Davor hatte der Präsident des Forum, Andreas Treichl, ein Plädoyer für eine eigene starke europäische Verteidigungsarchitektur gehalten. Er schätze die NATO, aber Europa müsse selbstständig imstande sein, seine eigenen Grenzen zu schützen. (22.8.2022)
Ukraine – Schallenberg erwartet härtere sechs Monate
Wien/Alpbach (APA) – Die kommenden sechs Monate dürften im Kontext des Ukraine-Kriegs noch härter werden, das aus politischen wie auch aus wirtschaftlichen Gründen. Diese Position vertrat Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bei einer Podiumsdiskussion mit osteuropäischen Amtskollegen im Rahmen des Forum Alpbach. Uneinigkeit bei den Diskutanten herrschte bezüglich der Einschränkung von Touristen-Visa für Russen.

Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky warb für eine entsprechende Maßnahme. Nur ein ganz geringer Teil an Russen reise tatsächlich und das seien vielfach reiche Menschen aus Moskau und St. Petersburg, die von der russischen Aggression in der Ukraine selbst gar nichts spürten. Hier brauche es diesbezüglich eine viel harschere Politik.
Anders zeigte sich die Position der slowenischen Außenministerin Tanja Fajon. Sie wies daraufhin, dass man mit entsprechenden Visa-Einschränkungen auch Personen an der Ausreise hindern könnte, die gegen die Politik Wladimir Putins seien und Russland verlassen wollten. Hier keine Visa mehr zu erteilen, wäre ein sehr riskanter Move, der als Boomerang zurückkommen könnte.
Inwieweit die EU weiter mit einer Stimme sprechen kann und die Sanktionen gegen Russland aufrecht halten wird, betrachtete der albanische Premier Edi Rama mit leichter Skepsis. Entscheidend sei die Resilienz und die Bereitschaft für Opfer sei in vermögenden Staaten geringer.
Fajon wies darauf hin, dass die Menschen in Europa sich zunehmend mehr fragten, wem die Sanktionen denn jetzt mehr schaden würden. Säßen am Podium statt Politikern Wirtschaftstreibende oder Vertreter der Bevölkerung wäre die Diskussion wohl eine andere. Die slowenische Außenministerin setzt auf Verhandlungen, bei denen aber Pragmatismus notwendig sein werde. An ein rasches Kriegsende glaubt sie nicht, eher an einen eingefrorenen Konflikt.
Schallenberg verwies darauf, dass die Inflation schon vor dem Krieg sehr hoch gewesen sei und man hier nicht der Erzählung Putins folgen sollte. Angetan zeigte er sich zumindest davon, dass in Europa durch den russischen Angriff quasi eine Erweckung stattgefunden habe:
„Wir sind aus dem Paradies gekickt worden.“
Außenminister Schallenberg
Lipavsky bewarb eindringlich eine gemeinsame europäische Position. Diese würde mehr Gewicht haben, als wenn jeder Staat einzeln Maßnahmen setze.
Der slowakische Außenminister Ivan Korcok wies auf vergangene Versäumnisse hin. Hätte man beim russischen Einmarsch in Georgien oder der Krim ebenso reagiert wie jetzt, wäre man heute nicht zwingend da, wo man sei. Sicherheitspolitisch bewarb Korcok eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur des Westens. Europa könne in allen möglichen Bereich nach Autarkie streben, in sicherheitspolitischen Dingen sei man mit den USA gemeinsam aber viel stärker.
Schallenberg verteidigte indes auf entsprechende Fragen die Neutralität. Diese ist für ihn ein Asset. Außerdem handle es sich um eine reine militärische Neutralität. Man sollte sich in Europa nicht auseinander dividieren lassen. (24.8.2022)
Kiew: Aus EU lieferten bisher nur Ungarn und Österreich keine Waffen
Kiew (Kyjiw) – Österreich und Ungarn sind nach Aussage des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba die einzigen europäischen Länder, die der Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer bisher keine Waffen geliefert haben. Das sagte Kuleba laut der Agentur Ukrinform am Montag im ukrainischen Fernsehen:
„Außer für Ungarn und Österreich, als neutrales Land, ist die Lieferung von Waffen an die Ukraine kein Tabu für auch nur irgendein europäisches Land, obwohl das früher der Fall war.“
Ukrainischer Außenminiser Kuleba
Viele Länder, die davor nie Waffen an Konfliktgebiete geliefert hätten, hätten ihre Meinung „nach dem Beginn der totalen Aggression“ geändert, so Kuleba; einige Länder hätten ihre Gesetze geändert, um die Waffenlieferungen an die Ukraine zu ermöglichen.
Bei der Umsetzung der Waffenlieferungen komme es immer wieder zu Diskussionen bei den westlichen Partnern der Ukraine, welche Waffen und wann diese Waffen geliefert werden sollten. Diese Diskussionen kosteten die Ukraine täglich Verluste an der Front, beklagte der Außenminister.
Russland hat seinen Angriffskrieg auf die Ukraine vor einem halben Jahr gestartet. Österreich sieht sich wegen seiner Neutralität in der Ukraine-Politik der EU in einer „Sonderrolle“, wie es Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) formuliert hat. Man sei innerhalb der Europäischen Union „vollsolidarisch“ auch in Sicherheitsfragen, beteuerte er Anfang Juli. Dass Österreich als neutrales Land der Ukraine keine Kriegswaffen liefern könne, beteuerte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zuletzt im Juli persönlich bei einem Besuch in Kiew gegenüber der ukrainischen Führung.
Ungarn wiederum ist NATO-Mitglied. Der langjährige ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, dessen Kurs, in Ungarn eine „illiberale Demokratie“ errichten zu wollen, hat mehrere EU-Vertragsverletzungsverfahren nach sich gezogen. Orbán pflegt zugleich gute Kontakte zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Bei EU-Sanktionen gegen Russland hat sich Ungarn in der Vergangenheit schon einmal quergestellt. Orbán will sich aus dem Ukraine-Krieg heraushalten, und wer Waffen liefere, stehe bereits „mit einem Bein im Krieg“, so der Regierungschef. (23.8.2022)
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